Entscheidungsstichwort (Thema)

Anschaffungsnaher Herstellungsaufwand nicht nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbar

 

Leitsatz (NV)

Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, daß erhebliche Instandsetzungs- und Modernisierungskosten unter bestimmten Voraussetzungen zu den Herstellungskosten des Gebäudes gehören und daher nicht als Vorkosten nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbar sind.

 

Normenkette

EStG § 10e Abs. 6

 

Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches FG

 

Tatbestand

Die Kläger, Antragsteller und Beschwerdegegner (Kläger) sind Eheleute und wurden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger erwarb durch Vertrag vom 6. Oktober 1986 ein Grundstück mit einem im Jahr 1959 errichteten Einfamilienhaus zum Kaufpreis von . . . DM. Von den Anschaffungskosten in Höhe von . . . DM entfielen . . . DM auf den Grund und Boden. Das Grundstück wurde den Klägern am 1. Dezember 1986 übergeben. Ab 2. Februar 1987 nutzten die Kläger das Einfamilienhaus zu eigenen Wohnzwecken. Für den Veranlagungszeitraum 1986 nahm der Kläger erhöhte Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 10 000 DM in Anspruch.

Im Zeitraum Januar bis Oktober 1987 ließ der Kläger umfangreiche Umbau-, Renovierungs-, Modernisierungs- und Instandhaltungsarbeiten durchführen. Unter anderem wurden im Dachgeschoß die Räume neu ,,geschnitten", ein neues Bad installiert und ein neues Fenster eingebaut. Im ganzen Haus wurde die Elektroanlage erneuert und zum Teil erweitert. Die Fußbodenbeläge wurden renoviert und umfangreiche Malerarbeiten vorgenommen.

Die hierfür aufgewendeten Kosten machte der Kläger neben Grundbuchkosten und Schuldzinsen in der Einkommensteuererklärung 1987 (Anlage FW - Förderung des Wohneigentums -) als ,,Werbungskosten vor Selbstnutzung" geltend. Ferner beantragte er, die den erhöhten Absetzungen entsprechenden Beträge in Höhe von 10 000 DM wie Sonderausgaben abzuziehen.

Der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) war der Auffassung, die Renovierungskosten seien nur abziehbar, soweit es sich um Erhaltungsaufwand handle. Da die geltendgemachten Aufwendungen 20 v. H. der Anschaffungskosten des Gebäudes überstiegen, sei im Streitfall anschaffungsnaher Herstellungsaufwand anzunehmen. Zu berücksichtigen seien daher nur die einzelnen Maßnahmen, die . . . DM nicht überstiegen. Insgesamt ließ das FA im Einkommensteuerbescheid 1987 ,,als Steuerbegünstigung für die selbstgenutzte Wohnung" 20 000 DM zum Abzug zu.

Mit dem Einspruch brachten die Kläger vor, auch nach der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum anschaffungsnahen Herstellungsaufwand seien zumindest die Aufwendungen für die Elektroinstallation, die Malerarbeiten, die Wand- und Bodenfliesen, die Badinstallation sowie die Modernisierung der Heizung und der Wasserleitung als Erhaltungsaufwand zu beurteilen.

In der Einspruchentscheidung ließ das FA, nachdem es zuvor auf die Verböserung hingewiesen hatte, auch die bisher anerkannten Aufwendungen nicht zum Abzug zu, weil sie wegen des sachlichen und räumlichen Zusammenhangs der Maßnahmen nicht getrennt werden könnten. Es berücksichtigte dementsprechend nur noch die geltend gemachten Schuldzinsen und Grundbuchkosten sowie den der erhöhten Absetzung entsprechenden Betrag.

Mit der Klage beantragten die Kläger, nurmehr die Beträge aus folgenden Rechnungen als nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbaren Erhaltungsaufwand zu behandeln:

Rechnung vom 30. Januar 1987 (Elektroinstallation) ... DM

Rechnung vom 16. Oktober 1987, 80 v. H. des Rechnungsbetrages (Malerarbeiten) ... DM

Rechnung vom 29. Januar 1987 (Wand- und Bodenfliesen) ... DM

Rechnung vom 10. April 1987 (Isolierung der Hauptversorgungsleitungen) ... DM

Rechnung vom 13. Mai 1987 20 v. H. des Rechnungsbetrages (Reparatur von

Bad, Heizung und Wasserleitung) ... DM

... DM

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Das Urteil ist auszugsweise in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1991, 386 veröffentlicht. Auf den Antrag der Kläger hob das FG außerdem die Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids auf; soweit die vom FA geforderte Einkommensteuer noch nicht bezahlt war, setzte es die Vollziehung aus.

Zur Begründung des Aussetzungs- / Aufhebungsbeschlusses führte das FG aus: An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids i. d. F. der Einspruchsentscheidung bestünden ernstliche Zweifel, weil das FA zu Unrecht die streitigen Aufwendungen den Herstellungskosten zugerechnet habe. Die diesen Aufwendungen zugrundeliegenden Maßnahmen veränderten weder die Wesensart des Gebäudes noch erhöhten sie erkennbar den Nutzungswert noch ließen sie darauf schließen, daß die Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes dadurch verlängert werde. Sie seien vielmehr ausgeführt worden, um Abnutzungserscheinungen zu beseitigen und das Gebäude in seinem Zustand zu erhalten. Zu Unrecht berufe sich das FA auf die Rechtsprechung des BFH zum anschaffungsnahen Herstellungsaufwand, die in der Literatur und bei den Finanzgerichten auf Kritik gestoßen sei. Der Senat halte diese Kritik für berechtigt und habe sich ihr bereits im Urteil vom 11. September 1990 III 676/89 (EFG 1991, 70) im Ergebnis angeschlossen. Die Abziehbarkeit der streitigen Aufwendungen nach § 10 e Abs. 6 EStG könne auch nicht aus anderen Gründen abgelehnt werden. Nicht zu folgen sei der in der Literatur vereinzelt vertretenen Meinung, nach der Erhaltungsaufwendungen nicht das Tatbestandsmerkmal des unmittelbaren Zusammenhangs mit der Herstellung oder Anschaffung des Gebäudes erfüllten. Ausreichend sei ein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang. Erhaltungsaufwendungen, die sofort nach der Anschaffung vorgenommen würden, hingen daher unmittelbar mit der Anschaffung zusammen. Dies ergebe sich auch aus § 10 f EStG. Danach könne der Steuerpflichtige unter bestimmten Voraussetzungen Erhaltungsaufwendungen wie Sonderausgaben abziehen, sofern er sie nicht nach § 10 e Abs. 6 EStG abgezogen habe. Daraus folge, daß der Gesetzgeber Erhaltungsaufwendungen im Grundsatz zu den abziehbaren Vorkosten i. S. des § 10 e Abs. 6 EStG rechne.

Die Kläger sind der Auffassung, die streitigen Aufwendungen seien auch dann als Erhaltungsaufwand zu beurteilen, wenn man der Rechtsprechung des BFH zum anschaffungsnahen Herstellungsaufwand folge; denn sie könnten von den Herstellungsaufwendungen für das Dachgeschoß getrennt werden. Der zeitliche Zusammenhang der Aufwendungen stehe der Trennung nicht entgegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Ablehnung des Antrags auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids, die eine Aufhebung und Aussetzung seiner Vollziehung rechtfertigten (§ 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), liegen nicht vor.

