Entscheidungsstichwort (Thema)

Divergenz

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Divergenz liegt schon begrifflich nicht vor, wenn das FG einen abstrakten Rechtssatz aus einer Entscheidung des BFH übernimmt und auf einen nach seiner Auffassung ähnlich gelagerten Sachverhalt anwendet.

2. Das FG weicht nicht von den Aussagen des Großen Senats im Beschluß vom 4. 7. 1990 GrS 2--3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 812 ff. zur Zurechnung von Darlehen zum privaten und betrieblichen Bereich ab, wenn es aus tatsächlichen Gründen die betriebliche Veranlassung für ein der Klägerin überlassenes Policendarlehen verneint.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2

 

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Revision ist nicht wegen Abweichung des angefochtenen Urteils von den in der Beschwerdeschrift bezeichneten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) zuzulassen.

1. Der Senat läßt dahingestellt, ob die Beschwerde in der nach § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebotenen Weise einen bestimmten, die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) tragenden (abstrakten) Rechtssatz herausgearbeitet hat, der mit den ebenfalls tragenden recht lichen Erwägungen einer Entscheidung des BFH nicht übereinstimmt (vgl. Beschluß vom 11. Februar 1987 II B 140/86, BFHE 148, 494, BStBl II 1987, 344, sowie Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rz. 23, m. w. N.).

2. Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Eine Abweichung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO liegt nur vor, wenn das FG in einer bestimmten Rechtsfrage eine andere Auffassung vertritt als der BFH und das angefochtene Urteil auf dieser Divergenz beruht (BFH-Beschluß vom 12. Dezember 1995 V B 84/95, BFH/NV 1996, 426).

a) Das Urteil des FG weicht in diesem Sinne nicht von dem Beschluß des Großen Senats vom 4. Juli 1990 GrS 2--3/88 (BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 ff.) ab. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) meint, das FG sei in der angefochtenen Entscheidung von dem zitierten Rechtssatz der Entscheidung des Großen Senats des BFH -- wonach die zur Ablösung eines Kredites aufgenommenen Darlehen insoweit als Betriebsschuld passivierbar sind, als die getilgte Kreditschuld dem Betriebsvermögen zuzurechnen ist -- abgewichen, weil die Darlehensvaluta aus dem Policendarlehen des Gesellschafters der Klägerin auf das negative betriebliche Konto der Klägerin überwiesen und somit eine betriebliche Schuld getilgt worden sei. Der BFH führt dazu jedoch aus, daß Schuldzinsen nicht allein kraft einer Willensentscheidung -- d. h. durch die nach außen dokumentierte Wertung des Steuerpflichtigen (z. B. durch die Buchung über betriebliche Konten), es liege eine Betriebsschuld vor --, sondern nur dann als Betriebsausgabe abgezogen werden können, wenn mit den Darlehensmitteln betrieblich veranlaßte Aufwendungen getätigt werden. Das gilt auch für Darlehen, die ein Gesellschafter einer Personengesellschaft aufgenommen und an die Personengesellschaft weitergegeben hat (BFH-Urteil vom 15. November 1990 IV R 63/88, BFHE 162, 562, BStBl II 1991, 238). Werden Darlehensmittel für einen anderen als den ursprünglich vorgesehenen Zweck verwendet, kommt es ebenfalls entscheidend auf die tatsächliche Verwendung der Darlehensmittel an; werden sie teilweise für betriebliche Zwecke und teilweise für private Zwecke verwendet, so darf die Darlehensverbindlichkeit nur in dem der Verwendung des Darlehens für betriebliche Zwecke entsprechenden Umfang als Betriebsvermögen behandelt werden (BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 824, dort unter C. II. 3. a, d).

Diese Grundaussagen des Beschlusses des Großen Senats zur Zurechnung von Darlehen zum privaten und betrieblichen Bereich hat der BFH in seiner Rechtsprechung kontinuierlich fortentwickelt und im Urteil vom 5. März 1991 VIII R 93/84 (BFHE 164, 46, BStBl II 1991, 516) ausgeführt, daß ein zum Ausgleich eines betrieblich veranlaßten Soll-Saldos auf einem Kontokorrentkonto aufgenommenes Darlehen nur dann betrieblich veranlaßt ist, wenn es nicht der Finanzierung der Entnahme, sondern von betrieblichen Aufwendungen dient, die nach der Entnahme entstanden sind (vgl. auch BFH-Urteil vom 15. November 1990 IV R 97/82, BFHE 162, 557, BStBl II 1991, 226, dort unter II. 2., 3.).

