Leitsatz (amtlich)

1. Die Mitteilung eines zureichenden Grundes im Sinne des § 46 Abs. 1 FGO bedarf keiner besonderen Form. Im allgemeinen reicht es aus, wenn das FA in klarer Weise bekannt gibt, aus welchem Grund es über den Rechtsbehelf noch nicht entscheidet.

2. Auch wenn der Rechtsbehelf durch einen Bevollmächtigten des Steuerpflichtigen eingereicht worden ist, kann das FA den Verzögerungsgrund rechtswirksam dem Steuerpflichtigen selbst mitteilen, wenn dieser dazu durch persönliche Anfragen Anlaß gibt.

2. Zur Angemessenheit der Frist, innerhalb der das FA entscheiden muß, wenn nach Einlegung des Rechtsbehelfs eine Betriebsprüfung durchgeführt worden ist.

2. Besondere Verhältnisse des Einzelfalls im Sinne des § 46 Abs. 2 FGO liegen vor, wenn das FA zugesagt hat, den Einspruch gegen einen Steuerbescheid binnen bestimmter Frist nach Eingang des erwarteten Betriebsprüfungsberichts zu erledigen.

 

Normenkette

FGO § 46

 

Tatbestand

Der Beschwerdeführer (Steuerpflichtiger) legte mit Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 23. März 1966, beim Beschwerdegegner (FA) eingegangen am 25. März 1966, gegen den nach § 92 Abs. 2 AO berichtigten Gewerbesteuermeßbescheid 1962 Einspruch ein mit dem Antrag, den Bescheid ersatzlos aufzuheben, weil die Voraussetzungen für die Anwendung der genannten Vorschrift nicht vorlägen. Am 2. Dezember 1966 erteilte das FA der zuständigen, zu einem anderen FA gehörenden Betriebsprüfungsstelle den Auftrag, die turnusmäßige Betriebsprüfung beim Steuerpflichtigen durchzuführen. Sie fand vom 12. bis 14. Dezember 1966 statt und erstreckte sich auch auf das Jahr 1962. Auf eine telefonische Anfrage des Steuerpflichtigen vom 2. März 1967 nach der Erledigung des Einspruchs antwortete das FA, daß es erst noch den Betriebsprüfungsbericht abwarten müsse, mit dessen Eingang binnen zwei Monaten zu rechnen sei. Am 13. März 1967 schrieb das FA an den Steuerpflichtigen unter Bezugnahme auf seine telefonische Anfrage vom gleichen Tage, daß über den Einspruch innerhalb eines Monats nach Eingang des Betriebsprüfungsberichts entschieden werde. Dieses Schreiben gelangte am 17. März 1967 in die Hände des Sachbearbeiters bei der Prozeßbevollmächtigten des Steuerpflichtigen. Inzwischen hatte die Prozeßbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 15. März 1967, eingegangen beim FG am 18. März 1967, für den Steuerpflichtigen nach § 46 FGO Klage erhoben mit dem Antrag, den berichtigten Gewerbesteuermeßbescheid 1962 ersatzlos aufzuheben. Am 22. März 1967 ging beim FA der Betriebsprüfungsbericht ein; er enthielt keine neuen Feststellungen zur Gewerbesteuer 1962. Am gleichen Tage gab das FA im Wege der Änderung nach § 94 AO dem Einspruch des Steuerpflichtigen in vollem Umfang statt. Die Beteiligten erklärten darauf die Klage für in der Hauptsache erledigt. Das FG hat demgemäß nur über die Kosten entschieden und sie dem Steuerpflichtigen mit im wesentlichen folgender Begründung auferlegt:

Nach dem Sach- und Streitstand im Zeitpunkt der Kostenentscheidung sei die Klage zu früh erhoben worden. Deshalb finde nicht § 138 Abs. 2 Satz 1, sondern § 138 Abs. 1 FGO Anwendung (vg. Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, § 46, Anm. 21). Die Kosten hätte nach billigem Ermessen der Steuerpflichtige zu tragen. Für die Zeit bis zu neun Monaten nach Einlegung des Einspruchs könne dem FA nach den §§ 46 Abs. 1, 158 Absatz 1 FGO grundsätzlich keine Untätigkeit angelastet werden; besondere Umstände hätten nicht vorgelegen. Da vor Ablauf der Neun-Monats-Frist eine Betriebsprüfung stattgefunden habe, habe das FA die Einspruchserledigung bis zum Eingang des Betriebsprüfungsberichts hinausschieben dürfen. Es habe das Abwarten des Betriebsprüfungsberichts dem Kläger mündlich, zuletzt am 13. März 1967 auch schriftlich, mitgeteilt gehabt. Der Ablauf der Jahresfrist (§ 46 Abs. 2 FGO) habe nicht zur Klageerhebung genötigt, weil die Frist wegen der Zusage des FA, den Einspruch in Monatsfrist nach Eingang des Betriebsprüfungsberichts zu erledigen, nicht gegolten habe.

