Entscheidungsstichwort (Thema)

Bekanntgabe von Steueränderungsbescheiden nach Ablauf der Festsetzungsfrist

 

Leitsatz (NV)

Ein nach Ablauf der Festsetzungsfrist bekanntgegebener Steueränderungsbescheid ist rechtswidrig, aber nicht nichtig.

 

Normenkette

AO 1977 § 125 Abs. 1

 

Tatbestand

Nach einer Außenprüfung änderte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) die Umsatzsteuerfestsetzungen gegenüber dem Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) für 1984 und 1985 durch Bescheide vom 22. Mai 1991 und bezog Deponiegebühren, die der Kläger seinen Kunden berechnet hatte, in die Bemessungsgrund lage für die Umsatzsteuer ein. Die bezeichneten Änderungsbescheide wurden unanfechtbar. Auf Antrag des Klägers erließ das FA Abrechnungsbescheide zur Umsatzsteuer 1984 und 1985 und rechnete auf der Grundlage der in den Änderungsbescheiden festgesetzten Umsatzsteuer ab.

Die Klage, mit der der Kläger die Feststellung der Nichtigkeit der bezeichneten Umsatzsteueränderungsbescheide für 1984 und 1985 sowie die Änderung der Abrechnungsbescheide begehrte, wies das Finanzgericht (FG) ab. Wegen der vor der Bekanntgabe der Änderungsbescheide abgelaufenen Festsetzungsfrist seien diese -- so führte das FG zur Begründung u. a. aus -- zwar rechtswidrig, aber nicht gemäß § 125 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) nichtig, weil die Fehler nicht offenkundig, sondern erst nach näherer Prüfung feststellbar seien. Die Abrechnungsbescheide seien rechtmäßig, weil im Erhebungsverfahren Bestand und Begründung der Bescheide mit den Zahlungsverpflichtungen nicht mehr angreifbar seien.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wird zurückgewiesen. Zulassungsgründe (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) sind weder in der dafür gesetzlich geforderten Form dargelegt worden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO), noch haben die geltend gemachten Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, die einer Klärung im Revisionsverfahren bedürften.

a) Die vom Kläger als grundsätzlich angesehene Frage, ob ein Steueranspruch nach Ablauf der Festsetzungsfrist dadurch entstehen kann, daß die Finanzverwaltung einen Verwaltungsakt mit Zahlungsaufforderung erläßt und den Anspruch durchsetzt, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren. Die Rechtsfrage, die der Kläger sinngemäß stellt, ist geklärt. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in dem Beschluß vom 20. Mai 1992 V B 73/91 (BFH/NV 1993, 444) entschieden, daß ein nach Ablauf der Festsetzungsfrist bekanntgegebener Steuerbescheid zwar rechtswidrig, aber nicht nichtig i.S. von § 125 Abs. 1 AO 1977 ist. Dies entspricht einhelliger Ansicht im Schrifttum (vgl. Ruban in Hübsch mann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., vor § 169 AO 1977 Rz. 25; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., vor § 169 AO 1977 Tz. 2) und in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung (FG Niedersachsen, Urteil vom 23. Mai 1990 III 402/89, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1991, 56). Die Rechtsverletzung wird nur durch Rechtsbehelfsentscheidung auf Anfechtung dieses Bescheids beseitigt. Wird der Bescheid unanfechtbar, bewirkt dies materielle Bestandskraft. Der Inhalt des Bescheids gilt als richtig. Unwirksamkeit (§ 124 Abs. 3, § 125 Abs. 1 AO 1977) ist nicht vorhanden, weil der Fehler nicht offenkundig, sondern nur unter Heranziehung der Akten zur Berechnung der Festsetzungsfrist feststellbar ist. Der Kläger hat zu diesen Erkenntnissen keine Stellung genommen und keine bisher nicht geklärten Rechtsfragen aufgeworfen.

b) Die weiter von dem Kläger gestellte Frage, ob es sich bei dem erlassenden Verwaltungsakt um einen Steuerbescheid handelt, hat Bedeutung lediglich für den Streitfall. Die Revision kann aber nur wegen Rechtsfragen zugelassen werden, deren Klärung für die Allgemeinheit oder für die Fortbildung des Rechts bedeutsam sind (ständige Rechtsprechung vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 9. Mai 1988 IV B 35/87, BFHE 153, 378, BStBl II 1988, 725). Dies ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

c) Auch die zusätzlich gestellte Frage, ob die Aufrechnung so entstandener Ansprüche mit Steuerguthaben möglich ist, rechtfertigt keine Zulassung der Revision. Der Kläger hat nicht dargelegt, weshalb diese Frage über den Streitfall hinaus für die Rechtsfortbildung bedeutsam ist oder weshalb die Klärung dieser Rechtsfrage von allgemeinem Interesse sein könnte.

d) Der Kläger greift mit seinen Ausführungen des weiteren lediglich die Richtigkeit der Entscheidung des FG an. Dies berechtigt aber nicht dazu, die Revision zuzulassen.

Im übrigen ergeht die Entscheidung ohne weitere Begründung (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

 

Fundstellen

Haufe-Index 419952

BFH/NV 1995, 275

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