Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung bei fehlendem Klärungsbedarf

 

Leitsatz (NV)

1. Wird die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision auf die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage (§ 115 Abs. 2 Nr.1 FGO) gestützt, so muß der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung ,,darlegen"; dazu muß er konkret auf die Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen.

2. Hat der BFH bereits über die streitige Rechtsfrage entschieden, so ist darzulegen, weshalb trotz dieser Entscheidung weiterhin ein Klärungsbedarf besteht.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Tatbestand

In dem Rechtsstreit geht es um die Frage, ob ein Arbeitsverhältnis steuerlich anzuerkennen ist, wenn das Gehalt des Arbeitnehmer-Ehegatten auf ein sog. ,,Oder-Konto" der Ehegatten überwiesen wird.

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) betrieb in den Streitjahren 1978 bis 1981 einen Gewerbebetrieb. Seine Ehefrau, die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), arbeitete in seinem Betrieb mit. Das Gehalt der Klägerin überwies der Kläger auf ein auf den Namen beider Ehegatten eingerichtetes Girokonto, über das jeder Ehegatte allein verfügen konnte (sog. ,,Oder-Konto").

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung ließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die Gehaltszahlungen an die Klägerin nicht mehr zum Abzug als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) zu und änderte die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre entsprechend. Hinsichtlich der Grund- und Kinderfreibeträge hat das FA die Bescheide nachträglich für vorläufig erklärt.

Mit ihrer Klage begehrten die Kläger den Abzug der Gehaltszahlungen als Betriebsausgaben.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus, nach dem Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. November 1989 GrS 1/88 (BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160) könne ein Ehegatten-Arbeitsverhältnis steuerlich nicht anerkannt werden, wenn die Bezüge des Arbeitnehmer-Ehegatten auf ein Oder-Konto der Ehegatten überwiesen werden. In diesem Fall seien die Lohnüberweisungen keine Betriebsausgaben, weil die Zahlungen die betriebliche Sphäre noch nicht verlassen hätten. Denn auch nach der Überweisung auf das Oder-Konto stände es dem Arbeitgeber-Ehegatten frei, über diesen Betrag zu verfügen. Damit fehle es an einer Lohnzahlung, wie sie unter Fremden üblich sei.

Die Revision ließ das FG nicht zu.

Mit ihrer Beschwerde wenden sich die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision. Sie sind der Auffassung, daß die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Würde man der Auffassung des Großen Senats des BFH in BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160 folgen, so würde man ihnen - den Klägern - das Recht aberkennen, gemeinsames Eigentum zu besitzen. Diese Behandlung verstoße gegen das Grundgesetz (GG). Sie stelle eine Diskriminierung der Ehe und einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar. Eheleuten in einer intakten Ehe könne nicht aufgezwungen werden, aufgrund von Steuergesetzen ihre Konten anders zu führen als Ehegatten, die beide Arbeitnehmer seien. Eine besondere Diskriminierung der Ehe liege darin, daß - entgegen der Behandlung von Eheleuten - bei unverheirateten Paaren die Überweisung des Arbeitslohns auf ein gemeinsames Oder-Konto die steuerliche Anerkennung des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht hindere. Die Aufrechterhaltung der bisherigen Rechtspre- chung würde zu mehr ,,Ehen ohne Trauschein" führen.

Die Kläger beantragen, wegen eines beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) schwebenden Musterverfahrens das ,,Klageverfahren" (gemeint ist wohl: das Beschwerdeverfahren) gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig, weil die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Sache nicht - wie nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlich - ,,dargelegt" haben.

Wird die Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache (§ 115 Abs. 2 Nr.1 FGO) begehrt, so muß in der Beschwerdeschrift die grundsätzliche Bedeutung der Sache ,,dargelegt" werden. ,,Darlegen" bedeutet mehr als allgemeine Hinweise oder Behauptungen; es erfordert substantielle und konkrete Angaben darüber, weshalb die zu der Rechtsfrage zu treffende (Revisions-)Entscheidung aus Gründen der Rechtsklarheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 115 FGO Tz.88; BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625). Der Beschwerdeführer muß konkret auf die Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Hat der BFH bereits über die streitige Rechtsfrage entschieden, so ist darzulegen, weshalb trotz dieser Entscheidung weiterhin ein Klärungsbedarf besteht (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 115 Anm.62).

An solchen Darlegungen haben es die Kläger fehlen lassen. Die Rechtsfrage, um deren Klärung es den Klägern geht, ist bereits in dem Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160 eingehend und abschließend beantwortet worden. In dem Beschluß ist ausgeführt, daß nur solche Aufwendungen des Arbeitgeber-Ehegatten, die durch seinen Betrieb veranlaßt worden sind, als Betriebsausgaben abgezogen werden können. Ob Zahlungen an den Arbeitnehmer-Ehegatten auf betrieblicher Veranlassung beruhten, hänge von den getroffenen Vereinbarungen und ihrer tatsächlichen Durchführung ab. Zur tatsächlichen Durchführung eines Ehegatten-Arbeitsverhältnisses gehöre nicht nur, daß der Arbeitnehmer-Ehegatte seine Arbeitsleistung erbringe, sondern auch, daß er für seine tatsächlich geleistete Arbeit eine wie unter Fremden übliche Entlohnung erhalte und über diese frei und vom Arbeitgeber uneingeschränkt verfügen könne. Die vereinbarte Entlohnung müsse deshalb ersichtlich in den Einkommens- und Vermögensbereich des Arbeitnehmer-Ehegatten gelangen, der vom Einkommens- und Vermögensbereich des Arbeitgeber-Ehegatten klar und eindeutig getrennt sein müsse. An einem solchen eindeutigen Übergang fehle es im Falle der Überweisung des Arbeitslohns von einem betrieblichen Konto des Arbeitgeber-Ehegatten auf ein Oder-Konto der Ehegatten.

Die von den Klägern mit ihrer Beschwerde erhobenen Einwendungen gegen diese Entscheidung lassen nicht erkennen, daß weiterhin ein Klärungsbedarf besteht. Dies gilt insbesondere von dem Vortrag der Kläger, die Rechtsprechung des BFH sei mit dem GG nicht vereinbar. Der Große Senat des BFH hat sich in seiner Entscheidung in BFHE 158, 563, BStBl II 1990, 160 unter C III 5 mit der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit seiner Rechtsauffassung eingehend auseinandergesetzt. Er hat dabei auch in Betracht gezogen, daß die für die steuerliche Anerkennung von Ehegatten-Dienstverhältnissen geforderten Voraussetzungen von den nichtehelichen Lebensgemeinschaften nicht in demselben Umfang wie von Ehegatten zu beachten sind. Daraus resultiere jedoch keine Diskriminierung der Ehe gegenüber den nichtehelichen Lebensgemeinschaften. Der Gedanke der ehelichen Lebensgemeinschaft, der den Instituten des Versorgungsausgleichs, des Zugewinnausgleichs und im Bereich des Steuerrechts dem Splitting-Verfahren zugrunde liege, erlaube es, bei Ehegatten davon auszugehen, ihre Eheschließung erleichtere eine steuerlich günstige Gestaltung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse und sie seien deshalb nicht ausnahmslos wie Ledige zu behandeln.Dem Antrag der Kläger, das Beschwerdeverfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen, bis das BVerfG in einem Musterverfahren über die hier streitige Frage entschieden hat, kann schon deshalb nicht stattgegeben werden, weil die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig ist.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418659

BFH/NV 1993, 255

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