Leitsatz (amtlich)

Der VI. Senat legt dem Großen Senat nach § 11 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung die folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vor: Ist das Finanzgericht Düsseldorf, das das angefochtene Urteil vom 26. Mai 1966 erlassen hat, ordnungsgemäß besetzt gewesen, obwohl die Finanzgerichtsräte, die an dieser Entscheidung mitgewirkt haben, zu dieser Zeit wie vor dem Inkrafttreten der Finanzgerichtsordnung in die Besoldungsgruppe A 14 eingestuft waren?

 

Normenkette

FGO §§ 2, 4, 11 Abs. 4, § 119 Nr. 1

 

Tatbestand

Die Revisionsklägerin (Stpfl.) wehrt sich dagegen, daß das FA bei der Festsetzung der Gewerbesteuer-Meßbeträge für die Jahre 1956 bis 1959 bestimmte Entschädigungen zur Gewerbesteuer herangezogen hat. Die Klage blieb ohne Erfolg.

Mit ihrer Revision rügt die Stpfl. verfahrensrechtlich, daß das FG nicht ordnungsmäßig besetzt gewesen und das Urteil des FG unzureichend begründet sei; sachlich rügt sie unrichtige Anwendung von Bundesrecht.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Der Senat hat über die Rüge nicht ordnungsmäßiger Besetzung des FG vorab mündlich verhandelt.

Nach der Ansicht der Stpfl. war das FG aus zwei Gründen nicht ordnungsmäßig besetzt: Den ersten Mangel sieht die Stpfl. darin, daß das Land Nordrhein-Westfalen bei der Einrichtung seiner Finanzgerichte nach dem Inkrafttreten der FGO die Finanzrichter besoldungsmäßig nicht so eingestuft hat, wie es nach der FGO geboten gewesen wäre. Als zweiten Mangel rügt sie, daß die Finanzgerichte des Landes Nordrhein-Westfalen der Dienstaufsicht des Finanzministers unterstünden. Der Senat legt die Sache dem Großen Senat nur wegen des ersten Punktes vor.

Im einzelnen trägt die Stpfl. vor, nach § 2 FGO seien die FG „obere Landesgerichte”; nach § 4 FGO entschieden sie in der Form von Senaten. Das Land Nordrhein-Westfalen habe zwar auf Grund von § 2 des Gesetzes zur Ausführung der Finanzgerichtsordnung (AGFGO) seinen FG die Senatsverfassung gegeben. Es habe auch die Präsidenten, die Vizepräsidenten und die Senatspräsidenten höher eingestuft, nicht aber die Finanzrichter. Diese seien wie vor dem Inkrafttreten der FGO, als die FG nicht obere Landesgerichte gewesen seien, in der Besoldungsgruppe A 14 geblieben. Die Finanzrichter hätten somit nicht den Rang, den sie als Richter an einem oberen Landesgericht haben müßten. Die besoldungsmäßige Einstufung sei ein entscheidendes Merkmal der rangmäßigen Einstufung.

Nach der Ansicht des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen greifen die Bedenken der Stpfl. nicht durch. Das Land Nordrhein-Westfalen, so führt er aus, habe den Organisationsvorschriften der FGO dadurch Genüge getan, daß es seinen FG die Senatsverfassung gegeben habe. Die besoldungsmäßige Einstufung der Richter spiele für die Frage der Ordnungsmäßigkeit der Besetzung eines Gerichts keine Rolle. Selbst wenn man aber diese Frage grundsätzlich anders beurteile, müsse dem Land nach dem Inkrafttreten der FGO eine Anpassungszeit zugestanden werden. Das Land habe Folgerungen alsbald für die Besoldung der Finanzgerichtspräsidenten, der Vizepräsidenten und der Senatspräsidenten gezogen. Für die Besoldung der Finanzrichter habe man die schwebende Rahmenregelung des Bundes abwarten wollen, um innerhalb des Bundesgebiets wieder zu einer gleichmäßigen Besoldung für die Finanzrichter zu kommen. Die Rahmenregelung des Bundes sehe wie bei der Einordnung der Richter anderer Gerichtsbarkeiten für die Finanzrichter eine Durchstufung von Besoldungsgruppe A 13 bis A 15 vor. Im Gegensatz zu anderen Ländern habe das Land Nordrhein-Westfalen seine Finanzrichter schon vor dem Inkrafttreten der FGO nicht in A 13, sondern in A 14 eingestuft gehabt. Unter diesen Umständen sei es nicht angebracht gewesen, alsbald – noch vor der einheitlichen Bundesregelung – die Finanzrichter höher einzustufen. Im übrigen sei das Land nicht gehalten, die Richter oberer Landesgerichte gleichmäßig einzustufen. Trotz des Grundsatzes der Gleichbehandlung sei es dem Land nicht verwehrt, bei der Einstufung der Richter Verschiedenheiten bei den einzelnen oberen Landesgerichten Rechnung zu tragen.

Auch der BdF hält die FG in Nordrhein-Westfalen für ordnungsmäßig besetzt und tritt den Erwägungen des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen bei.

