Entscheidungsstichwort (Thema)

Stromsteuer und Aussetzung des Verfahrens

 

Leitsatz (NV)

  1. Die Rüge, das FG sei dem gestellten Antrag auf Aussetzung des Verfahrens, bis über eine bestimmte beim BVerfG anhängige Verfassungsbeschwerde gegen das Stromsteuergesetz entschieden sei, mit "wenig erschöpfenden Erwägungen nicht nachgekommen", erfüllt nicht die Anforderungen an die Darlegung eines entsprechenden Verfahrensmangels.
  2. Im Beschwerdeverfahren vor dem BFH ist dem erneut gestellten Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bereits dann nicht zu folgen, wenn die NZB unzulässig, ist, es zu einer späteren Sachprüfung durch den BFH also nicht kommen kann.
 

Normenkette

StromStG § 2 Nrn. 3-4, § 9 Abs. 4; FGO §§ 74, 115 Abs. 2 Nr. 3, § 116 Abs. 3 S. 3

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Gemeinde, betreibt eine Abwasser-Kläranlage. Der gesamte dabei anfallende Klärschlamm wird von Landwirten abgenommen. Mit Schreiben vom … März 1999 beantragte die Klägerin im Hinblick auf das zum 1. April 1999 bevorstehende In-Kraft-Treten des Gesetzes zum Einstieg in die ökologische Steuerreform vom 24. März 1999 (BGBl I, 378) beim Beklagten und Beschwerdegegner (Hauptzollamt ―HZA―) die Erteilung einer Erlaubnis zur Entnahme von steuerbegünstigtem Strom gemäß § 9 Abs. 4 des Stromsteuergesetzes (StromStG), welches in Art. 1 des vorgenannten Gesetzes vom 24. März 1999 enthalten ist. Das HZA lehnte diesen Antrag ab. Nach erfolglosem Einspruch blieb auch die Klage der Klägerin vor dem Finanzgericht (FG) ohne Erfolg.

Das FG urteilte, der Abwasserbeseitigungsbetrieb der Klägerin sei bereits kein Unternehmen i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG, also auch kein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes (§ 2 Nr. 3 StromStG), da es als Regiebetrieb, d.h. rechtlich unselbständig und als bloße Zusammenfassung technischer Mittel lediglich als besondere Abteilung innerhalb der Gemeindeorganisation, betrieben werde. Der Ausschluss von Regiebetrieben aus dem Anwendungsbereich des Unternehmensbegriffs des StromStG verstoße nicht gegen das kommunale Selbstverwaltungsrecht einer Gemeinde gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes, weil es der Klägerin unbenommen sei, ihre Pflichtaufgabe der Abwasserentsorgung in anderer Organisationsform zu betreiben. Selbst wenn man den Regiebetrieb der Klägerin als Unternehmen i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG ansehen wolle, führe die Klage nicht zum Erfolg, weil der Betrieb einer Kläranlage nicht dem produzierenden Gewerbe (§ 2 Nr. 3 StromStG) angehöre und daher gemäß § 9 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 StromStG nicht in den Genuss des ermäßigten Stromsteuersatzes kommen könne. Nach der insoweit (vgl. § 2 Nr. 3 StromStG) maßgeblichen Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts (WZ 93) gehöre der Betrieb einer Kläranlage in den Abschnitt O Unterklasse 90.00.1 WZ 93 und damit nicht in die allein begünstigten Abschnitte C bis E. Bei der (begünstigten) Wasserversorgung (Abschnitt E Klasse 41.00) sei die Abwasseraufbereitung ausdrücklich ausgenommen. Die Produktion von Klärschlamm indes sei bloße Nebentätigkeit bei der Haupttätigkeit Abwasserbehandlung und könne daher nicht dem Abschnitt D Klasse 24.15 (Herstellung von Düngemitteln und Stickstoffverbindungen) zugeordnet werden. Die von der Klägerin begehrte Aussetzung der Streitsache sei nicht geboten, da den beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängigen Verfahren kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liege.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel ist unzulässig.

1. Eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision muss, wie sich aus § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ergibt, qualifiziert begründet werden. Es muss in der Begründung dargelegt werden, dass die Voraussetzungen von wenigstens einem der drei in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Zulassungsgründe vorliegen. Die von der Klägerin eingereichte Begründung erfüllt diese Anforderung nicht.

a) Einzig die Rüge, das FG sei dem von ihr gestellten Antrag, das Verfahren auszusetzen, bis über die beim BVerfG unter dem Az. 1 BvR 1748/99 anhängige Verfassungsbeschwerde entschieden sei, "mit wenig erschöpfenden Erwägungen nicht nachgekommen, weshalb insoweit auch ein Verfahrensverstoß gerügt" werde, kann als Rüge eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 74 FGO) verstanden werden. Allerdings erfüllt diese Rüge nicht die Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO an die Darlegung eines Verfahrensmangels. Die Bezeichnung eines Verfahrensmangels in einer Nichtzulassungsbeschwerde erfordert die genaue Angabe der Tatsachen, aus denen sich nach Auffassung des Beschwerdeführers ein Verfahrensverstoß ergibt (vgl. Bundesfinanzhof ―BFH―, Beschluss vom 12. November 1993 III B 234/92, BFHE 173, 196 , BStBl II 1994, 401: zur Aussetzung wegen Vorgreiflichkeit eines vor dem BVerfG anhängigen Musterprozesses). Da die Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit gemäß § 74 FGO im Ermessen des Gerichts steht, muss der Beschwerdeführer, will er einen diesbezüglichen Verfahrensverstoß des Gerichts rügen, insbesondere dartun, weshalb die besonderen Umstände seines Falles ausnahmsweise das FG zu einer Aussetzung des Verfahrens hätten veranlassen müssen, mithin das dem FG in § 74 FGO eingeräumte Ermessen im Streitfall auf Null reduziert gewesen sein soll (BFH-Beschluss vom 19. Oktober 1995 II B 31/95, BFH/NV 1996, 237). Es versteht sich von selbst, dass die Klägerin mit ihrem bloßen Hinweis "auf wenig erschöpfende Erwägungen" des FG ihrer Darlegungspflicht bei weitem nicht nachgekommen ist.

b) Im Übrigen erschöpft sich die Beschwerde im Stile einer Revisionsbegründung in einer Kritik an der Rechtsauffassung des FG zu den entscheidungserheblichen Punkten. Dass ein Beschwerdeführer ein FG-Urteil für materiell falsch hält und dies in der Beschwerdeschrift auch ausführt, ist für die Frage der Zulassung der Revision durch den BFH unerheblich, denn damit wird weder einer der in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Gründe für die Zulassung der Revision benannt noch werden dessen Voraussetzungen dargelegt.

2. Der Senat seinerseits brauchte dem im Beschwerdeverfahren von der Klägerin erneut gestellten Aussetzungsantrag nicht zu folgen. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des BVerfG in dem genannten Verfassungsbeschwerdeverfahren änderte nichts an der Unzulässigkeit der von der Klägerin eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde, sodass es zu einer späteren Sachprüfung durch den Senat nicht kommen könnte (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Januar 1995 V B 90/94, BFH/NV 1995, 708).

 

Fundstellen

Haufe-Index 933450

BFH/NV 2003, 931

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