Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung des Klageverfahrens gegen ESt-Bescheid 1991 bei vortragsfähigen Verlusten aus früheren Jahren

 

Leitsatz (NV)

Das FG muß das gegen den ESt-Bescheid 1991 gerichtete Klageverfahren bis zum rechtskräftigen Abschluß des in §10 d Abs. 3 EStG erstmals zum 31. 12 1990 vorgesehenen Feststellungsverfahrens aussetzen, wenn vortragsfähige Verluste aus früheren Jahren geltend gemacht werden.

 

Normenkette

EStG 1990 § 10d Abs. 3, § 52 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 74

 

Verfahrensgang

Hessisches FG

 

Gründe

Die Beschwerde ist begründet.

Die Revision war wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen (§115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).

1. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist von der materiell-rechtlichen Auffassung des Finanzgerichts (FG) auszugehen (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., §115 Anm. 24, m. w. N.). Nach dieser war der von den Klägern begehrte Verlust aus der Bürgschaftsverpflichtung nicht im Streitjahr 1991, sondern bereits 1988 zu berücksichtigen und -- soweit er dort und in den Folgejahren nicht ausgeglichen werden konnte -- wie Sonderausgaben bei der Einkommensteuerveranlagung 1991 vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen (verbleibender Verlustabzug, §10 d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes -- EStG --). Das FG hat auf dieser Grundlage einen vortragsfähigen und bisher nicht ausgeglichenen verbleibenden Verlustvortrag aus dem Jahr 1988 berücksichtigt.

Mit dieser Entscheidung hat das FG gegen Verfahrensrecht verstoßen. Denn es hat mit der Ermittlung des verbleibenden Verlustabzugs zum 31. Dezember 1990 eine Besteuerungsgrundlage festgestellt, deren Feststellung einem gesonderten und die abziehbaren Verluste früherer Jahre einbeziehenden Grundlagenbescheid vorbehalten ist (§§10 d Abs. 3 Satz 1, 52 Abs. 1 EStG 1990 und dazu Beschlüsse des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 5. April 1995 I B 126/94, BFHE 177, 231, BStBl II 1995, 496, und vom 31. Juli 1996 XI R 4/96, BFH/NV 1997, 180, m. w. N.). Diese Feststellung hätte es nicht treffen dürfen; es hätte vielmehr das Verfahren bis zum rechtskräftigen Abschluß des in §10 d Abs. 3 EStG vorgesehenen Feststellungsverfahrens aussetzen müssen (entsprechend §74 FGO, vgl. dazu etwa BFH-Urteil vom 12. November 1985 IX R 85/82, BFHE 145, 308, BStBl II 1986, 239 für gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung, und -- zur Anwendung der allgemein für Grundlagen- und Folgebescheide geltenden Verfahrensgrundsätze im Rahmen des §10 d Abs. 3 EStG -- von Groll in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, §10 d Rdnrn. D 80 f., m. w. N., und Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 16. Aufl., §10 d Rz. 25 f.). Trifft es statt dessen eine Sachentscheidung, liegt ein Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens vor (vgl. u. a. BFH-Beschluß vom 9. Oktober 1991 II B 56/91, BFHE 165, 185, BStBl II 1991, 930, und Gräber/Ruban, a. a. O., §118 Rz. 50, m. w. N.). Einen Ermessensspielraum hat das FG hier nicht.

2. Das Urteil kann auch auf diesem Mangel beruhen. Eine Prüfung der Erheblichkeit des Verfahrensmangels ist bei einem Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens nicht erforderlich (so wohl auch Gräber/Ruban, a. a. O., §115 Rz. 34; Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., §115 Rz. 73). Ebensowenig kommt eine entsprechende Anwendung des §126 Abs. 4 FGO in Betracht; das Urteil ist im Revisionsverfahren ohne weitere Prüfung von Amts wegen aufzuheben (ständige Rechtsprechung, vgl. dazu die Nachweise bei Gräber/Ruban, a. a. O., §118 Rz. 50). Der Vortrag der Kläger, daß die Verlustrücktrags- und Verlustvortragsmöglichkeiten in den Jahren 1986 bis 1990 bereits voll ausgeschöpft worden seien, ist im Rahmen der gesonderten Verlustfeststellung zum 31. Dezember 1990 zu überprüfen.

Einer weiteren Begründung bedarf der Beschluß nicht (Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).

 

Fundstellen

Haufe-Index 67308

BFH/NV 1998, 997

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