Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Nichtabzugsfähigkeit von Nachforderungszinsen

 

Leitsatz (NV)

Zur Darlegung einer Verfassungswidrigkeit der Nichtabzugsfähigkeit von Nachforderungszinsen bei Kapitalgesellschaften ist eine Befassung mit den Grenzen erforderlich, die dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen gesetzt sind, wenn er bestimmte Betriebsausgaben für nicht abzugsfähig erklärt.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3; KStG § 10 Nr. 2; AO § 233a

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Urteil vom 30.03.2007; Aktenzeichen 3 K 92/03)

 

Tatbestand

I. Streitpunkt ist, ob die Nichtabzugsfähigkeit von Zinsen auf Steuernachforderungen verfassungsgemäß ist.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine AG, hat in ihren Jahresabschlüssen für die Streitjahre 1999 und 2000 Zinszahlungen gewinnmindernd berücksichtigt, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) auf der Grundlage von § 233a der Abgabenordnung (AO) für die Festsetzungszeiträume 1997 und 1998 betreffende Steuernachforderungen festgesetzt hatte (Nachforderungszinsen). Das FA hat die Nachforderungszinsen im Rahmen der körperschaft- und gewerbesteuerlichen Behandlung der Streitjahre unter Berufung auf § 10 Nr. 2 Halbsatz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) in der durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) geänderten Fassung dem Gewinn der Klägerin wieder hinzugerechnet. Die dagegen erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 30. März 2007  3 K 92/03 abgewiesen.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Beschwerde die Zulassung der Revision gegen das FG-Urteil und stützt ihr Begehren auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Ihrer Auffassung nach ist § 10 Nr. 2 Halbsatz 2 KStG verfassungswidrig.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat entgegen § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO nicht hinreichend dargetan.

1. Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer zweifelhaften Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärungsfähig ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer insbesondere mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), den Äußerungen im Schrifttum sowie mit ggf. veröffentlichten Verwaltungsmeinungen auseinandersetzen. Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung für erforderlich gehalten wird. Eine weitere bzw. erneute Klärung der Rechtsfrage kann z.B. geboten sein, wenn gegen die bisherige Rechtsprechung gewichtige Einwendungen erhoben worden sind, mit denen sich der BFH bislang noch nicht auseinandergesetzt hat (BFH-Beschluss vom 31. Januar 2005 III B 59/04, BFH/NV 2005, 1081; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32 f., m.w.N.).

Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, so ist zur substantiierten Darlegung eine an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte Auseinandersetzung erforderlich (BFH-Beschluss vom 4. Februar 2003 VIII B 182/02, BFH/NV 2003, 1059, m.w.N). In der Beschwerdebegründung ist zu erläutern, gegen welche Verfassungsnormen die angewandte Rechtsnorm verstoßen soll; der geltend gemachte Verfassungsverstoß ist näher zu begründen. Dazu gehört insbesondere eine Auseinandersetzung mit der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BFH (BFH-Beschlüsse vom 19. Dezember 2003 II B 152/02, BFH/NV 2004, 533; in BFH/NV 2005, 1081, m.w.N.).

2. Diesen Anforderungen werden die Ausführungen der Klägerin nicht gerecht. Sie wiederholt in ihrer Beschwerdebegründung im Wesentlichen in leicht modifizierter Form die Ausführungen von Söffing in Betriebs-Berater 2002, 1456, 1458 ff. (dort Gliederungspunkt IV), wonach die Streichung der früher in § 10 Abs. 1 Nr. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorgesehenen Abzugsmöglichkeit für Nachforderungszinsen nach § 233a AO durch das StEntlG 1999/2000/2002 gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße: Derjenige, dessen Steuernachforderung später festgesetzt werde, werde ohne sachlichen Grund und unter Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip gegenüber demjenigen benachteiligt, dessen Nachforderung früher festgesetzt worden sei. Die in der Gesetzesbegründung des StEntlG 1999/2000/2002 gegebene Rechtfertigung für die Streichung --die Systemwidrigkeit der Abzugsmöglichkeit für Nachforderungszinsen im Hinblick auf den Grundsatz der Nichtabziehbarkeit privat veranlasster Schuldzinsen-- sei nicht tragfähig. Denn die Nichtabziehbarkeit privater Schuldzinsen sei entgegen den anderslautenden Entscheidungen des BVerfG (BVerfG-Beschlüsse vom 13. März 1979  2 BvR 72/76, BVerfGE 50, 386, BStBl II 1979, 322; vom 13. Juni 1988  1 BvR 68/88, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1989, 316) ihrerseits system- und verfassungswidrig.

Diese Begründung ist zum einen deshalb unzureichend, weil sie sich inhaltlich nicht hinreichend mit der Begründung auseinandersetzt, die das FG den Überlegungen Söffings entgegengesetzt hat. Das gilt insbesondere für die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des FG-Urteils, wonach die in den Steuergesetzen angelegte prinzipielle Unterscheidung zwischen Einkunftserzielung und -verwendung es dem Gesetzgeber ermögliche, ohne Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz Nachforderungszinsen als nichtabziehbare Ausgaben zu behandeln. Auch mit den BFH- und FG-Entscheidungen, die die Überlegungen Söffings aufgegriffen, sie aber ebenfalls nicht für durchgreifend erachtet haben (vgl. BFH-Urteil vom 15. November 2006 XI R 73/03, BFHE 216, 61, BStBl II 2007, 387; FG Köln, Urteil vom 24. Februar 2005  2 K 416/02, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2005, 863), befasst sich die Beschwerdebegründung nicht. Ebenso wenig werden von der Klägerin schließlich die anderen finanzgerichtlichen Urteile erörtert, die sich für die Verfassungsmäßigkeit der Streichung der Abzugsmöglichkeit ausgesprochen haben (FG Köln, Urteil vom 27. Juni 2001  1 K 2374/01, EFG 2004, 514; FG München, Urteil vom 10. April 2002  1 K 3075/01, EFG 2002, 1032; Hessisches FG, Urteil vom 20. März 2003  2 K 1898/00, juris; FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. Oktober 2003  1 K 2402/01, EFG 2004, 99; ferner --referierend-- BFH-Beschluss vom 2. August 2005 X B 139/04, Steuer-Eildienst 2005, 2152).

Zum anderen beschränken sich die Ausführungen der Klägerin auf die verfassungsrechtliche Beurteilung der Streichung von § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG, obschon im Streitfall ausschließlich die Verfassungsmäßigkeit der Änderung des § 10 Nr. 2 KStG durch das StEntlG 1999/2000/2002 von Relevanz ist. Im Bereich der Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerpflicht von Kapitalgesellschaften passt die Argumentation der Klägerin mit der angeblichen Verfassungswidrigkeit der Nichtabziehbarkeit privater Schuldzinsen indessen nicht, weil Kapitalgesellschaften nach ständiger Rechtsprechung des Senats keine außerbetriebliche Sphäre haben und Schuldzinsen deshalb außerhalb des hier nicht tangierten Bereichs der verdeckten Gewinnausschüttungen stets Betriebsausgaben sind. Die Darlegung der Verfassungswidrigkeit der Nichtabziehbarkeit von Nachforderungszinsen im Ertragsteuerrecht der Kapitalgesellschaften würde vielmehr zunächst eine Befassung mit den Grenzen erfordern, die dem Gesetzgeber von Verfassungs wegen gesetzt sind, wenn er bestimmte Betriebsausgaben für nicht abzugsfähig erklärt. Auch hierzu fehlt es aber an jeglichem Vorbringen in der Beschwerdebegründung.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1930281

BFH/NV 2008, 577

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