Die Rüge der nicht ordnungsmäßigen Besetzung des FG ist entscheidungserheblich; denn wenn sie begründet ist muß die Vorentscheidung ohne weitere Prüfung nach § 119 Nr. 1 FGO aufgehoben werden. Der Senat hält die Anrufung des Großen Senats gemäß § 11 Abs. 4 FGO für zweckmäßig, weil alle Senate des BFH mit Entscheidungen des FG Düsseldorf befaßt sind.

Der IV. Senat des BFH hat durch das Urteil IV R 124/67 vom 14. März 1968 (BStBl II 1968, 282) entschieden, daß das FG Schleswig-Holstein wegen fehlerhafter Einstufung der Senatspräsidenten und Finanzrichter nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei. In Schleswig-Holstein wurden, wie der IV. Senat festgestellt hat, bei Erlaß der angegriffenen Entscheidung des FG Schleswig-Holstein wie vor dem Erlaß der FGO die Senatspräsidenten wie vorher die Finanzgerichtsdirektoren nach A 15 und die Finanzrichter wie vorher nach A 13 und A 14 besoldet. Die Situation beim FG Schleswig-Holstein war also in verschiedener Hinsicht anders als bei den FG des Landes Nordrhein-Westfalen.

Ob ein Gericht im Sinne von § 119 Nr. 1 FGO auch dann „nicht vorschriftsmäßig besetzt” ist, wenn es nicht ordnungsmäßig konstituiert ist, mag zweifelhaft sein, weil man von einer nicht vorschriftsmäßigen „Besetzung” eigentlich nur sprechen kann, wenn zuvor das Gericht ordnungsmäßig konstituiert ist. Diese Frage kann hier jedoch dahingestellt bleiben; denn der Senat hat keinen Zweifel, daß das FG Düsseldorf ordnungsmäßig konstituiert war, als die angefochtene Entscheidung erging. Dadurch, daß das Land dem FG in § 2 AGFGO den Status eines oberen Landesgerichts mit Senatsverfassung gab, hatte es das FG der FGO entsprechend konstituiert. Ein FG besteht nach § 4 Abs. 1 Satz 1 FGO „aus dem Präsidenten, den Senatspräsidenten und weiteren Richtern in erforderlicher Zahl”.

Fragen der Besoldung der Richter können grundsätzlich die vorschriftsmäßige Besetzung eines Gerichts nicht berühren. Der Senat ist zwar mit dem IV. Senat der Auffassung, daß die Länder aus der Tatsache, daß die FGO die FG zu oberen Landesgerichten angehoben hat, auch besoldungsmäßige Folgerungen zu ziehen haben. Er ist ferner der Auffassung, daß man die Frage nach der ordnungsmäßigen Konstituierung eines Gerichts Aufwerfen könnte, wenn etwa der Gesetzgeber die Richter eines Gerichts ohne jeden vernünftigen Grund willkürlich so niedrig einstufte, daß geeignete Richter nicht bereit wären, bei einer solchen Einstufung an dem Gericht tätig zu werden. Der Vertreter der Stpfl. führte dafür als Beispiel an, daß die Richter an den oberen Bundesgerichten als Amtsrichter eingestuft würden. Der Senat braucht aber zu diesen Fragen hier nicht Stellung zu nehmen, da der Streitfall nicht so liegt; denn heir geht der Streit nur um eine verhältnismäßig geringfügige höhere Einstufung. Desgleichen braucht er nicht zu prüfen, zu welchen Folgen es führt, wenn ein Land wie Schleswig-Holstein nach dem Inkrafttreten der FGO gar nichts getan hat. Denn das Land Nordrhein-Westfalen hat, wie ausgeführt, sofort verschiedene besoldungsmäßige Folgerungen aus der Neuregelung der FGO gezogen. Wenn es nicht auch alsbald die Finanzrichter höher eingestuft hat, so lag darin keine unsachliche Willkür. Die vom Land vorgetragenen Gründe rechtfertigten es, die schwebende bundeseinheitliche Regelung abzuwarten, zumal das Land schon vorher seine Finanzrichter günstig eingestuft und die verschiedene Besoldung in den Ländern zu Schwierigkeiten geführt hatte. Es darf auch nicht übersehen werden, daß die Länder dadurch in eine schwierige Lage geraten waren, daß die FGO im letzten Augenblick wesentlich geändert und dann kurzfristig in Kraft gesetzt wurde. Unter diesen Umständen muß den Ländern eine gewisse Übergangszeit zugestanden werden, die jedenfalls am 26. Mai 1966, also dem Tag, an dem das angefochtene Urteil erging, noch nicht abgelaufen war.

Der Senat ist nach seiner Auffassung durch das Urteil des IV. Senats nicht gebunden und deshalb nicht zu einer Divergenzanrufung nach § 11 Abs. 3 FGO gehalten. Wenn auch die Rechtsfragen im Fall des IV. Senats und in dem Streitfall ähnlich sind, so geht es doch darum, wie sich die landesrechtlichen Regelungen, die verschieden sind, auf die ordnungsmäßige Besetzung des FG auswirken.

 

Fundstellen

Haufe-Index 557370

BStBl II 1968, 284

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