Mit der Beschwerde beantragt der Steuerpflichtige, die Vorentscheidung aufzuheben, die Kosten dem FA aufzuerlegen und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Einspruchsverfahren für notwendig zu erklären. Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Steuerpflichtige wendet sich in erster Linie dagegen, daß die Betriebsprüfung als ausreichender Grund für die Verzögerung der Einspruchserledigung anerkannt worden ist. Außerdem habe das FA aber auch den Verzögerungsgrund nicht im Sinne des § 46 Abs. 1 FGO mitgeteilt. Es hätten zwischen dem Steuerpflichtigen und dem FA lediglich Kontaktgespräche stattgefunden. Das Schreiben vom 13. März 1967 hätte nicht an den Steuerpflichtigen, sondern an dessen Bevollmächtigten gerichtet werden müssen. Wegen des Ablaufs der Jahresfrist nach § 46 Abs. 2 FGO habe die Klage nicht länger hinausgeschoben werden können.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Beschwerde ist unbegründet.

Nachdem sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hatte, ohne daß das FG dem FA eine Frist nach § 46 Abs. 1 Satz 3 FGO gesetzt hatte, war die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens nicht nach § 138 Abs. 2 Satz 1, sondern nach § 138 Abs. 1 FGO zu treffen. (Beschluß des BFH VI B 19/67 vom 22. September 1967, BFH 90, 274, BStBl II 1968, 61). Gemäß § 138 Abs. 1 FGO war über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu befinden. Von dieser Rechtslage ausgehend, hat das FG die Kosten zutreffend dem Steuerpflichtigen auferlegt, weil die Klage unzulässig war. Die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 FGO für die Klageerhebung waren nämlich nicht erfüllt.

Das FA hatte aus zureichendem Grund über den Einspruch nicht entschieden. Nach den §§ 46 Abs. 1 Satz 2, 158 Abs. 1 Satz 1 FGO hatte das FA nach dem Eingang des Einspruchs ohne weiteres neun Monate Zeit für die Erledigung des Einspruchs; besondere Umstände, die eine kürzere Frist geboten hätten, sind nicht vorgetragen worden. Nach Ablauf der Frist hatte das FA aber mit seiner Entscheidung weiter gewartet, weil es das Ergebnis der inzwischen vorgenommenen Betriebsprüfung abwarten wollte. Das FG hat diesen Grund zutreffend als zureichend anerkannt. Es ist dem Steuerpflichtigen zwar zuzugeben, daß die Erledigung des Einspruchs, der eine reine Rechtsfrage betraf, keine weitere Sachaufklärung erforderte. Andererseits ergeben die Akten nichts dafür, daß dem Steuerpflichtigen von vornherein an einer raschen Entscheidung gelegen hätte. Er hat im Schriftsatz vom 14. Juni 1967 selbst erklärt, daß gegen die Erledigung des Einspruchs im Rahmen der Betriebsprüfung nichts einzuwenden gewesen wäre. Unter diesen Umständen kann dem FA aber kein Vorwurf daraus gemacht werden, daß es den Eingang des Betriebsprüfungsberichts abwartete; denn erst durch den Bericht erfuhr das FA das Prüfungsergebnis, zumal die Betriebsprüfung von der Betriebsprüfungsstelle eines anderen FA durchgeführt worden war. Es sind auch keine besonderen Umstände vorgetragen oder erkennbar, die dem FA nach der Betriebsprüfung hätten Veranlassung geben müssen, die Erledigung außerhalb des normalen Geschäftsgangs durch besondere Maßnahmen (z. B. telefonische Rückfrage beim Betriebsprüfungs-FA) zu beschleunigen.

