Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulassung der Beschwerde bei einstweiliger Anordnung

 

Leitsatz (NV)

1. Für die Zulassung der Beschwerde nach § 128 Abs. 3 FGO ist keine besondere Form vorgeschrieben. Die für die Zulassung der Revision entwickelten Grundsätze gelten auch für die Zulassung der Beschwerde gegen Entscheidungen des FG über eine einstweilige Anordnung nach § 114 Abs. 1 FGO.

2. Weder die Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung, die von der Zulässigkeit der Beschwerde ausgeht, noch die Tatsache, daß das FG einen Nichtabhilfebeschluß gefaßt hat, reicht als Entscheidung des FG aus, die Beschwerde zuzulassen.

3. Ist ein Rechtsmittel aufgrund einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung eingelegt worden, kann von der Erhebung von Gerichtskosten für die Entscheidung über das Rechtsmittel abgesehen werden.

 

Normenkette

FGO § 114 Abs. 1, § 115 Abs. 2, § 128 Abs. 3; GKG § 8 Abs. 1

 

Tatbestand

Das Finanzgericht (FG) lehnte den Antrag der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ab, da schon ein Anordnungsanspruch nicht ersichtlich sei. Die Rechtsmittelbelehrung lautet: Gegen den Beschluß steht den Beteiligten die Beschwerde zu ... Über die Beschwerde entscheidet der Bundesfinanzhof, sofern ihr das beschließende Gericht nicht abhilft.

Auf die daraufhin unter erstmaliger Darlegung von materiellen Gründen eingelegte Beschwerde faßte das FG den Beschluß: Der Beschwerde ... wird nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig.

Nach § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. des Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (FGO-Änderungsgesetz) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2109) steht den Beteiligten gegen die Entscheidung des FG über eine einstweilige Anordnung nach § 114 Abs. 1 FGO die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 FGO entsprechend. Der angefochtene Beschluß des FG enthält keine Ausführungen, denen die Zulassung der Beschwerde wegen eines der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassunsgründe entnommen werden könnte. Die Beschwerde ist deshalb nicht statthaft.

Für die Zulassung der Beschwerde nach § 128 Abs. 3 FGO ist im Gesetz keine besondere Form vorgeschrieben. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Zulassung der Revision durch das FG (§ 115 Abs. 1 und 2 FGO), auf die die hier maßgebliche Vorschrift Bezug nimmt, muß die Zulassung - auch wenn dies im Hinblick auf die Rechtsklarheit erwünscht ist - nicht ausdrücklich in die Urteilsformel aufgenommen werden. Vielmehr genügt es, wenn die Zulassung des Rechtsmittels etwa durch Hinweis auf den Zulassunsgrund oder die gesetzliche Bestimmung erkennbar aus den Urteilsgründen hervorgeht (BFH-Urteile vom 24. November 1964 VII 237/63, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965, 130; vom 12. Februar 1965 VI 96/64, HFR 1965, 557, und vom 5. November 1971 VI R 284/69, BFHE 103, 477, BStBl II 1972, 139). Unter besonderen Voraussetzungen kann auch ein in der Rechtsmittelbelehrung des FG-Urteils enthaltener Ausspruch, daß die Revision zulässig sei, als Revisionszulassung anerkannt werden (BFH-Beschluß vom 12. April 1967 VI R 321/66, BFHE 88, 361, BStBl III 1967, 396). Da die Zulassung jedoch ausdrücklich durch besondere Entscheidung erfolgen muß, reicht nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat sich anschließt, es nicht aus, daß eine Rechtsmittelbelehrung lediglich von der Zulässigkeit der Revision gegen das Urteil des FG ausgeht und nicht zu erkennen gibt, daß diese durch besondere Entscheidung begründet werden soll oder begründet worden ist. Ausführungen solcher Art können nur als unrichtige Rechtsmittelbelehrung verstanden werden. Eine lediglich unrichtige Rechtsmittelbelehrung kann aber nicht zur Folge haben, die Zulässigkeit eines Rechtsmittels durch eigenständige Entscheidung zu begründen (Urteil in HFR 1965, 130, und BFH-Urteil vom 3. September 1964 II 106/64, HFR 1965, 73; ständige Rechtsprechung).

Die vorstehenden, für die Zulassung der Revision entwickelten Grundsätze hat der BFH in ständiger Rechtsprechung auf die Zulassung der Beschwerde gegen den die Vollziehung ablehnenden Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 FGO aufgrund des bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG - entsprechend angewandt (vgl. nur die Beschlüsse vom 3. Dezember 1985 VII B 65/85, BFH/NV 1986, 419; vom 23. Juni 1987 VIII B 212/86, BFHE 150, 114, BSTBl II 1987, 635, und vom 27. Juli 1992 VIII B 100/91, BFH/NV 1993, 113, 114). Nach der Neufassung des § 128 Abs. 3 FGO durch Art. 1 Nr. 32 FGO-Änderungsgesetz, der die Regelung des Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG in die FGO übernommen und sie auf die Entscheidung über einstweilige Anordnungen nach § 114 Abs. 1 FGO ausgedehnt hat, gelten diese Grundsätze auch für die Entscheidung des FG über eine einstweilige Anordnung nach § 114 Abs. 1 FGO.

Im Streitfall folgt daraus, daß aus der dem angefochtenen Beschluß beigefügten Rechtsmittelbelehrung, nach der die Beschwerde gegeben sein soll, die nach § 128 Abs. 3 FGO erforderliche Zulassung dieses Rechtsmittels nicht entnommen werden kann. Weder aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses noch aus dem Inhalt der Rechtsmittelbelehrung ist die Absicht des FG erkennbar, die Beschwerde gegen die Ablehnung der einstweiligen Anordnung zulassen zu wollen.

Ein Anhaltspunkt für die Zulassung der Beschwerde durch besondere Entscheidung (§ 128 Abs. 3 FGO, § 115 Abs. 2 FGO) ergibt sich auch nicht daraus, daß das FG auf die Beschwerde der Antragsteller hin einen Nichtabhilfebeschluß gefaßt hat; auch diesem kann eine ausdrückliche Zulassung der Beschwerde, wie sie nach dem eindeutigen Wortlaut des § 128 Abs. 3 FGO erforderlich ist - vgl. zur konstitutiven Zulassung eines Rechtsmittels generell BFH-Beschluß vom 26. August 1987 IV B 27/87 (BFHE 150, 403, BStBl II 1987, 786) -, nicht entnommen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Bechwerdeverfahren wird gemäß § 8 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes abgesehen, weil die Antragsteller die Beschwerde aufgrund einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung eingelegt haben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419308

BFH/NV 1994, 652

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