Entscheidungsstichwort (Thema)

Prozeßkostenhilfe; Vorlage der Erklärung über persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse erst im Beschwerdeverfahren

 

Leitsatz (NV)

Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe kann nicht zum Erfolg führen, wenn die bereits im Zeitpunkt der Antragstellung erforderliche Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers im Beschwerdeverfahren nachgeholt wird.

 

Normenkette

FGO §§ 142, 155; ZPO §§ 114, 117, 570

 

Tatbestand

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) beantragte beim Finanzgericht (FG) die Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für das Klageverfahren gegen den Bescheid und die Einspruchsentscheidung des beklagten Finanzamts (FA) wegen Haftung für Lohn- und Kirchensteuern für Februar/März 1987. Das FG lehnte den Antrag ab, weil die Antragstellerin trotz Aufforderung innerhalb der ihr vom FG gesetzten Frist keine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt habe. Dagegen legte die Antragstellerin Beschwerde ein, der sie die nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 117 Abs. 4 der Zivilprozeßordnung (ZPO) vorgeschriebene Erklärung beifügte.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Nach § 142 FGO i.V.m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dem Antrag auf Bewilligung von PKH sind eine Erklärung des Antragstellers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und entsprechende Belege beizufügen (§ 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 1 und 2 ZPO). Die Erklärung ist auf dem durch die Verordnung vom 24. November 1980 (BGBl I 1980, 2163) eingeführten amtlichen Vordruck abzugeben (§ 117 Abs. 3 und 4 ZPO).

2. Das FG hat im Streitfall den Antrag auf PKH zu Recht abgelehnt, weil die Antragstellerin die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse trotz besonderer Aufforderung nicht abgegeben hat.

Die Nachholung der Erklärung im Beschwerdeverfahren ändert an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung des FG nichts.

Im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung der PKH durch das FG ist der Senat zwar nicht darauf beschränkt, die Entscheidung der Vorinstanz auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen; vielmehr hat er das Begehren des Antragstellers erneut in jeder Hinsicht zu prüfen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Januar 1988 V B 106/87, BFH/NV 1990, 76 und Senatsbeschluß vom 15. September 1992 VII B 62/92, BFH/NV 1994, 149). Dabei ist grundsätzlich auch neues Vorbringen gemäß § 155 FGO i.V.m. § 570 ZPO zu berücksichtigen (vgl. Senatsbeschluß vom 18. Februar 1992 VII B 244/91, BFH/NV 1992, 691f.). Das kann im Verfahren wegen PKH aber nicht insoweit gelten, als mit dem neuen Vorbringen die gemäß § 142 FGO i.V.m. § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO und der Verordnung vom 24. November 1980 (BGBl I 1980, 2163) gesetzlich vorgeschriebene Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nachgeholt wird.

Die erst im Beschwerdeverfahren vorgelegte Erklärung der Antragstellerin ist verspätet, weil die Bewilligung der PKH grundsätzlich nur in die Zukunft wirkt; der Senat folgt darin der Auffassung des III.Senats des BFH (vgl. BFH-Beschlüsse vom 9. Januar 1992 III B 96/91, BFH/NV 1992, 834 m.w.N. und vom 27. November 1992 III B 80/92, BFH/NV 1993, 325). Eine Rückwirkung der Bewilligung auf den Zeitpunkt der Antragstellung wird ausnahmsweise nur dann zugelassen, wenn der Antragsteller einen formgerechten Antrag unter Beifügung aller erforderlichen Unterlagen gestellt hat. Ist dem Antrag auf Bewilligung von PKH die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht beigefügt worden, kann eine Rückwirkung der Bewilligung allenfalls auf den Zeitpunkt der Beseitigung dieses Antragsmangels in Betracht kommen. Dieser Zeitpunkt liegt im Streitfall erst im Beschwerdeverfahren, also nach der angegriffenen ablehnenden Entscheidung des FG. Die Frage der Bewilligung von PKH ab diesem Zeitpunkt war nicht Gegenstand der angegriffenen Entscheidung des FG. Sie kann daher auch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sein. Es bleibt der Antragstellerin allerdings unbenommen, erneut einen Antrag auf Bewilligung der PKH an das FG zu stellen, in dem sie die notwendigen Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH vollständig darlegt und die erforderlichen Unterlagen beifügt.

 

Fundstellen

Haufe-Index 419366

BFH/NV 1994, 257

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge