Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen bei Verlusten; gewerbliche Prägung auch bei Kreditaufnahme durch Gesellschafter; Beherrschung der Geschäfte des täglichen Lebens durch Gesellschafter-Geschäftsführer der Betriebs-GmbH

 

Leitsatz (NV)

1. Durch die BFH-Rechtsprechung ist geklärt, dass Dauerschuldzinsen selbst dann zum Gewerbeertrag hinzuzurechnen sind, wenn das Unternehmen nur Verluste erwirtschaftet. Bei länger andauernden Verlusten kommen Billigkeitsmaßnahmen in Betracht.

2. Die gewerbliche Prägung i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG entfällt nicht, wenn die Gesellschaft nur deswegen betrieben werden kann, weil ein nicht persönlich haftender Gesellschafter in großem Umfang Kredite für den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft aufgenommen hat.

3. Der zu 60 v.H. an der Betriebs-GmbH beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer GmbH kann bei den Geschäften des täglichen Lebens seinen Willen auch dann durchsetzen, wenn in der Gesellschafterversammlung das Einstimmigkeitsprinzip herrscht.

 

Normenkette

AO 1977 §§ 163, 227; FGO § 115 Abs. 2; EStG § 15 Abs. 3 Nr. 2; GewStG § 8 Nr. 1

 

Verfahrensgang

FG Nürnberg (Urteil vom 19.03.2003; Aktenzeichen III 103/2001)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine KG, die aus dem Kommanditisten A und einer Komplementär-GmbH besteht, deren einziger Gesellschafter-Geschäftsführer A ist. A ist Eigentümer eines Grundstücks, das er seit 1988 auf Dauer an die Klägerin vermietet hatte. Diese hatte auf dem Grundstück ein Hotelgebäude sowie ein Einkaufszentrum errichtet. Das Einkaufszentrum verpachtete sie an fremde Dritte. Das Hotel überließ sie aufgrund eines schriftlichen Pachtvertrages an eine Betriebs-GmbH, an der A zu 60 v.H. und seine Ehefrau zu 40 v.H. beteiligt waren. Als Jahrespacht war ein Betrag i.H. von … DM vereinbart. Alleiniger Geschäftsführer der Betriebs-GmbH war A.

Im Streitjahr (1993) erklärte die Klägerin Einnahmen i.H. von rd. … DM und errechnete einen gewerblichen Verlust i.H. von … DM. Hinzu kamen Dauerschuldzinsen und weitere Hinzurechnungen, was insgesamt eine Summe des Gewerbeertrags von … DM ergab. Die von der Klägerin beantragte Kürzung des Gewerbeertrags für Grundstücksunternehmen (§ 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes --GewStG--) lehnten der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) und das Finanzgericht (FG) ab. Die Revision gegen sein Urteil ließ das FG nicht zu.

Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin.

 

Entscheidungsgründe

I. Das Verfahren war nicht nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen.

1. Eine Aussetzung des Klageverfahrens gemäß § 74 FGO ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen dann geboten, wenn vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist (Beschlüsse des BFH vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408; vom 18. September 1992 III B 43/92, BFHE 169, 110, BStBl II 1993, 123; vom 25. August 1993 X B 32/93, BFHE 171, 412, BStBl II 1993, 797, und vom 30. April 1996 III R 211/90, BFH/NV 1997, 23).

Der Senat lässt offen, ob angesichts des dem BVerfG unter dem Aktenzeichen 1 BvL 2/04 vorliegenden Vorlagebeschlusses des Niedersächsischen FG vom 21. April 2004  4 K 317/91 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2004, 1065) diese Voraussetzungen im Streitfall gegeben sind. Eine Aussetzung des Verfahrens kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil nicht zu erwarten ist, dass sich die Entscheidung des BVerfG, selbst wenn sie die Gewerbeertragsteuer für verfassungswidrig erklären sollte, auf das anhängige Besteuerungsverfahren auswirken wird.