Diese Rechtssätze sind erkennbar auch vom FG übernommen worden. Eine Aufnahme des Darlehens zur Ablösung früherer betrieblicher Schulden hat das FG im vorliegenden Fall aus tatsächlichen Gründen verneint, weil es festgestellt hat, daß die der Klägerin überlassenen Policendarlehen zum überwiegenden Teil nicht der Ablösung eines Betriebskredites der Klägerin (vgl. zur Umschuldung betrieblich veranlaßter Darlehen BFH-Urteil vom 11. Dezember 1980 I R 198/78, BFHE 133, 27, BStBl II 1981, 462), sondern der Finan zierung der von ihrem Gesellschafter geschuldeten privat veranlaßten Lebensversicherungsprämien und damit der Entnahme dienen sollten. Es hat damit (auch nicht stillschweigend) keinen von den vom Großen Senat gebildeten Rechtssätzen abweichenden Rechtssatz aufgestellt (vgl. auch BFH-Beschluß vom 3. April 1992 V B 3/92, BFH/NV 1992, 828).

b) Die behauptete Abweichung vom Urteil des BFH vom 21. Februar 1991 IV R 46/86 (BFHE 163, 551, BStBl II 1991, 514) liegt nicht vor. Wie der BFH stellt auch das FG darauf ab, daß der Eingang der Darlehensmittel bei der Klägerin, der entnommene Betrag und der damit finanzierte private Aufwand in engem zeitlichen Zusammenhang stehen und die entnommenen Beträge mit den für die Zahlung der Lebensversicherungsprämien erforderlichen Mittel nahezu übereinstimmen. Einen Rechtssatz, daß die Darlehensvaluta und der entnommene Betrag übereinstimmen müssen, hat der BFH nicht aufgestellt; vielmehr ist die Darlehensverbindlichkeit anteilig nach der tatsächlichen Verwendung des Darlehens für betriebliche und private Zwecke aufzuteilen. Mit dem Einwand, das FG habe diese Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt, wird sinngemäß nur geltend gemacht, das Gericht habe im Streitfall falsch entschieden. Damit wird jedoch keine Divergenz dargetan.

c) Eine Divergenz zu dem BFH-Urteil vom 8. November 1990 IV R 127/86 (BFHE 163, 530, BStBl II 1991, 505) ist nicht dadurch begründet, daß das FG die Rechtsgrundsätze dieser Entscheidung auf den Streitfall angewendet hat. Eine Abweichung liegt schon begrifflich nicht vor, wenn das FG einen abstrakten Rechtssatz aus einer Entscheidung des BFH übernimmt und auf einen seiner Auffassung nach ähnlich gelagerten Sachverhalt anwendet. Das gilt auch, wenn das FG -- wie es die Beschwerde rügt -- die Besonderheiten des zu entscheidenden Sachverhalts nicht ausreichend berücksichtigt hätte. Darin liegt keine Abweichung von einer Entscheidung des BFH, sondern allenfalls eine fehlerhafte Rechtsanwendung (vgl. dazu Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Tz. 17, m. w. N., und Beschlüsse in BFH/NV 1992, 828, und vom 6. April 1995 VIII B 61/94, BFH/NV 1996, 137).

d) Mit dem Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 162, 557, BStBl II 1991, 226 macht die Klägerin eine Abweichung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht geltend, sondern wiederholt lediglich ihren Vortrag, sie habe die streitigen Kreditmittel zur Ablösung eines betrieblich veranlaßten Kredites verwandt. Ob das FG bei Anwendung der Rechtsprechung des BFH den zu beurteilenden Sachverhalt zutreffend gewürdigt hat, hat der Senat im Rahmen der Beschwerde jedoch nicht zu prüfen (vgl. BFH- Beschluß vom 14. Dezember 1995 X B 272/94, nicht veröffentlicht).

Einer weiteren Begründung bedarf die Entscheidung nicht (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

 

Fundstellen

Haufe-Index 422026

BFH/NV 1997, 583

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