Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Voraussetzungen einer Prozeßkostenhilfe für den als Haftungsschuldner in Anspruch genommenen Geschäftsführer einer GmbH

 

Leitsatz (NV)

1. Die Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer Gesellschaft für deren Steuerschulden als Haftungsschuldner kommt nur in dem Umfang in Betracht, in dem die Steuerschulden während der Geschäftsführertätigkeit fällig geworden sind.

2. Hat der Haftungsschuldner sich als Geschäftsführer der GmbH ausgegeben und Funktionen des Geschäftsführers ausgeübt, so kann er sich nicht darauf berufen, nur als Geschäftsführer ,,vorgeschoben" worden zu sein.

 

Normenkette

FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114; AO 1977 §§ 69, 34

 

Verfahrensgang

FG Münster

 

Tatbestand

Die Beschwerde richtet sich gegen den Beschluß des FG, soweit in diesem der Klägerin und Beschwerdeführerin Prozeßkostenhilfe für das Klageverfahren betreffend Lohnsteuerhaftung 1979 und 1980 in Höhe eines Teilbetrags von 31 309,64 DM versagt worden ist.

Die Beschwerdeführerin war mit Beschluß der Gesellschafter einer GmbH vom 22. Juni 1979, demzufolge sie bereits ,,seit dem 1. 4. 1979 die Aufgaben des Geschäftsführers" erfüllte, zum Geschäftsführer der GmbH (Stammkapital 20 000 DM) bestellt. Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Beschwerdeführerin wurde das Arbeitsverhältnis im November 1979 zum 31. Dezember 1979 gekündigt.

Die in den von der Beschwerdeführerin unterschriebenen Lohnsteueranmeldungen der GmbH für die Anmeldungszeiträume April 1979 bis Februar 1980 angemeldeten Lohn- und Kirchensteuerabzugsbeträge wurden ausnahmslos nicht an das FA abgeführt. Im März 1980 beantragte der Hauptgesellschafter der GmbH die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH, das mangels Masse abgelehnt wurde.

Mit auf § 69 AO 1977 gestütztem Lohnsteuerhaftungsbescheid vom 20. Oktober 1981 nahm das FA die Beschwerdeführerin wegen der rückständig gebliebenen Abzugsbeträge für die Anmeldungszeiträume April bis November 1979 sowie Januar und Februar 1980 einschließlich Säumnis- und Verspätungszuschlägen in Höhe von insgesamt 45 700,64 DM in Anspruch. Wegen der einzelnen Beträge wird auf den Haftungsbescheid Bezug genommen.

Zur Durchführung des hierwegen mit dem Ziel der Aufhebung des Haftungsbescheids angestrengten Klageverfahrens hat die Beschwerdeführerin (unter Vorlage der Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse) die Gewährung von Prozeßkostenhilfe beantragt. Sie hat dies damit begründet, daß sie von dem GmbH-Hauptgesellschafter (Geschäftsanteil 15 000 DM), mit dem sie bis Juli 1979 zusammengelebt habe, in jeder Hinsicht abhängig und zu eigenen Entscheidungen außerstande gewesen sei. Seit Juli 1979 sei sie buchhalterisch nur noch vorübergehend (sporadisch) für die GmbH tätig gewesen.

Das FG hat die begehrte Prozeßkostenhilfe in Höhe eines Teilbetrags von 14 391 DM - der die rückständige Lohn- und Kirchensteuer für die Anmeldungszeiträume April mit Mai 1979 und Januar mit Februar 1980, jeweils mit Verspätungszuschlägen, betrifft - gewährt, weil die Beschwerdeführerin in diesen Monaten entweder noch nicht (April mit Mai 1979) oder nicht mehr (Januar mit Februar 1980) Geschäftsführerin der GmbH gewesen sei und daher insoweit hinreichende Erfolgsaussichten gegeben seien (§ 142 FGO i. V. m. §§ 144 ff. der Zivilprozeßordnung). Im übrigen hat es den Antrag abgelehnt.

Mit der Beschwerde begehrt die Beschwerdeführerin die Zubilligung von Prozeßkostenhilfe auch hinsichtlich der verbleibenden Haftungssumme von 31 309,64 DM (45 700,64 DM ./. 14 391 DM), die die rückständige Lohn- und Kirchensteuer für die Monate Juni mit November 1979 einschließlich Verspätungszuschlägen beinhaltet. Sie begründet dies mit dem bereits im Antragsverfahren vorgebrachten Argument, sie sei von dem Hauptgesellschafter abhängig gewesen, habe auch im zweiten Halbjahr 1979 tatsächlich keine Geschäftsführertätigkeit ausgeübt und hafte daher nicht nach §§ 34, 69 AO 1977 i. V. m. § 41a des Einkommensteuergesetzes (EStG).

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Geht man mit dem FG davon aus, daß die Beschwerdeführerin zufolge des Gesellschafterbeschlusses vom 22. Juni 1979 jedenfalls ab Juni 1979 zum Geschäftsführer der GmbH bestellt gewesen ist, so war sie verpflichtet, die angemeldeten Lohn- und Kirchensteuerabzugsbeträge für die Monate ab Juni 1974 an das FA abzuführen (§ 41a EStG). Die Nichtabführung stellt eine Verletzung der dem Geschäftsführer obliegenden Pflichten (§ 34 AO 1977) aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO 1977) dar. Diese hat das FG, bei der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Beurteilung, zutreffend als schuldhaft i. S. von § 69 AO 1977 bewertet. Da sich die Beschwerdeführerin dem FA gegenüber - wie vom FG unwidersprochen ausgeführt - wiederholt als Geschäftsführer der GmbH ausgegeben und auch die Lohnsteueranmeldungen selbst unterschrieben hat, kann sie sich nicht darauf berufen, tatsächlich keine Funktionen als Geschäftsführer ausgeübt zu haben und von dem Hauptgesellschafter lediglich als solcher ,,vorgeschoben" worden zu sein. Die im Haftungszeitraum bereits 40jährige Beschwerdeführerin hätte, falls sie sich den angeblichen oder vermeintlichen Bedrohungen des Hauptgesellschafters nicht entziehen zu können glaubte, die Tätigkeit als Geschäftsführer niederlegen können und müssen. Da sie dies nicht getan hat, ist ihr mindestens eine grob fahrlässige Handlungsweise anzulasten. Eine solche reicht für die Inanspruchnahme als Haftungsschuldner aus (§ 69 AO 1977).

 

Fundstellen

Haufe-Index 413834

BFH/NV 1987, 422

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