Entscheidungsstichwort (Thema)

Ernstliche Zweifel am Zufluß von Kapitalerträgen bei Gutschrift von Scheinrenditen

 

Leitsatz (NV)

Wird Kapital aufgrund eines "Verwaltungsvertrags" an ein ausländisches Unternehmen überlassen, das damit Warentermingeschäfte in den USA durchführen will, wobei die vereinbarten "Renditen" dem Kapitalgeber gutgeschrieben werden sollen, so ist ernstlich zweifelhaft, ob die erteilten Gutschriften zu einem Zufluß von Kapitalerträgen beim Anleger führen, wenn das hoch überschuldete Unternehmen die gutgeschriebenen Beträge im Grunde nur aus den Einlagen der Kapitalgeber leisten könnte (sog. Schneeballsystem; Anschluß an BFH-Beschluß vom 20. Dezember 1994 VIII B 143/94, BFHE 176, 263, BStBl II 1995, 262).

 

Normenkette

EStG 1987 § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nrn. 4, 7; FGO § 69 Abs. 2-3

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg

 

Tatbestand

Die Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) sind Eheleute, die zur Einkommensteuer zusammen veranlagt werden. Der Antragsteller vermittelte nebenberuflich in den Streitjahren 1989 und 1990 Geldanlagen einer GmbH mit Gewinnen aus Gewerbebetrieb. Über die GmbH legte er einen Betrag von insgesamt ... DM bei der Kapitalgesellschaft A (Sitz in Panama, Verwaltung in Liechtenstein) an; einen Teil der Einlage finanzierte er mit einem Kredit der Sparkasse.

Die Firma A beteiligte sich von Oktober 1986 bis Januar 1991 an spekulativen Börsengeschäften in den USA, überwiegend als Stillhalter bei Optionsgeschäften. Die von ihr in Werbeprospekten und Kontoauszügen an die Anleger ausgewiesenen ungewöhnlich hohen Renditen wurden in Wirklichkeit nicht erwirtschaftet. Denn A hatte schon aufgrund des Kurssturzes vom 19. Oktober 1987 das gesamte bis dahin eingezahlte Anlagekapital eingebüßt. Nach einer vorübergehenden Erholung in der ersten Hälfte des Jahres 1988 erlitt die Firma A im wesentlichen nur noch Verluste. Auszahlungen an die Anleger wurden überwiegend aus neuen Einlagen bestritten, bis 30. September 1990 in voller Höhe, bis 15. Januar 1991 nur noch teilweise. Ein Anfang 1991 gegen die Firma eingeleitetes Konkursverfahren wurde 1993 mangels Masse eingestellt.

Der Antragsteller leistete seine Einlage von insgesamt ... DM bei A aufgrund von zwei "Verwaltungsverträgen", auf die er "Auszahlungen" in Höhe von insgesamt ... DM erhielt. Im einzelnen gestalteten sich Einzahlungen, Auszahlungen und gutgeschriebene "Renditen" wie folgt: ...

Nachdem der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) von diesem Sachverhalt nachträglich Kenntnis erlangt hatte, änderte er den unter Nachprüfungsvorbehalt ergangenen Einkommensteuerbescheid 1989 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) dahingehend, daß bei den Einkünften aus Kapitalvermögen gutgeschriebene "Renditen" in Höhe von ... DM als Einnahmen erfaßt und davon Schuldzinsen in Höhe von ... DM als Werbungskosten abgezogen wurden, so daß insoweit Einkünfte in Höhe von ... DM verblieben. Entsprechend verfuhr das FA im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1990 mit Ein nahmen aus "Renditen" von ... DM unter Abzug von Schuldzinsen von ... DM (Einkünfte ... DM).

Den hiergegen von den Antragstellern eingelegten Einspruch wies das FA während des inzwischen beim Finanzgericht (FG) angestrengten Verfahrens auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide zurück. Die nunmehr erhobene Klage schwebt noch beim FG.

Während das FA auch die Anträge der Antragsteller auf Aussetzung der Vollziehung, Stundung und Erlaß abgelehnt hatte, gab das FG dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gegen Sicherheitsleistung statt, da aus verschiedenen Gründen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestünden. Die Begründung stimmt weitgehend mit dem Beschluß des FG vom gleichen Tage in dem Parallelfall 14 V 17/94 überein, der in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 74 veröffentlicht ist.

Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde, der das FG nicht abgeholfen hat, macht das FA geltend:

Es liege eindeutig keine Treuhandverein barung vor. Unabhängig vom Rechtsverhältnis im einzelnen habe jedenfalls ein Kapitalnutzungsverhältnis i. S. des § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorgelegen. Dem Antragsteller seien auch Einnahmen in der angenommenen Höhe zugeflossen, weil A die "Renditen" bis 1990 tatsächlich an die Anleger ausbezahlt habe. Dessen objektive Bereicherung sei nicht erforderlich; das zeige der Vergleich mit Aktienerträgen, die in manchen Jahren auch aus offenen oder verdeckten Rücklagen oder stillen Reserven bezahlt würden. Auch nur gutgeschriebene Renditen seien zugeflossen, da sie jedenfalls bis 30. September 1990 rechtlich durchsetzbar gewesen seien.

Das FA beantragt, zum Teil sinngemäß, unter Aufhebung des FG-Beschlusses den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.

Die Antragsteller beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Das FG hat die Vollziehung des Änderungsbescheids zur Einkommensteuer 1989 und des Einkommensteuerbescheids 1990 zu Recht in der strittigen Höhe ausgesetzt. Dies folgt aus dem einen Parallelfall betreffenden Beschluß des Senats vom 20. Dezember 1994 VIII B 143/94 BFHE 176, 263, BStBl II 1995, 262. Dort hat der Senat zwar offengelassen, ob die Firma A als Treuhänderin der Anleger angesehen werden und ob die getroffenen Vereinbarungen als partiarisches Darlehen oder stille Gesellschaft zu beurteilen sein könnten. Der Senat sieht es jedoch mit der Vorinstanz als ernstlich zweifelhaft an, ob die von A erteilten Gutschriften zu einem Zufluß von Kapitalerträgen beim Anleger führten; im übrigen wird auf den bezeichneten Beschluß Bezug genommen.

Die Beschwerdebegründung des FA räumt diese Bedenken nicht aus.

Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 420563

BFH/NV 1995, 773

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