Entscheidungsstichwort (Thema)

Anhörungsrüge; Umlagezahlung zur Zusatzversorgung

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt nur dann vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des Falles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat. Mit dem Vorbringen, das Gericht habe in der Sache falsch entschieden, kann die Klägerin im Rahmen des § 133a FGO nicht gehört werden.

2. Eine unzureichende Auseinandersetzung mit der Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes kann mit dem Verfahrensgrundrecht des rechtlichen Gehörs nicht gerügt werden.

 

Normenkette

FGO § 133a; GG Art. 103 Abs. 1

 

Tatbestand

I. Mit Urteil vom 7. Mai 2009 VI R 8/07 (BFHE 225, 68, BFH/NV 2009, 1504) hat der angerufene Senat auf die Revision des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt) das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 11. Januar 2007 11 K 307/06 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Rügeführerin (Klägerin) wendet sich gegen das ihr am 14. Juli 2009 zugegangene Urteil mit der Anhörungsrüge. Der entsprechende Schriftsatz ist am 28. Juli 2009 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Anhörungsrüge ist unbegründet und deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 133a Abs. 4 Sätze 2, 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs wurde im Revisionsverfahren nicht verletzt.

1. Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gewährleistet den Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens das Recht, vor Gericht Anträge zu stellen und Ausführungen zu machen. Dem entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen, sofern das Vorbringen nicht nach den Prozessvorschriften ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 30. April 2009 VI S 8/09, nicht veröffentlicht).

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass das Gericht das Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat, wenngleich es nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet ist, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen. Der Umstand allein, dass sich die Entscheidungsgründe mit einem bestimmten Gesichtspunkt nicht ausdrücklich auseinandersetzen, rechtfertigt grundsätzlich nicht die Annahme, das Gericht habe den Gesichtspunkt unter Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör übergangen. Dieses Recht wird auch nicht dadurch verletzt, dass das Gericht der Rechtsansicht eines Beteiligten nicht folgt. Denn die Anhörungsrüge dient nicht dazu, die angegriffene Entscheidung in der Sache in vollem Umfang nochmals zu überprüfen. Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör liegt daher nur dann vor, wenn sich aus den besonderen Umständen des einzelnen Falles deutlich ergibt, dass das Gericht ein tatsächliches Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 26. März 2007 II S 1/07, BFH/NV 2007, 1094, m.w.N.; vom 30. August 2007 IX S 6/07, BFH/NV 2007, 2324).

2. Nach diesen Grundsätzen liegen im Streitfall keine Anhaltspunkte für eine Gehörsverletzung vor. Der Senat hat in seinem Urteil vom 7. Mai 2009 die von der Klägerin vorgebrachten Einwendungen umfassend geprüft. Im Kern richten sich die Ausführungen der Klägerin indessen gegen die Rechtsauffassung des Senats im Urteil vom 7. Mai 2009. Sie enthalten den Vorwurf, der Senat habe in der Sache fehlerhaft entschieden. Mit diesem Vorbringen kann die Klägerin aber im Rahmen des § 133a FGO --wie dargelegt-- nicht gehört werden.

a) So beinhaltet das Vorbringen, der erkennende Senat habe die tarifvertraglich gegebene Garantie der späteren Leistung verkannt, die Auffassung der Klägerin von der materiell-rechtlich unzutreffenden Beurteilung dieses vermeintlich bedeutsamen Aspekts durch den Senat, lässt aber nicht erkennen, welches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen worden ist. Im Übrigen hat der Senat diesen Aspekt auch ersichtlich bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Denn er hat in seinem Urteil unter II. 2. b der Gründe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die tarifvertragliche Verpflichtung zur Zusatzversorgung den Beiträgen nicht den Entlohnungscharakter nimmt. Auch ohne diesen direkten Hinweis hätte sich dieses Ergebnis aber bereits aus der grundlegenden Annahme des Senats ergeben, dass die gegenwärtige Umlagezahlung und die damit finanzierte spätere Versicherungsleistung getrennt zu betrachten sind. Insofern ist nach Auffassung des erkennenden Senats für den Zufluss von Arbeitslohn unerheblich, inwieweit die vom Arbeitnehmer erwarteten Versorgungsleistungen tatsächlich erbracht werden oder inwieweit die Umlagen auch aktuelle Versorgungslasten abdecken.