Dem Steuerpflichtigen ist nicht darin zuzustimmen, daß das FA ihm den Hinderungsgrund für die alsbaldige Erledigung nicht ordnungsgemäß mitgeteilt habe. Eine besondere Form ist für die Mitteilung im § 46 Abs. 1 FGO nicht vorgeschrieben. Die Mitteilung muß nicht notwendig schriftlich geschehen. Der Senat hält es im allgemeinen für ausreichend, wenn das FA dem Steuerpflichtigen in klarer Weise bekannt gibt, aus welchem Grund es über den Rechtsbehelf noch nicht entscheidet. Dieser Pflicht ist das FA nachgekommen. Es hat durch seinen Sachgebietsleiter dem Steuerpflichtigen am 2. März 1967, als dieser das FA wegen der ausstehenden Einspruchsentscheidung anrief, mitgeteilt, daß für die Bearbeitung des Einspruchs der Betriebsprüfungsbericht erforderlich sei, mit dessen Eingang innerhalb der nächsten zwei Monate gerechnet werden könne. Als der Steuerpflichtige am 13. März 1967 erneut anrief, ist ihm zusätzlich zugesagt worden, daß über den Einspruch innerhalb eines Monats nach Eingang des Betriebsprüfungsberichts entschieden werde. Wunschgemäß bestätigte ihm das FA dies noch ausdrücklich mit Schreiben vom gleichen Tage.

Der Steuerpflichtige kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, daß das Schreiben vom 13. März 1967 erst nach Eingang der Klageschrift vom 15. März 1967 in die Hände seiner Bevollmächtigten gelangt sei. Es war seine Sache, seiner Bevollmächtigten von den Mitteilungen des FA vom 2. und 13. März 1967 rechtzeitig Kenntnis zu geben. Der Steuerpflichtige kann auch nicht geltend machen, das FA habe seine Mitteilungen im Sinn des § 46 Abs. 1 FGO an die Bevollmächtigte richten müssen. Wird ein Steuerpflichtiger im Einspruchsverfahren durch einen Bevollmächtigten vertreten, so liegt es im Ermessen des FA, ob es sich an den Steuerpflichtigen persönlich oder an dessen Vertreter wendet. Bei der Ausübung des Ermessens sind die Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. (Vgl. Urteil des BFH I 36, 37/64 U vom 13. April 1965, BFH 82, 391, BStBl III 1965, 389.) Im Streitfall war zwar der Einspruch durch die Bevollmächtigte des Steuerpflichtigen eingelegt und der sich unmittelbar daran anschließende Schriftwechsel zwischen dem FA und der Bevollmächtigten geführt worden. Trotzdem bedeutete es keinen Fehlgebrauch des Ermessens, wenn das FA später den Hinderungsgrund für die Erledigung des Einspruchs dem Steuerpflichtigen persönlich mitteilte, als dieser selbst wiederholt beim FA wegen der Einspruchserledigung vorstellig wurde. Das gilt insbesondere für die unbestrittenen telefonischen Nachfragen des Steuerpflichtigen am 2. und 13. März 1967, aber auch für das Bestätigungsschreiben vom 13. März 1967, das der Steuerpflichtige bei seinem Anruf vom gleichen Tage ausdrücklich erbeten hatte. Es wäre ungewöhnlich gewesen, wenn das FA von sich aus den Inhalt des Telefongesprächs nicht dem Steuerpflichtigen, sondern dessen Bevollmächtigter bestätigt hätte. Das FA konnte davon ausgehen, daß die Bevollmächtigte von den eigenen Nachfragen des Steuerpflichtigen wußte und dieser seine Bevollmächtigte unterrichten werde.

Schließlich kann dem Steuerpflichtigen nicht darin gefolgt werden, daß er wegen des bevorstehenden Ablaufs der Jahresfrist des § 46 Abs. 2 FGO die Klage nicht länger habe aufschieben können. Die Jahresfrist gilt nicht, wenn die Klageerhebung unter den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles unterblieben ist. Solche besonderen Verhältnisse liegen vor, wenn das FA - wie im Streitfall - zugesagt hat, den Einspruch binnen einem Monat nach dem Eingang des zu erwartenden Betriebsprüfungsberichts zu erledigen. An diese Zusage hat sich das FA gehalten.

Da es bei der Kostentragung durch den Steuerpflichtigen verbleibt, ist der Antrag nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO gegenstandslos.

 

Fundstellen

Haufe-Index 67718

BStBl II 1968, 471

BFHE 1968, 170

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