Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu dem sachlichen Inhalt einer Revisionsbegründung

 

Leitsatz (NV)

Eine ordnungsmäßige Begründung der Revision liegt nicht vor, wenn die sachliche Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen, auf denen das Urteil beruht, fehlt. Der Hinweis auf die Literaturstellen vermag diese Auseinandersetzung jedenfalls dann nicht zu ersetzen, wenn nicht dargelegt wird, welche Auffassung die zitierten Autoren - bezogen auf den Streitfall - vertreten.

 

Normenkette

FGO § 124 S. 2, § 126 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte sich im Jahre 1980 von X zur Sicherung eines Kredits eine Maschine übereignen lassen. X starb am 27. Mai 1986. Seine Kinder schlugen am 25. Juni 1986 die Erbschaft aus. Das Amtsgericht Z bestellte einen Nachlaßpfleger. Am 29. August 1986 verkaufte die Klägerin die Maschine für 55000 DM zuzüglich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer von 7700 DM. Sie erteilte am 5. September 1986 dem Nachlaßpfleger eine Gutschrift über 55000 DM zuzüglich gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von 7700 DM. Diesen Vorsteuerbetrag ließ das Finanzamt (FA) bei der Festsetzung der Umsatzsteuer für 1986 nicht zum Abzug zu. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Es führt im wesentlichen aus: Die Gutschrift sei nicht einem zum Vorsteuerausweis berechtigten Unternehmer erteilt worden. Die Leistung sei nicht mehr von dem verstorbenen X erbracht worden; denn im Falle der Verwertung von Sicherungsgut liege eine Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer erst im Zeitpunkt der Verwertung vor (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Juni 1987 V R 57/79, BFHE 150, 379, BStBl II 1987, 741, m.w.N.).

Voraussetzung für den Vorsteuerabzug wäre gewesen, daß der Gutschriftenempfänger, also der durch den Nachlaßpfleger vertretene Erbe zum gesonderten Steuerausweis berechtigter Unternehmer gewesen wäre. Beschränke sich die Tätigkeit des Erben aber darauf, das ererbte Unternehmen in einem Veräußerungsgeschäft zu veräußern, werde er nicht selbst Unternehmer (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 30. April 1936 V A 260, Steuer und Wirtschaft - StuW - Teil II 1936 Spalte 792).

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 und des darin verankerten Grundsatzes einer lückenlosen Verbrauchsbesteuerung sowie des § 2 Abs. 1 UStG 1980 für das darin enthaltene Tatbestandsmerkmal des Beginns und der Beendigung der Unternehmereigenschaft. Sie trägt nach Wiedergabe des Sachverhalts und des Inhalts der angefochtenen Entscheidung unter Hinweis auf die Ausführungen von Probst (Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 1988, 272) vor, in der umsatzsteuerlichen Bewältigung der Problematik der Erbfolge bestehe ein erhebliches Defizit. Gegenstände, für deren Bezug der Erblasser den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen habe, könnten durch Erbgang unbelastet in den Endverbrauch gelangen. Diese Unzulänglichkeit resultiere letztlich aus einer Vernachlässigung einer systematischen Auseinandersetzung mit dem Tatbestand der Beendigung der Unternehmereigenschaft. Ob hierzu das Institut des Eigenverbrauchs zu einer systemgerechten Lösung führe, bedürfe weiterer Überlegungen. In der Abhandlung von Reiß (Steuerrechtliche Vierteljahresschrift 1989 S. 103f.) würden die Unzulänglichkeiten einer systemgerechten Beurteilung der Rechtsnachfolge im Umsatzsteuerrecht sehr detailliert dargelegt. Sie könnten auch auf den hier streitigen Sachverhalt und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils bezogen werden und stützten und untermauerten den Revisionsantrag und die Begründung, daß die Entscheidung des FG gegen materielles Recht verstoße. Auch die Ausführungen von Philipowski (UR 1986, 166), dargestellt am Beispiel der juristischen Person, sollten zur Beurteilung des hier streitigen Falles herangezogen werden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig, weil sie nicht ordnungsgemäß begründet wurde. Sie ist deshalb durch Beschluß zu verwerfen (§ 124 Satz 2, § 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Zur ordnungsgemäßen Revisionsbegründung bedarf es zumindest einer kurzen Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils, aus der zu erkennen ist, daß der Revisionskläger die Begründung des Urteils und sein eigenes bisheriges Vorbringen überprüft hat (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. Nachweise bei Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 120 Anm. 32). Er muß dartun, welche Ausführungen der Vorinstanz aus welchen Gründen unrichtig sein sollen, welche Punkte des angefochtenen Urteils für änderungsbedürftig angsehen werden und aus welchen Gründen im einzelnen die Änderung für geboten erachtet wird (BFH-Urteil vom 8. Mai 1985 I R 108/81, BFHE 144, 40, BStBl II 1985, 523; BFH-Beschlüsse vom 16. Oktober 1984 IX R 177/83, BFHE 143, 196, BStBl II 1985, 470; vom 1. Juni 1988 IX R 115/83, BFH/NV 1988, 796; vom 28. November 1988 IV R 9/87, BFH/NV 1989, 790 sowie vom 2. Oktober 1991 IX R 42/88, BFH/NV 1992, 188).

Die Revisionsbegründung genügt diesen Erfordernissen nicht. Ihr läßt sich aufgrund der Bezeichnung der für verletzt gehaltenen Rechtsnormen und des Antrags zwar entnehmen, daß die Klägerin das Urteil des FG nicht billigt. Es fehlt aber die sachliche Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen, auf denen das Urteil beruht. Der Hinweis auf die Literaturstellen vermag diese Auseinandersetzung schon deshalb nicht zu ersetzen, weil die Klägerin nicht einmal dargelegt hat, welche Auffassung die zitierten Autoren - bezogen auf den Streitfall - vertreten. Die Revisionsbegründung der Klägerin ist nicht auf den Streitfall zugeschnitten. Sie erschöpft sich in allgemein gehaltenen Ausführungen zur Beendigung der Unternehmereigenschaft im Falle der Erbfolge, ohne daß zu erkennen ist, inwiefern die angefochtene Entscheidung - nach Auffassung der Klägerin - gegen geltendes Rechts verstößt.

Ob der Schriftsatz der Klägerin vom 2. Mai 1990 eine ausreichende Revisionsbegründung darstellt, bedarf keiner Entscheidung, weil er wegen Ablaufs der Revisionsbegründungsfrist am 19. Februar 1990 nicht mehr berücksichtigt werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419199

BFH/NV 1994, 47

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