Entscheidungsstichwort (Thema)

Frage der Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung des Erbersatzanspruchs nicht klärungsbedürftig

 

Leitsatz (NV)

Die Rechtsfrage, ob die erbschaftsteuerliche Belastung des mit dem Nennwert anzusetzenden Erbersatzanspruchs gemäß § 1934a BGB a.F. verfassungsrechtlich zulässig ist, ist nicht klärungsbedürftig. Das aus Art. 6 Abs. 5 GG folgende Gebot einer angemessenen Beteiligung am väterlichen Nachlaß steht der Besteuerung auf Grund Erbersatzanspruchs gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG nicht entgegen.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; ErbStG § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 1; BGB §§ 1934a, 1934b; GG Art. 3 Abs. 1; ErbStG § 10 Abs. 1 StKl I Nr. 2 Buchst. D

 

Tatbestand

I. Der 1986 verstorbene Erblasser A wurde aufgrund gesetzlicher Erbfolge von seinen beiden ehelichen Kindern beerbt. Das Vermögen des Erblassers bestand zum größten Teil aus Grundvermögen. Seine beiden nichtehelichen Kinder, der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sowie Frau K machten ihren Erbersatzanspruch gemäß § 1934a des Bürgerlichen Gesetzbuches in der bis zum 31. März 1998 geltenden Fassung (BGB a.F.) geltend.

Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) setzte gegen den Kläger mit Bescheid vom 15. Dezember 1993 aus einem Gesamterwerb von 1 211 111 DM unter Berücksichtigung des Freibetrags von 90 000 DM gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) in der am Stichtag geltenden Fassung Erbschaftsteuer in Höhe von 123 321 DM fest. Dabei legte das FA den Erbersatzanspruch mit 1,2 Mio. DM zuzüglich Versicherungsleistungen zugrunde.

Mit der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage machte der Kläger geltend, daß ihn die Besteuerung des Erbersatzanspruchs mit dem Nennwert gegenüber den ehelichen Kindern des Erblassers, denen die steuerlich niedrigere Bewertung der Nachlaßgrundstücke zugute komme, verfassungswidrig benachteilige und einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 5 des Grundgesetzes (GG) darstelle. Außerdem würden im Beitrittsgebiet nach dem Einigungsvertrag nichteheliche Kinder bessergestellt als der Kläger, weil diesen ein Erbrecht zustehe und damit der Vorteil der niedrigeren Bewertung von Grundstücken zugute komme. Diese Schlechterstellung des Klägers verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Erbersatzanspruch gemäß § 1934a Abs. 1 BGB a.F. sei ein reiner Geldanspruch; diese Regelung sei auch verfassungsgemäß. Als Geldanspruch sei der Erbersatzanspruch gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 10, § 12 Abs. 1 ErbStG mit dem Nennwert zu versteuern. Zwar sei die höhere Besteuerung nach Auffassung des Senats gleichheitswidrig; doch seien die sich aus der unterschiedlichen Bewertung von einheitswertgebundenem Vermögen und Kapitalvermögen ergebenden verfassungswidrigen Ungleichheiten nach dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671) bis zum 31. Dezember 1995 hinzunehmen. Daß aufgrund des Einigungsvertrages nichteheliche Kinder im Beitrittsgebiet bereits seit 1. April 1946 die Rechtsstellung eines Erben erster Ordnung hätten, rechtfertige keine andere Bewertung des Erbersatzanspruchs.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers, der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat.

Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, ob die erbschaftsteuerliche Belastung des gemäß § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) mit dem Nennwert anzusetzenden Erbersatzanspruchs nach § 1934a BGB a.F. verfassungsrechtlich zulässig ist, ist nicht klärungsbedürftig; denn sie ist offensichtlich so zu beantworten, wie es das FG getan hat (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 15. Dezember 1989 VI B 78/88, BFHE 159, 196, BStBl II 1990, 344).

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die vom Kläger in der Beschwerde aufgeworfene "Frage der gleichwertigen Beteiligung ehelicher und nichtehelicher Kinder am Nachlaßvermögen ihres Erzeugers … deshalb grundsätzliche Bedeutung (hat), weil es um einen grundrechtlich besonders geschützten Bereich, einen Verfassungsauftrag an den Gesetzgeber, geht" und ob § 1934a BGB a.F. mit Art. 6 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist. Denn diese Frage könnte im Revisionsverfahren durch den BFH nicht geklärt werden. Der finanzgerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Besteuerung ist die Frage entzogen, ob die zivilrechtliche Regelung des Erbersatzanspruchs in § 1934a BGB a.F., an die § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG anknüpft, dem aus Art. 6 Abs. 5 GG folgenden Auftrag an den Gesetzgeber genügt hat, nichtehelichen Kindern "die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern".

