Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine offensichtliche Verfassungswidrigkeit der Gebührenregelung in § 339 Abs. 3 AO a.F.

 

Leitsatz (NV)

1. Die Regelung in § 339 Abs. 3 a.F. AO, nach der sich die Höhe der Pfändungsgebühren nach der jeweiligen Summe der zu vollstreckenden Beträge richtete, kann nicht als offensichtlich verfassungswidrig angesehen werden.

2. Allein die durch das Richtlinien-Umsetzungsgesetz vom 9. Dezember 2004 herbeigeführte erhebliche Senkung der Gebühr führt noch nicht zur offensichtlichen Verfassungswidrigkeit der alten Rechtslage.

 

Normenkette

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 Sätze 1, 3; AO § 339

 

Verfahrensgang

FG Köln (Urteil vom 16.01.2008; Aktenzeichen 3 K 6438/04)

 

Tatbestand

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb ein Lottodienstleistungsunternehmen. Wegen rückständiger Lotteriesteuern und steuerlicher Nebenleistungen erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zwei Pfändungs- und Einziehungsverfügungen in bei verschiedenen Banken unterhaltene Konten der Klägerin. Für diese Vollstreckungsmaßnahmen ermittelte das FA die Pfändungsgebühren nach § 339 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung in Höhe von 85 755 € und 88 140 €. Einspruch und Klage gegen die Höhe der Pfändungsgebühren blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht urteilte, die Gebührenfestsetzung sei nicht zu beanstanden, da sie der im Zeitpunkt der Pfändung geltenden Rechtslage entsprochen habe. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin habe der Gesetzgeber mit der neuen Gebührenregelung, nach der die Gebühr nur noch 20 € betrage, keinen verfassungswidrigen Zustand beseitigen wollen. Eine verfassungskonforme Auslegung des § 339 AO a.F. komme nicht in Betracht.

Mit ihrer Beschwerde begehrt die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Es sei die Rechtsfrage zu klären, ob § 339 AO a.F. --orientiert an der Parallelvorschrift im Gerichtsvollzieherkostengesetz (GvKostG)-- der verfassungskonformen Auslegung bedürfe. Die offensichtliche Diskrepanz der Höhe der Pfändungsgebühren vor und nach der 2004 erfolgten Rechtsänderung lasse die Verfassungskonformität der früheren Regelung zweifelhaft erscheinen. Die unterschiedliche Festlegung der Gebührenhöhe nach § 339 AO a.F. und dem GvKostG stelle eine den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verletzende Ungleichbehandlung dar.

Das FA ist der Beschwerde entgegengetreten.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat die grundsätzliche Bedeutung der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderlichen Weise dargelegt.

1. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 1 und 3 FGO zu fordernde Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss der Beschwerdeführer konkret auf eine Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Er muss zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Erforderlich ist darüber hinaus ein konkreter und substantiierter Vortrag aus dem ersichtlich wird, warum im Einzelnen die Klärung der aufgeworfenen Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Dabei muss es sich um eine für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln, die klärungsbedürftig und im konkreten Streitfall auch klärungsfähig ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 27. Oktober 2003 VII B 196/03, BFH/NV 2004, 232, und vom 2. Dezember 2002 VII B 203/02, BFH/NV 2003, 527, m.w.N.).

Die bloße Behauptung, eine Norm sei verfassungswidrig, kann nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung führen, sofern diese nicht offenkundig ist (Beschluss des Bundesfinanzhofs--BFH-- vom 21. Februar 2002 XI B 39/01, BFH/NV 2002, 1035, m.w.N.). Wird die Verfassungswidrigkeit einer Norm geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift den behaupteten Verfassungsverstoß im Einzelnen darlegen. Erforderlich ist hierzu eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes sowie der dazu ergangenen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) orientierte rechtliche Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Erkenntnis (BFH-Beschlüsse vom 26. September 2002 VII B 270/01, BFH/NV 2003, 480, und vom 3. April 2001 VI B 224/99, BFH/NV 2001, 1138).

2. Diesen Anforderungen wird die Beschwerde nicht gerecht. Nach Auffassung des Senats kann von einer offensichtlichen Verfassungswidrigkeit der alten Gebührenregelung nicht ausgegangen werden. Die Höhe der Pfändungsgebühren war bis zum 31. Dezember 2004 in § 339 AO a.F. festgelegt. Nach § 339 Abs. 3 AO a.F. bemaß sich die Gebühr nach der Summe der zu vollstreckenden Beträge. Die Höhe richtete sich nach der dem Gesetz als Anlage beigefügten Gebührentabelle. Der Beschwerde ist nicht zu entnehmen, dass diese klare und eindeutige Regelung während ihrer Geltungsdauer aus verfassungsrechtlichen Gründen in der Literatur oder Rechtsprechung in Frage gestellt worden ist, obwohl es auf der Hand liegt, dass die Gebühr bei entsprechend hohen Steuerforderungen ein nicht unerhebliches Ausmaß erreichen konnte. Allein der Umstand, dass der Gesetzgeber die Gebühr durch das Richtlinien-Umsetzungsgesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3310, 3322) an das GvKostG angepasst und dadurch drastisch gesenkt hat, führt noch nicht zur offensichtlichen Verfassungswidrigkeit der alten Rechtslage.

Die Beschwerde behauptet eine Verfassungswidrigkeit der beanstandeten Norm allein wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Diese Behauptung wird lediglich mit der Diskrepanz der Gebührenhöhe vor und nach der Rechtsänderung belegt, ohne dass dargelegt wird, dass bei einer Steuerforderung von über 17 Mio. € eine Pfändungsgebühr in Höhe von ca. 86 000 € mit der Verfassung nicht mehr zu vereinbaren sei. Entgegen den zuvor dargestellten Anforderungen an eine Darlegung der Verfassungswidrigkeit einer Norm lassen die Ausführungen auch jegliche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Reichweite und bereichsspezifischen Anwendung des Gleichheitssatzes und zum Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Festlegung der Höhe von Gebühren oder Abgaben vermissen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es sich um ausgelaufenes Recht handelt und mit Streitigkeiten über die nach § 339 AO a.F. ermittelten Gebühren in einer Vielzahl von Fällen kaum zu rechnen sein dürfte. In diesem Punkt erschöpft sich die Beschwerde in der bloßen Behauptung, dass sich die aufgeworfene Rechtsfrage auch in Zukunft noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis stellen werde.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2131463

BFH/NV 2009, 707

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