Die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO hängt auch davon ab, ob mit einer Aufhebung des verfassungswidrigen Gesetzes für die Vergangenheit zu rechnen oder nur zu erwarten ist, dass das BVerfG dem Gesetzgeber eine angemessene Frist zur Herbeiführung eines verfassungsgemäßen Zustandes setzen wird (BFH-Beschluss vom 5. August 1992 II B 75/92, BFHE 168, 402, BStBl II 1992, 967).

Letzteres ist hier anzunehmen. Nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG ist nämlich nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass normverwerfende Entscheidungen dieses Gerichts zu einer rückwirkenden Neuregelung des beanstandeten Gesetzes --und sei es auch nur im Rahmen einer Übergangsregelung für alle noch offenen Fälle-- führen (vgl. Senatsbeschluss vom 26. November 1998 IV B 150/97, BFH/NV 1999, 657, m.w.N. zur Rechtsprechung des BVerfG). Eine solche Möglichkeit hat der BFH insbesondere für die Gewerbeertragsteuer verneint und deshalb in seinem Urteil vom 11. November 1997 VIII R 49/95 (BFHE 185, 46, BStBl II 1998, 272) ausgeführt, eine rückwirkende Nichtigkeitserklärung des GewStG würde zu einem derart schwerwiegenden Eingriff in das Wirtschaftsgefüge führen, dass der sich danach ergebende Zustand der verfassungsmäßigen Ordnung ferner stünde als der bestehende. Es wäre deshalb selbst für den Fall, dass das GewStG gegen den Gleichheitssatz verstoßen sollte, nicht mit einer Nichtigkeits-, sondern lediglich mit einer Unvereinbarkeitserklärung und einer Änderungsverpflichtung des Gesetzgebers für die Zukunft zu rechnen (vgl. im Ergebnis auch BFH-Beschluss vom 3. August 1999 VIII B 79/98, BFH/NV 2000, 222). Hiervon geht auch der Vorlagebeschluss des Niedersächsischen FG in EFG 2004, 1065 (unter B. IV. 1. b) der Gründe) aus (vgl. auch Hey, Finanz-Rundschau --FR-- 2004, 876, 879).

2. Der Senat hat auch keinen Anlass gesehen, die Rechtssache dem BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) vorzulegen. Er hält an seiner wiederholt dokumentierten Auffassung fest, dass die Gewerbeertragsteuer mit der Verfassung vereinbar ist, und erwartet insbesondere unter Berücksichtigung des jüngsten Beschlusses des BVerfG zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vom 26. Oktober 2004  2 BvR 246/98 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2005, 56) nicht, dass das BVerfG zu einem anderen Ergebnis gelangen wird.

II. Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben. Sie ist --wenn nicht unzulässig-- so doch jedenfalls unbegründet.

1. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO)

a) Dieser Zulassungsgrund kann nicht darauf gestützt werden, dass der BFH noch nicht über die Revisionen gegen die Urteile des FG Rheinland-Pfalz vom 17. Oktober 2002  1 K 2373/00 (EFG 2003, 408, Az. des BFH VIII R 3/03) sowie des FG Köln vom 22. April 2002  5 K 3064/00 (EFG 2003, 334, Az. des BFH VIII R 53/02) entschieden hat.

Da die Entscheidungen des BFH in diesen Revisionsverfahren noch nicht vorliegen, kann die Vorinstanz von ihnen auch nicht abgewichen sein.

