Entscheidungsstichwort (Thema)

Bekanntgabe von Gewerbesteuermeßbescheiden durch die Gemeinden in Nordrhein-Westfalen

 

Leitsatz (NV)

Von den Gemeinden in Nordrhein-Westfalen bekanntgegebene Gewerbesteuermeßbescheide sind jedenfalls nicht nichtig. Das gilt sowohl für Bescheide, die zur Zeit der Geltung der Reichsabgabenordnung ergangen sind, als auch für solche, die nach Inkrafttreten der Abgabenordnung erlassen wurden.

 

Normenkette

AO § 91 Abs. 1, §§ 212a, 212b; AO 1977 §§ 124-127, 184; GewStG §§ 4, 16; Gesetz über die Rückübertragung der Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital auf die Gemeinden (in Nordrhein-Westfalen) vom 8. 6. 1949

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Gründe

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Daß unter Einschaltung der hebeberechtigten Gemeinden bekanntgegebene Gewerbesteuermeßbescheide nicht nichtig sind, ist bereits höchstrichterlich entschieden bzw. nicht ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Ob solche Bescheide wegen eines Bekanntgabefehlers möglicherweise formell rechtswidrig sind, kann im Rahmen eines vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) angestrengten Revisionsverfahrens nicht geklärt werden.

1. Soweit die den Kläger betreffenden Gewerbesteuermeßbescheide vor dem 1. Januar 1977 ergangen sind (Streitjahre 1959 bis 1964), ist ihre Wirksamkeit nach den Vorschriften der Reichsabgabenordnung (AO) zu beurteilen. Für die Zeit der Geltung dieses Gesetzes war es weitaus überwiegende Meinung, daß die Einschaltung der Gemeinden in die Bekanntgabe der Realsteuermeßbescheide jedenfalls nicht zu deren Rechtsunwirksamkeit führe (s. hierzu die Zusammenstellung bei Salch, Kommunale Steuer-Zeitschrift - KStZ - 1970, 24, 25, Fußnote 20). Dieser Auffassung war insbesondere auch der Bundesfinanzhof - BFH - (s. die Entscheidungen vom 24. Juli 1958 und vom 4. Dezember 1958 IV 181/56 U, BFHE 68, 534, BStBl III 1959, 203, sowie den Beschluß vom 6. März 1969 IV B 74/68, nicht veröffentlicht).

Eine erneute Stellungnahme des erkennenden Senats ist daher schon aus diesem Grunde nicht geboten. Ungeachtet dessen würde es sich insoweit auch um eine Beurteilung ausgelaufenen Rechts handeln.

2. Die Beschwerde kann unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeit aber auch hinsichtlich der nach dem Inkrafttreten der Abgabenordnung (AO 1977) erlassenen Bescheide keinen Erfolg haben.

Die Frage, ob diese Bescheide nichtig sind, hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil an ihrer Beantwortung Zweifel nicht bestehen können (s. hierzu den BFH-Beschluß vom 25. Mai 1973 VI B 95/72, BFHE 109, 303, BStBl II 1973, 665). Der Kläger übersieht insbesondere, daß der von ihm zitierte Beschluß des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Münster vom 22. Januar 1982 einen Grundsteuerbescheid betraf und im vorliegenden Fall nicht einschlägig ist. Die Gemeinden in Nordrhein-Westfalen hatten die Verwaltungskompetenz für die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer auch schon vor Inkrafttreten des Gesetzes über die Zuständigkeit für die Festsetzung und Erhebung der Realsteuern vom 16. Dezember 1981 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen - GVBl NW - vom 30. Dezember 1981 S. 732). Denn bereits § 1 des Gesetzes über die Rückübertragung der Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital auf die Gemeinden vom 8. Juni 1949 (GVBl NW vom 24. Juni 1949 S. 113) bestimmte, daß die Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital aufgrund des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) vom 1. Dezember 1936 (RGBl I, 971) ab 1. Juli 1949 wieder den hebeberechtigten Gemeinden obliegt. Diese Vorschrift wurde erst durch § 4 des zuvor genannten Gesetzes vom 16. Dezember 1981 außer Kraft gesetzt.

Der erkennende Senat braucht sich bei dieser Rechtslage nicht auf das Urteil des I. Senats des BFH vom 23. April 1986 I R 178/82 (BFHE 147, 125) zu beziehen. Dort wurde die Nichtigkeit eines Gewerbesteuermeßbescheids verneint, obwohl (die weitere maschinelle Abwicklung und) die Bekanntgabe von einer sachlich unzuständigen Behörde vorgenommen worden waren. Die betreffende Behörde, die Stadt Stuttgart, hatte im Zeitpunkt des Bescheiderlasses - anders als im Streitfall - noch nicht die Verwaltungskompetenz für die Gewerbesteuer gehabt. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat im Urteil vom 29. September 1982 8 C 138.81 (BVerwGE 66, 178) selbst für den Fall, daß ein Grundsteuerbescheid statt vom Finanzamt (FA) von der Gemeinde - als einer mangels gesetzlicher Delegation sachlich unzuständigen Behörde - nicht nur bekanntgegeben, sondern auch eigenverantwortlich erlassen wird, lediglich formelle Rechtswidrigkeit und nicht Nichtigkeit des Bescheides angenommen.

3. Inwieweit die gegenüber dem Kläger erlassenen Bescheide rechtswidrig sind, ist noch nicht abschließend geklärt. Zu denken wäre hier möglicherweise an einen Verstoß gegen § 212 b Abs. 1 AO bzw. § 184 Abs. 3 AO 1977, wonach den Gemeinden nur die vom FA festgesetzten Steuermeßbeträge mitzuteilen sind, nicht aber die Meßbescheide mit sämtlichen Besteuerungsgrundlagen zugänglich zu machen (s. hierzu auch die Entscheidungen in BFHE 68, 534, BStBl III 1959, 203, und in BFHE 147, 125).

Doch könnte diese Rechtsfrage in einem vom Kläger - nach der Zulassung - angestrengten Revisionsverfahren nicht entschieden werden. Denn der Kläger hat sämtliche Bescheide bestandskräftig werden lassen und die Feststellung deren Nichtigkeit begehrt. Über die Rechtswidrigkeit hätte nur im Rahmen einer fristgemäß erhobenen Anfechtungsklage befunden werden können (§§ 40, 41 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Kann eine Rechtsfrage nicht im konkreten Streitfall geklärt werden, kommt aber auch keine Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache in Betracht (so auch Gräber, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 115 Anm. 12, mit weiteren Hinweisen).

4. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932) i. d. F. des Zweiten Änderungsgesetzes vom 14. Dezember 1984 BGBl I 1984, 1514, BStBl I 1985, 8) abgesehen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 414847

BFH/NV 1987, 146

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge