Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Wiedereinsetzung bei Versäumung der Revisionsfrist durch versehentliche Einlegung der Revision beim BFH

 

Leitsatz (NV)

Wird die Revision trotz einwandfreier Rechtsmittelbelehrung innerhalb der Revisionsfrist beim BFH eingelegt, so war der Rechtsmittelführer nicht ohne Verschulden verhindert, die Revisionsfrist einzuhalten, wenn der BFH die Revisionsschrift an das zuständige FG weiterleitet, sie dort aber erst nach Ablauf der Revisionsfrist eingeht.

 

Normenkette

FGO § 56 Abs. 1, § 120 Abs. 1

 

Verfahrensgang

Niedersächsisches FG

 

Tatbestand

Das FG wies die Klage der Klägerin ab. In der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung wies es darauf hin, daß die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung schriftlich beim Niedersächsischen FG in Hannover eingegangen sein müsse. Das Urteil wurde der Klägerin am 13. März 1985 zugestellt. Mit Schreiben vom 29. März 1985, adressiert und versandt an den Bundesfinanzhof (BFH), legte die Klägerin Revision ein. Dieses Schreiben ging beim BFH am 15. April 1985 ein; der BFH sandte es mit Schreiben vom gleichen Tag an das Niedersächsische FG weiter, wo es am 17. April 1985 eintraf. Mit Schreiben vom 29. April 1985 eingegangen beim BFH am 2. Mai 1985, begründete die Klägerin ihre Revision. Der Vorsitzende des erkennenden Senats teilte mit Schreiben vom 14. Mai 1985 den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin mit, wann die Revision beim BFH und dem FG eingegangen war, und wies auf § 56 FGO hin. Die Klägerin beantragte daraufhin mit Schreiben vom 15. Mai 1985, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Diesen Antrag begründet sie wie folgt: Der Revisionsschriftsatz vom 29. März 1985 sei von der Angestellten J am 12. April 1985 gegen 18.15 Uhr in einen Briefkasten in S eingeworfen worden. Frau J habe auf der Durchschrift des Schriftsatzes die Absendung vermerkt. Zum Beweis werde die Kopie dieser Durchschrift vorgelegt. Die Leerung des Briefkastens sei für 18.30 Uhr vorgesehen gewesen. Es bestehe im Büro der Prozeßbevollmächtigten die generelle Anweisung, die in jedem Einzelfall von den beiden Rechtsanwälten überwacht werde, den Einwurf fristwahrender Schriftstücke in einem Briefkasten auf dem entsprechenden Schriftstück/Durchschlag zu vermerken. Das sei auch im vorliegenden Fall geschehen. Die Richtigkeit der Sachangaben versichere Frau J nach Belehrung durch ihre Mitunterschrift an Eides Statt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Nach § 120 Abs. 1 FGO ist die Revision beim FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Diese Frist hat die Klägerin nicht eingehalten. Die Revision ist ausweislich des Eingangsstempels beim FG dort erst am 17. April 1985 eingegangen. Da die Frist für die Einlegung der Revision gegen das am 13. März 1985 zugestellte Urteil des FG am 15. April 1985 (der 13. und 14. April 1985 fielen auf einen Samstag und Sonntag) ablief, hat die Klägerin die Frist für die Einlegung der Revision versäumt. Der Eingang des Schriftsatzes innerhalb der Frist beim BFH konnte die Revisionsfrist nicht wahren, da das Rechtsmittel - wie auch aus der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Urteils hervorgeht - beim FG einzulegen war (§ 120 Abs. 1 FGO; vgl. BFH-Beschluß vom 15. Januar 1973 VIII R 14/72, BFHE 108, 18, BStBl II 1973, 246).

Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht begründet. Denn die Klägerin war nicht ohne Verschulden verhindert, die gesetzliche Frist einzuhalten (§ 56 Abs. 1 FGO).

Die Fristversäumnis ist eingetreten, weil die Klägerin die Revision durch ihre Prozeßbevollmächtigten nicht, wie vom Gesetz vorgeschrieben und in der Rechtsmittelbelehrung zutreffend wiedergegeben, beim FG eingelegt hat. Als berufsmäßiger Vertreter mußte der Prozeßbevollmächtigte das Verfahrensrecht kennen. Wird die Revision trotz einwandfreier Rechtsmittelbelehrung innerhalb der Revisionsfrist beim BFH eingelegt, so war der Rechtsmittelführer nicht ohne Verschulden verhindert, die Revisionsfrist einzuhalten, wenn der BFH die Revisionsschrift an das zuständige FG weiterleitet, sie dort aber erst nach dem Ablauf der Revisionsfrist eingeht (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. zuletzt Beschluß vom 20. August 1982 VIII R 58/82, BFHE 136, 348, 351, BStBl II 1983, 63, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BFH).

Demgegenüber ist es ohne Bedeutung, ob die Revisionsschrift bereits am 12. April 1985 gegen 18.15 Uhr in einen Briefkasten in S eingeworfen worden ist und nach den postalischen Erfahrungen früher als am 15. April 1985 beim BFH hätte eintreffen müssen. Denn das Risiko des verspäteten Eingangs, das mit der unrichtigen Adresse verbunden ist, trägt allein die Klägerin. Sie kann sich nicht darauf berufen, daß der falsche Adressat das Rechtsmittel hätte rechtzeitig an den richtigen Adressaten weiterleiten können. Als rechtlich erhebliche Ursache für den verspäteten Eingang der Revisionsschrift im Streitfall kann nur die falsche Adresse und nicht auch die verzögerte Beförderung des Briefes zum BFH nach München angesehen werden (vgl. BFH-Beschluß vom 15. April 1970 I R 148/69, BFHE 98, 536, BStBl II 1970, 498). Überdies konnte bei Zugrundelegung des Vortrags der Klägerin die Revisionsschrift frühestens am 13. April 1985, einem Samstag, beim BFH eingehen, daher auch frühestens am Montag, dem 15. April 1985, an das FG weitergesandt werden; beim FG konnte sie somit frühestens am 16. April 1985 eintreffen, also nach Fristablauf.

 

Fundstellen

Haufe-Index 413997

BFH/NV 1986, 161

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