Eine Abweichung von den genannten FG-Entscheidungen ist nicht in zulässiger Weise dargetan. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf das Erfordernis der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gestützt, erfordert die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO notwendige Darlegung der Zulassungsvoraussetzungen, dass die Entscheidung, von der nach der Behauptung des Beschwerdeführers das Urteil der Vorinstanz abweicht, genau bezeichnet und dass kenntlich gemacht wird, zu welcher konkreten Rechtsfrage eine Abweichung vorliegen soll. Dem ist nur genügt, wenn abstrakte Rechtssätze des vorinstanzlichen Urteils und abstrakte Rechtssätze der angeblichen Divergenzentscheidung(en) so genau bezeichnet und gegenübergestellt werden, dass eine Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 18. Juni 2002 II B 65/01, BFH/NV 2002, 1329 und vom 26. August 2004 IV B 237/02, juris). Daran fehlt es im Streitfall.

b) Auch die Divergenz zum BFH-Urteil vom 24. April 1991 X R 84/88 (BFHE 164, 385, BStBl II 1991, 713) ist nicht in zulässiger Weise dargelegt. Sie ist zudem offensichtlich nicht gegeben. Das FG hat seiner Entscheidung nicht den Rechtssatz zugrundegelegt, dass das Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung auch bei Fehlen der Gewinnerzielungsabsicht gewerbliche Einkünfte erzielt. Es ist vielmehr davon ausgegangen, dass die Klägerin ungeachtet der tatsächlich erlittenen Verluste das Hotel mit Gewinnerzielungsabsicht verpachtet hat. Die Richtigkeit dieser --naheliegenden-- Würdigung des Sachverhalts ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zu prüfen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 81 ff., m.w.N.).

2. Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO)

a) Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache kann nicht darauf gestützt werden, dass der BFH über die Revisionen VIII R 53/02 und VIII R 3/03 noch nicht entschieden hat. Allerdings wird die grundsätzliche Bedeutung regelmäßig zu bejahen sein, wenn beim BFH bereits ein Musterprozess zur Klärung einer zweifelhaften Rechtsfrage anhängig ist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 24). Die von der Klägerin angeführten Revisionsverfahren betreffen jedoch Fragen, die im Streitfall keine Rolle spielen. So geht es im Verfahren VIII R 3/03 darum, ob eine Grundstücksgesellschaft gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG verstößt, wenn sie eine Kommanditbeteiligung an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft hält. Das Verfahren VIII R 53/02 betrifft die Frage, ob die Voraussetzungen einer für die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG schädlichen Betriebsaufspaltung auch dann vorliegen, wenn die Betriebs-GmbH in dem von der Besitzgesellschaft gemieteten Ladenlokal nicht selbst Handel betreibt, sondern es lediglich untervermietet.

b) Von grundsätzlicher Bedeutung ist auch nicht die Frage, ob Dauerschuldzinsen selbst dann zum Gewerbeertrag hinzuzurechnen sind, wenn das Unternehmen nur Verluste erwirtschaftet. Zu dieser Frage hat sich der Senat vielmehr in seinem Urteil vom 5. Juli 1973 IV R 215/71 (BFHE 110, 50, BStBl II 1973, 739) geäußert. Er hat dort ausgeführt, die Gewerbesteuer könne sich erst dann substanzaufzehrend auswirken, wenn ihre Zahlung zu einem Verlust führe. Dieser Effekt beruhe dann aber nicht auf dem System der Gewerbebesteuerung, das grundsätzlich von einem mit Gewinn arbeitenden Unternehmen ausgehe, sondern auf der schlechten Gewinnsituation des betreffenden Unternehmens. Arbeite ein Gewerbebetrieb längere Zeit mit Verlust, dann berührten sämtliche staatlich auferlegten Geldleistungspflichten sein Vermögen. Das gelte nicht nur bei der Gewerbesteuer, sondern ebenso bei einer aus Marktgründen nicht überwälzbaren Umsatzsteuer und bei etwa nachzuzahlenden Ertragsteuern. Solche Fälle seien im Wege von Billigkeitsmaßnahmen (§ 131 der Reichsabgabenordnung --RAO--; nunmehr §§ 163, 227 der Abgabenordnung --AO 1977--) zu lösen.

Die Entscheidung über eine abweichende Festsetzung nach § 163 AO 1977 oder den Erlass eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 227 AO 1977 ist Gegenstand eines besonderen Verwaltungsverfahrens. Sie könnte nicht in dem von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren getroffen werden (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1997 X R 149/94, BFHE 184, 412, BStBl II 1998, 247, Abschn. II Nr. 6 der Gründe).

3. Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO)

Die Fortbildung des Rechts erfordert keine Stellungnahme des BFH zu der Frage, ob die gewerbliche Prägung i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG dann entfällt, wenn die Gesellschaft nur deswegen betrieben werden kann, weil ein nicht persönlich haftender Gesellschafter in großem Umfang Kredite für den Geschäftsbetrieb der Gesellschaft aufgenommen hat. Eine solche Möglichkeit kann aus zahlreichen Gründen, von denen hier nur einige zu nennen sind, nicht ernsthaft erwogen werden. Zwar hatte die sog. Geprägerechtsprechung ursprünglich zum Ziel, die auf den Betrieb durch die Komplementär-GmbH angelegte Personengesellschaft gewerbesteuerlich ähnlich zu behandeln wie eine Kapitalgesellschaft (vgl. Senatsurteil vom 20. November 2003 IV R 5/02, BFHE 204, 471, BStBl II 2004, 464 unter I. 1. c, m.w.N.). Abgesehen davon dass mit der gesetzlichen Regelung der gewerblich geprägten Personengesellschaft (auch) andere Ziele verfolgt wurden (vgl. Senatsurteil in BFHE 204, 471, BStBl II 2004, 464 unter I. 1. d), verkennt die Klägerin, dass gerade bei einer GmbH die Kreditgeber regelmäßig zumindest eine Mithaft der Gesellschafter für umfangreichere Darlehen verlangen werden, ohne dass dadurch die GmbH ihre Eigenart als juristische Person verlieren würde. Vielmehr erweist sich die eigene wirtschaftliche Kraft und die damit verbundene Bestimmung der GmbH zu wirtschaftlicher Betätigung in der Ausstattung mit einem bestimmten Mindestkapital und der Unabhängigkeit vom Mitgliederbestand (Senatsurteil in BFHE 204, 471, BStBl II 2004, 464 unter I. 2. d).

4. Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)

Wird --wie im Streitfall-- ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung gerügt, das FG hätte auch ohne entsprechenden Beweisantritt von Amts wegen den Sachverhalt weiter aufklären müssen, so sind u.a. Ausführungen dazu zu machen, aus welchen Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme auch ohne einen entsprechenden Antrag habe aufdrängen müssen. Die Klägerin hat insoweit geltend gemacht, das FG hätte sich um Einsichtnahme in den Gesellschafterbeschluss vom 23. November 1993 bemühen müssen, mit dem für alle Beschlüsse der Betriebs-GmbH das Einstimmigkeitsprinzip eingeführt worden sei. Die Klägerin hat in ihrem Schriftsatz vom 26. Dezember 2002 an das FG vorgetragen, dieser Gesellschafterbeschluss liege dem FA vor. Das FA hat das in seinem Schriftsatz vom 27. Januar 2003 bestritten. Die Klägerin hätte daher ihrerseits dem FG den Beschluss vom 23. November 1993 zugänglich machen müssen oder --falls er sich nicht mehr in ihrem Besitz befunden haben sollte-- mitteilen müssen, wann und in welchem Zusammenhang er dem FA übersandt worden sei. Hinzu kommt, dass die personelle Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen nur dann entfallen wäre, wenn A bei den Geschäften des täglichen Lebens seinen Willen in der Betriebs-GmbH nicht hätte durchsetzen können. So verhielt es sich indessen nicht. Als Geschäftsführer oblag ihm die Entscheidung über die laufenden Geschäfte. Wenn --wie von der Klägerin vorgetragen-- in der Gesellschafterversammlung nicht das Mehrheitsprinzip gegolten haben sollte, hätte nicht nur seiner Frau, sondern auch ihm ein "Vetorecht" zugestanden. Folglich hätte er gegen seinen Willen nicht zu einem bestimmten Handeln angewiesen werden können.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1382768

BFH/NV 2005, 1564

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