Entscheidungsstichwort (Thema)

Anteilsübertragung auf eine vom Veräußerer zu 100 v. H. beherrschte AG

 

Leitsatz (NV)

Die Übertragung aller Anteile an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft auf eine vom Anteilsveräußerer zu 100 v. H. beherrschte Aktiengesellschaft unterliegt gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer. Der Besteuerung steht nicht entgegen, daß die Anteile an der Gesellschaft mit Grundbesitz zugleich mittelbar in der Hand des bisherigen Alleingesellschafters vereinigt bleiben.

 

Normenkette

GrEStG 1983 § 1 Abs. 3 Nr. 3

 

Verfahrensgang

FG Hamburg

 

Tatbestand

Alle Anteile an der Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Klägerin), vormals einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, nun einer Aktiengesellschaft (AG) werden von einer rechtsfähigen Stiftung gehalten. In deren Hand wurden aufgrund einer Erbschaft im Jahre 1992 sämtliche Anteile einer grundstücksbesitzenden AG (X- AG), deren damalige Firma der heutigen Firma der Klägerin entspricht, vereinigt. Im Jahre 1994 wurde das Stammkapital der Klägerin erhöht. Zur Übernahme der neuen Stammeinlage wurde die Stiftung zugelassen, die sich zur Erfüllung ihrer Einlageverpflichtung zur Übertragung aller Anteile an der X-AG auf die Klägerin verpflichtete. Zum Vermögen der X-AG gehörten zu diesem Zeitpunkt zahlreiche Grundstücke sowie 100 %ige Beteiligungen an Gesellschaften mit Grundbesitz. Der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt -- FA --) sah in der Verpflichtung zur Übertragung aller Anteile der X-AG auf die Klägerin einen nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 Grunderwerbsteuergesetz 1983 (GrEStG 1983) unterliegenden Vorgang und stellte dementsprechend mit Bescheid vom 6. Februar 1996 der Klägerin gegenüber gemäß § 17 GrEStG 1983 die Besteuerungsgrundlagen für diesen Erwerbsvorgang gesondert fest. Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Sprungklage erhoben, der das FA zustimmte. Mit der Klage begehrt sie die ersatzlose Aufhebung des Feststellungsbescheids.

Nach erfolglosem Antrag auf Vollziehungsaussetzung beim FA hat die Klägerin beim Finanzgericht (FG) Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids gestellt. Dessen Rechtmäßigkeit sei ernstlich zweifelhaft, weil die Anteile an der X-AG die Herrschaftsmacht der Stiftung nicht verlassen hätten.

Das FG hat dem Antrag stattgegeben und die Vollziehung des Bescheids vom 6. Februar 1996 mit Beschluß vom 9. September 1996 ausgesetzt.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde des FA.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Abweisung des Antrags der Klägerin auf Aussetzung der Vollziehung des Feststellungsbescheids.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Feststellungsbescheids, die nach § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigten, bestehen entgegen der Auffassung des FG nicht.

Durch die im Zuge der Kapitalerhöhung und Übernahme der neuen Stammeinlage eingegangene Verpflichtung der Stiftung, alle Anteile an der X-AG auf die Klägerin zu übertragen, ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG 1983 erfüllt worden. Nach dieser Vorschrift unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung aller Anteile einer Gesellschaft begründet, wenn zum Vermögen der Gesellschaft, deren Anteile betroffen sind, ein inländisches Grundstück gehört. Gegenstand der Besteuerung ist dabei nicht der Erwerb der Anteile als solcher, sondern die durch ihn begründete eigenständige Zuordnung der der Gesellschaft gehörenden Grundstücke (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 12. Januar 1994 II R 130/91, BFHE 173, 229, BStBl II 1994, 408). § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG 1983 behandelt denjenigen, der infolge des Erfüllungsgeschäfts Alleingesellschafter einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft werden würde so, als gehörten ihm diejenigen Grundstücke, die dieser Gesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen sind (vgl. Senatsurteil vom 20. Oktober 1993 II R 116/90, BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121, m. w. N.).

Das FG ist bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, aus den Senatsentscheidungen in BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121, und in BFHE 173, 229, BStBl II 1994, 498 könne (möglicherweise) geschlossen werden, daß im Fall des Übergangs aller Anteile an einer grundstücksbesitzenden Gesellschaft auf eine vom Anteilsveräußerer zu 100 v. H. beherrschte Kapitalgesellschaft der Umstand, daß die Anteile an der Gesellschaft mit Grundbesitz zugleich mittelbar in der Hand des bisherigen Alleingesellschafters vereinigt bleiben, der Besteuerung entgegenstehe. Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das FG hat dabei verkannt, daß das auf die Übertragung aller Anteile an der X-AG abzielende Verpflichtungsgeschäft zur erstmaligen Zuordnung dieser Anteile und damit der der X- AG gehörenden bzw. grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnenden Grundstücke zum Vermögen der Klägerin führt. In den vom FG angeführten Senatsentscheidungen hatte der Senat nur die Konsequenz daraus gezogen, daß infolge der spezifischen grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung der zu 100 v. H. beherrschten Hand auf den Alleingesellschafter bei diesem, dem die übrigen Anteile gehörten, bereits eine teils unmittelbare, teils mittelbare Anteilsvereinigung eingetreten war (vgl. dazu Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 11. Juni 1975 II R 38/69, BFHE 116, 406, BStBl II 1975, 834; und vom 30. März 1988 II R 76/87, BFHE 153, 63, BStBl II 1988, 550), die durch die zivilrechtliche Übertragung der Anteile von der beherrschten Hand auf den Alleingesellschafter nur eine Verstärkung fand.

 

Fundstellen

Haufe-Index 421963

BFH/NV 1997, 440

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