Entsprechendes gilt für den Einwand der Klägerin, der Senat habe die eklatante wertmäßige Diskrepanz zwischen der Höhe der Umlagezahlungen und dem feststehenden Leistungszuwachs nicht berücksichtigt. Denn der Senat hat unter II. 2. a der Gründe ausdrücklich betont, dass die Ansprüche der Arbeitnehmer nicht in einem Sinne wertlos waren, dass nicht mehr von Arbeitslohn ausgegangen werden kann.

Nichts anderes gilt auch für den Einwand, der Senat habe unberücksichtigt gelassen, dass wesentliche Umlageteile von vornherein eigenbetrieblichen Interessen des Arbeitgebers gedient hätten. Denn der Senat hat in seinem Urteil unter II. 1. c der Gründe die Rechtsprechung zu den sog. Gegenwertzahlungen umfassend dargestellt und dieses Vorbringen der Klägerin damit ersichtlich bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Unter II. 2. b der Entscheidungsgründe wird zudem ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Gründe, die den Senat bislang dazu bewogen haben, Gegenwertzahlungen des Arbeitgebers als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen anzusehen, nicht auf reguläre Umlagezahlungen an die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder übertragen werden können.

b) Von einer materiell-rechtlich unzutreffenden Beurteilung geht die Klägerin auch aus, wenn sie den Vergleich zur steuerlichen Behandlung einer bloßen Versorgungszusage zieht. Es ist nicht zu erkennen, welches Vorbringen damit nicht zur Kenntnis genommen worden ist. Der Senat betont vielmehr im Urteil unter II. 1. a und b der Gründe ausdrücklich, dass der Arbeitnehmer einen eigenen Rechtsanspruch gegen den Versicherer bzw. die Versorgungseinrichtung erlangen muss, damit von einem Zufluss von Arbeitslohn ausgegangen werden kann. Damit hat der Senat ersichtlich eine Abgrenzung zur steuerlichen Behandlung der bloßen Versorgungszusage vorgenommen.

c) Soweit vorgetragen wird, dass positiv-rechtlich ausschließlich die Solidargemeinschaft der Arbeitgeber und nicht --wie im Urteil des Senats angenommen-- die einzelnen Arbeitnehmer die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes finanzieren, bringt die Klägerin ebenfalls materiell-rechtliche Einwendungen, aber keinen Gehörsverstoß vor. Der Senat hat überdies unter II. 1. a der Entscheidungsgründe grundlegend darauf abgestellt, dass sich der Vorgang bei wirtschaftlicher Betrachtung so darstellt, als ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Mittel zur Verfügung gestellt und der Arbeitnehmer sie zum Zweck seiner Zukunftssicherung verwendet hat.

d) Auch das Vorbringen der Klägerin, der Senat habe den Unterschied zwischen Finanzierungssystem und Durchführungswegen verkannt und sich mit den daraus ergebenden unterschiedlichen Konsequenzen nicht auseinandergesetzt, begründet keine Gehörsrüge. Denn der Senat hat unter II. 3. b der Entscheidungsgründe ausdrücklich darauf abgestellt, dass sich der Gesetzgeber innerhalb   eines   bestimmten Durchführungswegs für eine vor- oder nachgelagerte Besteuerung entscheiden kann. Damit wurde das Vorbringen berücksichtigt und sachgerecht zwischen Durchführungsweg und Finanzierungssystem differenziert.

e) Schließlich kann die Klägerin auch nicht damit gehört werden, dass der Senat sich nur unzureichend mit der Verletzung des Gleichheitssatzes auseinandergesetzt hat. Das Verfahrensgrundrecht des rechtlichen Gehörs ist von diesem Vorbringen nicht erfasst (vgl. auch BFH-Beschluss vom 11. März 2009 VI S 10/08, BFH/NV 2009, 1129).

3. Für diese Entscheidung wird eine Gebühr von 50 € erhoben (vgl. Anlage 1 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz).

 

Fundstellen

Haufe-Index 2270942

BFH/NV 2010, 226

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