Auch die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob die Besteuerung des Erbersatzanspruchs mit dem Nennwert (§ 12 Abs. 1 Satz 1 BewG) verfassungsgemäß ist, hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Der Erbersatzanspruch eines nichtehelichen Kindes ist nach § 1934a Abs. 1 i.V.m. § 1934b Abs. 1 BGB a.F. als ein gegen den Erben gerichteter Geldanspruch auf Zahlung des Wertes des gesetzlichen Erbteils ausgestaltet ("Erbrecht in Geld", Leipold in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 3. Aufl., § 1934a Rdnr. 51). Daraus folgt, daß der Erbersatzberechtigte ―insoweit vergleichbar einem Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2303 BGB (s. hierzu BFH-Urteil vom 7. Oktober 1998 II R 52/96, BFHE 187, 50, BStBl II 1999, 23)― in keiner Rechtsbeziehung zu den einzelnen Nachlaßgegenständen steht und deshalb nicht mit einem dem Ersatzanspruch entsprechenden Anteil am Steuerwert des Gesamtnachlasses, sondern mit dem Nennwert seines Anspruchs der Besteuerung unterliegt. Ob und inwieweit sich hieraus eine im Vergleich zu den ehelichen Kindern als Erben den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzende höhere Steuerbelastung des erbersatzberechtigten nichtehelichen Kindes ergibt, hängt von der Zusammensetzung des Nachlasses ab. Besteht dieser nur aus Kapitalvermögen, das nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 12 Abs. 1 BewG mit dem Nennwert anzusetzen ist, werden eheliche Kinder und erbersatzberechtigte nichteheliche Kinder in gleicher Höhe belastet. Ist im Nachlaß Grundbesitz enthalten, der gemäß § 12 Abs. 2 ErbStG in der bis zum 31. Dezember 1995 geltenden Fassung mit den nach den Wertverhältnissen vom 1. Januar 1964 ermittelten Einheitswerten anzusetzen ist, ergibt sich ―wie im Streitfall― zu Lasten des Erbersatzberechtigten im Vergleich zum Erben eine höhere Erbschaftsteuer. Zwar verstößt nach dem Beschluß des BVerfG in BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671 diese unterschiedliche Besteuerung des Kapitalvermögens zu Gegenwartswerten und des Grundbesitzes mit den Einheitswerten gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Doch hat das BVerfG mit diesem Beschluß auch angeordnet, daß das bisherige Erbschaftsteuerrecht weiterhin auf alle bis zum 31. Dezember 1995 verwirklichten Tatbestände anzuwenden ist (s. BFH-Beschluß vom 11. März 1998 II B 59/97, BFHE 185, 267, BStBl II 1998, 395). Dies gilt auch für die Besteuerung des Erwerbs "auf Grund Erbersatzanspruchs" gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Das aus Art. 6 Abs. 5 GG folgende Gebot einer angemessenen Beteiligung am väterlichen Nachlaß, das eine Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes ist (s. BVerfG-Beschluß vom 7. Mai 1991 1 BvL 32/88, BVerfGE 84, 168, 184) steht dem nicht entgegen. Denn der Umstand, daß der Erbersatzberechtigte ―wie im Streitfall― durch die vom BVerfG festgestellte Verletzung des Gleichheitssatzes betroffen ist, beruht nicht auf einer steuergesetzlichen Regelung, die eine benachteiligende ―und damit gegen Art. 6 Abs. 5 GG verstoßende― Behandlung nichtehelicher Kinder zum Gegenstand hat, sondern ausschließlich auf der den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzenden unterschiedlichen Bewertung von Kapitalvermögen und Grundbesitz, von der ―wie die Besteuerung eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zeigt― auch eheliche Kinder betroffen sind (vgl. zum Verhältnis von Art. 6 zu Art. 3 Abs. 1 GG Beschluß des BVerfG vom 27. Mai 1970 1 BvL 22/63 und 27/64, BVerfGE 28, 324 unter C. I. 1.).

Das BVerfG hat in seinem Beschluß in BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671 die befristete Weitergeltung des bisherigen Erbschaftsteuerrechts in Kenntnis der Tatbestände des Erwerbs von Todes wegen (§ 3 ErbStG) und der Schenkungen unter Lebenden (§ 7 ErbStG) angeordnet, ohne darauf abzustellen, auf welchem Rechtsgrund der Erwerb von Todes wegen oder eine Schenkung unter Lebenden beruht. Damit ist die Frage geklärt, daß die Weitergeltung des alten Erbschaftsteuerrechts auch den Erwerb aufgrund Erbersatzanspruchs erfaßt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 302440

BFH/NV 1999, 1463

DStRE 1999, 797

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