Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassungsbeschwerde: Anforderungen an eine Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht, Rügeverzicht

 

Leitsatz (NV)

  1. Rügt der Kläger die Verletzung der gemäß § 76 Abs. 1 FGO bestehenden Sachaufklärungspflicht durch das FG, weil es einen Zeugen nicht vernommen habe, so muss er sich neben der Darlegung, warum er nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat und warum sich die unterlassene Beweiserhebung auch ohne besonderen Antrag hätte aufdrängen müssen, mit den Gründen des FG auseinandersetzen, mit denen es auf die Vernehmung weiterer Zeugen verzichtet hat.
  2. Bei verzichtbaren Verfahrensmängeln geht das Rügerecht bereits durch rügelose Verhandlung zur Sache verloren. Der Verfahrensmangel muss in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt werden, wobei "nächste" mündliche Verhandlung auch die sich unmittelbar an den Verfahrensfehler anschließende Verhandlung sein kann.
 

Normenkette

FGO § 76 Abs. 1, § 155; ZPO § 295

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

1. Mit seinem Vorbringen, das Finanzgericht (FG) habe den Vertreter der X-Bank sowie Immobilienmakler Y nicht zu der Frage vernommen, "wann sich konkret der Kläger für die Übernahme des Hauses entschieden" habe, rügt der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Verletzung der gemäß § 76 Abs. 1 FGO bestehenden Sachaufklärungspflicht des FG. Zu einer schlüssigen Rüge der Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung hätte der steuerlich beratene Kläger indes darlegen müssen, warum er nicht von sich aus entsprechende Beweisanträge gestellt hat oder warum sich die unterlassene Beweiserhebung dem FG ―auch ohne einen besonderen Antrag― hätte aufdrängen müssen (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH―, vgl. Beschluss vom 11. Juli 2001 VII B 348/00, BFH/NV 2002, 33 f., m.w.N.). Derartige Ausführungen enthält die Beschwerdeschrift aber nicht und setzt sich auch nicht mit den Gründen des FG auseinander, mit denen es auf die Vernehmung weiterer Zeugen verzichtet hat. Vielmehr wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde im Kern gegen die Tatsachen- und Beweiswürdigung durch die Vorentscheidung, die aber ―wäre sie fehlerhaft― nicht zu einem Verfahrensmangel führte, sondern die Entscheidung materiell-rechtlich unrichtig machte (vgl. BFH-Beschluss vom 23. Mai 2000 XI B 122/98, BFH/NV 2001, 43).

2. Überdies geht bei verzichtbaren Verfahrensmängeln ―wie die hier geltend gemachte Verletzung der Sachaufklärungspflicht― das Rügerecht durch rügelose Verhandlung zur Sache verloren (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―; st. Rechtsprechung des BFH, vgl. den BFH-Beschluss vom 22. März 2001 IX B 149/00, BFH/NV 2001, 1037, m.w.N.), und zwar schon durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge. Der Verfahrensmangel muss in der nächsten mündlichen Verhandlung gerügt werden, in der der Rügeberechtigte erschienen ist; verhandelt er zur Sache, ohne den Verfahrensmangel zu rügen, obwohl er den Mangel kannte oder kennen musste, verliert er das Rügerecht (§ 295 Abs. 1 ZPO). Die "nächste" mündliche Verhandlung kann auch die sich unmittelbar an den Verfahrensfehler anschließende Verhandlung sein (BFH-Beschluss vom 31. Januar 1989 VII B 162/88, BFHE 155, 498, BStBl II 1989, 372). Der rechtskundig vertretene Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ―ausweislich des Sitzungsprotokolls vom 28. August 2001― rügelos zur Sache eingelassen, nachdem das FG die Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen Z abgeschlossen und im Anschluss daran die mündliche Verhandlung fortgesetzt hatte. Er hat damit sein Rügerecht verloren.

 

Fundstellen

Haufe-Index 726114

BFH/NV 2002, 793

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