1. Für die Entscheidung über die Aufhebung / Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1987 kann offenbleiben, ob § 10 e Abs. 6 EStG überhaupt anwendbar ist, wenn das Gebäude, für das die Vorkosten aufgewendet worden sind, - wie im Streitfall - schon im Veranlagungszeitraum 1986 angeschafft worden ist (zum Streitstand vgl. Schmidt / Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl., § 10 e Anm. 4 b, und Meyer in Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 10 e EStG Rz. 6 jeweils m. w. N.). Ebensowenig braucht der Senat darauf einzugehen, ob Erhaltungsaufwendungen - wie das FG angenommen hat -, unmittelbar mit der Herstellung oder Anschaffung eines Gebäudes zusammenhängen können. Nicht erforderlich ist auch eine Prüfung, ob die von den Klägern geltend gemachten Aufwendungen sämtlich vor dem Beginn der erstmaligen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ab 2. Februar 1987 entstanden sind; dies ist bei den Beträgen aus den Rechnungen vom 10. April 1987, vom 13. Mai 1987 und vom 16. Oktober 1987 zumindest zweifelhaft. Die streitigen Aufwendungen sind jedenfalls vom Abzug als Vorkosten ausgeschlossen, weil es sich um Herstellungskosten handelt.

2. Vor der erstmaligen Nutzung einer Wohnung zu eigenen Wohnzwecken entstandene Aufwendungen sind nur dann nach § 10 e Abs. 6 EStG abziehbar, wenn sie nicht zu den Herstellungskosten oder Anschaffungskosten der Wohnung oder zu den Anschaffungskosten des Grund und Bodens gehören. Da § 10 e EStG die Herstellungs- und Anschaffungskosten nicht definiert, ist grundsätzlich vom allgemeinen Begriff der Herstellungs- und Anschaffungskosten des Einkommensteuerrechts auszugehen. Denn Begriffe, die der Gesetzgeber in einem Gesetz mehrfach verwendet, sind in der Regel im gleichen Sinn gemeint und somit einheitlich auszulegen. Es gelten im Rahmen des § 10 e EStG daher auch die von der Rechtsprechung des BFH entwickelten Grundsätze über den sog. anschaffungsnahen Herstellungsaufwand.

Entgegen der Auffassung des FG ist die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 1987 nicht ernstlich zweifelhaft, weil das FA seine Entscheidung auf diese Grundsätze gestützt hat. Der BFH hat in zahlreichen neueren Entscheidungen an diesen Grundsätzen festgehalten (z. B. Urteil vom 11. August 1989 IX R 44/86, BFHE 158, 240, BStBl II 1990, 53, sowie Beschlüsse vom 23. November 1989 IX B 56/88, BFH/NV 1990, 573, und vom 12. Juni 1990 IX B 293/89, BFH/NV 1991, 87). Die Angriffe des FG gegen diese Rechtsprechung in seinem Urteil in EFG 1991, 70 hat der BFH durch Urteil vom 29. Oktober 1991 IX R 117/90 (BFHE 166, 203, BStBl II 1992, 285) zurückgewiesen. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.

Zu Unrecht nehmen die Kläger an, die Aufwendungen seien auch auf der Grundlage der Rechtsprechung zum anschaffungsnahen Herstellungsaufwand als Erhaltungsaufwendungen zu beurteilen. Aufwendungen für die umfassende Renovierung und Modernisierung eines Gebäudes sind nicht in Erhaltungs- und Herstellungsaufwand aufteilbar, wenn die einzelnen Maßnahmen in engem räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zueinander stehen. Sie sind vielmehr einkommensteuerrechtlich als Herstellungsaufwand zu beurteilen, weil sie insgesamt darauf gerichtet sind, den erworbenen Vermögensgegenstand in den vom Steuerpflichtigen angestrebten Zustand zu versetzen und dadurch wesentlich zu verbessern (BFH-Urteil vom 30. Juli 1991 IX R 67/90, BFHE 165, 250, BStBl II 1992, 28; vgl. außerdem BFH-Beschluß vom 21. Juni 1990 IV R 99/89, BFH/NV 1991, 154). Die von den Klägern für ihre Auffassung herangezogene Entscheidung des FG Hamburg in EFG 1990, 571 hat der BFH durch das o. g. Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418158

BFH/NV 1992, 379

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