Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzureichende Sachaufklärung als Verfahrensfehler

 

Leitsatz (NV)

Ein Verfahrensfehler wegen unzureichender Sachaufklärung des Finanzgerichts ist nicht vorhanden, wenn das Finanzgericht auf die Steuerschuld des Klägers nach §14 Abs. 3 UStG erstmals in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, das Finanzamt diese Vorschrift aber vorher in das Verfahren eingeführt und erläutert hatte.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 S. 3; UStG 1980 § 14 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte mit der Firma M einen Forschungs- und Entwicklungsvertrag über die Weiterentwicklung eines bestimmten technischen Verfahrens geschlossen. M erhielt dafür Forschungsmittel von der öffentlichen Hand, für die M Rechnungen des Klägers und Zahlungsnachweise einreichen mußte. Nach Aufforderung durch M, die eigene Mittel schonen wollte, bestätigte der Kläger auf einer Quittung vom April 1987 den Erhalt von 81 620 DM und 14 v. H. Umsatzsteuer von 11 426,80 DM, insgesamt 93 046,80 DM, für Leistungen in einzeln bezeichneten Rechnungen. In der Umsatzsteuererklärung für 1987, abgegeben bei dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt -- FA --) im November 1988, erklärte er nur steuerpflichtige Umsätze von 31 507 DM. In einem Schreiben vom 8. Dezember 1990 stornierte er die bezeichneten Rechnungen an M über insgesamt 93 046,80 DM.

Durch Änderungsbescheid vom 13. Dezember 1993 erhöhte das FA die Umsatzsteuer für 1987 gegen den Kläger auf 2 789 DM, nachdem es die Bemessungsgrundlage für steuerpflichtige Umsätze des Klägers um 25 000 DM (netto) angehoben hatte. Dabei ging das FA davon aus, daß dem Kläger der quittierte Betrag von 93 046,80 DM zugeflossen sei und daß er davon 64 546 DM (einschließlich Umsatzsteuer) zurückgezahlt habe.

Der Einspruch des Klägers hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 16. September 1996 ab. Es bestätigte die Steuerfestsetzung, weil der Kläger die Steuer,. für die er in Anspruch genommen worden sei, "mindestens ... in Höhe von 3 500 DM" nach §14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 schulde, weil er in den bezeichneten Anzahlungsrechnungen Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen habe, ohne eine Leistung ausgeführt zu haben. In der weiteren Begründung führte das FG u. a. aus, der Kläger habe in einem Schreiben vom 8. Dezember 1990 selbst bestätigt, daß M das Forschungsergebnis erst bei Zahlung der Abschlußrechnung zur Verfügung stehe. Er sei nicht zur Ausstellung einer leistungslosen Anzahlungsrechnung nach §14 Abs. 1 Satz 3 UStG 1980 befugt gewesen, weil dafür zutreffende Angaben darüber erforderlich seien, daß das berechnete Entgelt wirklich vereinnahmt worden sei. Der Kläger habe dagegen in einem Schreiben vom 17. August 1989 selbst bestätigt, daß er bei Ausstellung der Anzahlungsrechnungen aufgrund des mit M abgesprochenen Vor gehens gewußt habe, daß er nicht die volle Höhe des berechneten Anzahlungsbetrages erhalten habe, sondern nur 80 v. H. des ausgezahlten Zuschusses (von 40 v. H. des Netto-Rechnungsbetrages) erhalten würde. Die Rechnungsstornierung betreffe nicht das Streitjahr 1987. Der Steueranspruch sei auch nicht wegen Ablaufs der regelmäßigen Festsetzungsfrist erloschen, weil die Frist wegen leichtfertiger Steuerverkürzung des Klägers fünf Jahre betragen habe (§169 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. §378 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Der Kläger habe das FA pflichtwidrig nicht über den Steueranspruch nach §14 Abs. 3 UStG 1980 in der Steuererklärung unterrichtet.

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger, daß das FG den Zeugen X, Mitinhaber der Firma M, nicht über die Behauptung vernommen und vereidigt habe, daß er -- der Kläger -- Umsätze, die er tatsächlich getätigt habe, nicht erklärt habe. Das FG habe ihm, dem nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertretenen Kläger, die vom FA in seinen Schriftsätzen vom 30. März 1995, vom 4. Mai 1995 und vom 16. Juni 1995 erwähnte Besteuerungsgrundlage des §14 Abs. 3 UStG 1980 nicht erklärt. Wenn dies geschehen wäre, hätte er dem FG vorgetragen, wie weit das Forschungsobjekt bereits fortgeschritten gewesen sei und daß er mit voller Bezahlung gerechnet habe. Das FG habe den subjektiven Tatbestand der angenommenen leichtfertigen Steuerverkürzung nicht genügend aufgeklärt. Seine, des Klägers, Verfahrensweise habe nur die Finanzierung der M unterstützen sollen. Daraus habe sich ihm aber nicht eine mögliche Steuerverkürzung aufdrängen müssen. Diesen Aspekt habe er, der Kläger, als dies in der mündlichen Verhandlung zur Sprache gekommen sei, nicht erfaßt.

Der Kläger begehrt die Zulassung der Revision.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

Sie entspricht nicht den Anforderungen, die §115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung und die Bezeichnung eines Zulassungsgrunds stellt. Im übrigen sind die von dem Kläger gerügten Mängel für die angefochtene Entscheidung ohne Einfluß gewesen.

a) Die Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision setzt gemäß §115 Abs. 3 Satz 3 FGO nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs -- BFH -- (z. B. Beschluß vom 18. Februar 1993 V B 8/93, BFH/NV 1995, 306) u. a. voraus, daß einer der abschließend bezeichneten Zulassungsgründe (§115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO) geltend gemacht, insbesondere, daß ein Verfahrensmangel nicht nur behauptet, sondern bezeichnet wird. Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerde des Klägers nicht.

Der Kläger bezeichnet als Zulassungsgrund -- wie seinen Ausführungen nur durch Auslegung zu entnehmen ist -- Verfahrensmängel durch unvollständige Aufklärung des Sachverhalts.

Wird als Verfahrensmangel eine Verletzung der Amtsaufklärungspflicht sowie unzureichende Sachaufklärung geltend gemacht, so sind insbesondere die unaufgeklärt gebliebenen, aber aufklärungsbedürftigen Tatsachen anzugeben oder die Umstände zu bezeichnen, aus denen sich dem FG die Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. zu den Anforderungen: BFH-Beschluß vom 4. Februar 1991 V B 94/89, BFH/NV 1992, 668; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., §115 Anm. 65 i. V. m. §120 Anm. 37). Der Beschwerdeführer muß darüber hinaus darlegen, daß er die nach seiner Meinung mangelhafte Sachaufklärung vor dem FG gerügt hat oder daß ihm eine derartige Rüge nicht möglich gewesen sei (vgl. BFH-Beschluß vom 5. Juni 1991 II B 180/90, BFH/NV 1992, 397). Darlegungen dieser Art sind für die Rüge mangelnder Sachaufklärung erforderlich, weil gemäß §155 FGO i. V. m. §§295, 531, 538 der Zivilprozeßordnung (ZPO) die Verletzung einer das Verfahren betreffenden Vorschrift nicht mehr beanstandet werden kann, wenn der Beteiligte den Mangel nicht gerügt hat, obwohl er dazu Gelegenheit gehabt hätte und ihm der Mangel bekannt war oder hätte bekannt sein müssen (vgl. BFH-Urteile vom 4. Oktober 1974 III R 127/73, BFHE 113, 470, BStBl II 1975, 302; vom 31. Juli 1990 I R 173/83, BFHE 162, 236, BStBl II 1991, 66). Außerdem ist das vermutliche Beweisergebnis und dessen Einfluß auf den Verfahrensausgang darzulegen (ständige Rechtsprechung, z. B.: BFH in BFH/NV 1992, 668; vgl. auch Gräber/Ruban, a.a.O., §115 Anm. 65 i. V. m. §120 Anm. 37 ff.). Dabei ist von der Rechtsauffassung des FG auszugehen.

b) Die von dem Kläger für aufklärungsbedürftig gehaltenen Tatsachen sind, soweit sie das FG nicht ohnehin aufgeklärt, aber anders als der Kläger gewertet hat, für die Entscheidung nach der dafür maßgebenden Rechtsauffassung des FG ohne Bedeutung.

Eine Aussage des Zeugen X über Umsätze, die der Kläger wirklich ausgeführt, aber nicht erklärt hat, ist nicht erforderlich. Das FG ist nicht von nicht erklärten, aber aus geführten Umsätzen des Klägers ausgegangen, so daß eine Vereidigung über eine Aussage in einem derartigen Sachverhalt nicht in Betracht kommt. Das FG hat angenommen, daß der Kläger über Umsätze mit gesondertem Steuerausweis abgerechnet hat, die er nicht in dem berechneten Umfang ausgeführt hat (§14 Abs. 3 UStG 1980).

Ein Verfahrensfehler des FG ist auch nicht deswegen vorhanden, weil das FG "erstmals in der mündlichen Verhandlung" auf diesen Besteuerungstatbestand hingewiesen hatte. Das FA hat während des finanz gerichtlichen Verfahrens ausdrücklich den Inhalt dieser Vorschrift erläutert und sie mit §14 Abs. 3 UStG auch benannt. Der Mitwirkungspflicht des Klägers hätte es entsprochen, sich über weitere ihm noch unklare Einzelheiten zu unterrichten oder ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung um Erklärung von Unklarheiten zu bitten. Für die Entscheidung des FG wäre es im übrigen unerheblich gewesen, wenn der Kläger seinen Vortrag daraufhin erweitert und den Stand des Forschungsprojektes und die Hoffnung auf Bezahlung dargelegt hätte, weil dadurch die Abrechnung über nicht erhaltene Zahlungen und über noch nicht ausgeführte Leistungen mit gesondertem Steuerbetrag nicht beseitigt worden wäre.

Da der Kläger, wie er selbst einräumt, vorsätzlich mitgewirkt hat, um durch seine Abrechnung Forschungszuschüsse der öffentlichen Hand zu erlangen, auf die noch kein Anspruch bestand, sind die Ausführungen des FG zur Festsetzungsverjährung verfahrensfehlerfrei.

Insgesamt greift der Kläger nur die Beweiswürdigung des FG und damit die Richtigkeit der Vorentscheidung (vgl. BFH-Beschluß vom 17. Januar 1995 V B 51/94, BFH/NV 1995, 892) an. Dies rechtfertigt keine Zulassung der Revision.

 

Fundstellen

Haufe-Index 66686

BFH/NV 1998, 33

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