Entscheidungsstichwort (Thema)

Rüge der Verletzung des Rechts auf Gehör im NZB-Verfahren; Voraussetzungen der allgemeinen Sachaufklärungsrüge

 

Leitsatz (NV)

1. Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO sind erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, daß das Gericht seiner Pflicht zur Gewährung des rechtlichen Gehörs nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen.

2. Die Verletzung des Rechts auf Gehör stellt einen Verfahrensmangel dar, auf dessen Geltendmachung der Prozeßbeteiligte entsprechend § 295 ZPO verzichten kann. Die schlüssige Rüge eines dahingehenden Mangels erfordert daher, daß der Beschwerdeführer vorträgt, er habe den Mangel bei nächster sich bietender Gelegenheit vor dem FG gerügt oder weshalb eine solche Rüge nicht möglich gewesen sei.

3. Zu den Anforderungen an die allgemeine Sachaufklärungsrüge (§ 76 Abs. 1 FGO).

 

Normenkette

GG Art. 103 Abs. 1; FGO § 76 Abs. 1, § 96 Abs. 2; ZPO § 295

 

Verfahrensgang

FG Köln

 

Gründe

Die Beschwerde ist unzulässig, da ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.

1. Nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und § 96 Abs. 2 FGO haben die Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens ein Recht darauf, sich vor Erlaß der gerichtlichen Entscheidung zu dem zugrundeliegenden Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu äußern. Die Prozeßbeteiligten sind insbesondere befugt, Anträge zu stellen (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 119 Rdnr. 10, m.w.N.). Diesem Recht korrespondiert die Pflicht des Gerichts, Anträge und Ausführungen der Prozeßbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rdnr. 10, m.w.N.).

Art. 103 Abs. 1 GG und § 96 Abs. 2 FGO sind allerdings erst dann verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, daß das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Denn grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Gerichte das von ihnen entgegengenommene Parteivorbringen zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen (vgl. z.B. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 22. November 1983 2 BvR 399/81, BVerfGE 65, 293, 295, m.w.N.). Unter Beachtung dieser Grundsätze kann die Beschwerde keinen Erfolg haben. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat nicht (schlüssig) vorgetragen, daß das Finanzgericht (FG) ihr Vorbringen, insbesondere die gestellten Beweisanträge, nicht zur Kenntnis genommen und die Erhebung der angebotenen Beweise nicht erwogen habe. Für ein solches verfahrensfehlerhaftes Verhalten des Gerichts ergibt sich auch aus den Akten nicht der geringste Anhalt. Wie sich aus dem Beweisbeschluß vom 2. Mai 1991 ergibt, ist das Gericht vielmehr erkennbar davon ausgegangen, daß über die Frage, welche Räume in welchem Umfang bei der Berechnung der Gesamtwohnfläche des Hauses zu berücksichtigen waren, zwischen den Beteiligten Streit herrschte und der Sachverhalt insoweit der (weiteren) Aufklärung bedurfte. Wenn es das Gericht dabei für zweckmäßig erachtete, diese Aufklärung - statt durch Erhebung der von der Klägerin angebotenen Beweise - durch die Einholung des Gutachtens eines unabhängigen Sachverständigen zu betreiben, ist darin die Verletzung des Rechts auf Gehör nicht zu sehen. Soweit die Klägerin meint, die Erhebung des vom FG beschlossenen Beweises sei für die Aufklärung des streitigen Sachverhalts irrelevant gewesen und nur der Erhebung der von ihr beantragten Beweise komme eine Rechtserheblichkeit zu, liegt darin die Beanstandung eines materiell-rechtlichen Mangels der Vorentscheidung, der keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO bildet.

Eine Verletzung des Rechts der Klägerin auf Gehör kann auch nicht daraus hergeleitet werden, daß das FG die der Klägerin im Interesse der Durchführung der beschlossenen Beweiserhebung gewährte Frist in der Haupturlaubszeit setzte und zu knapp bemaß. Denn die Klägerin hat nicht vorgetragen, daß sie und/oder ihr Prozeßbevollmächtigter infolge nicht zu vertretender Umstände an der Wahrung dieser Frist gehindert gewesen seien.

Im übrigen handelt es sich bei der Verletzung des rechtlichen Gehörs um einen Verfahrensmangel, auf dessen Geltendmachung die Klägerin entsprechend § 295 der Zivilprozeßordnung (ZPO) verzichten konnte (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rdnr. 11 und 12, m.w.N.). Die schlüssige Rüge eines dahingehenden Mangels erfordert, daß der Beschwerdeführer vorträgt, daß er den Fehler bei nächster sich bietender Gelegenheit vor dem FG gerügt habe oder weshalb eine solche Rüge nicht möglich gewesen sei. Auch daran fehlt es im Streitfall.

2. Im Kern läuft die Rüge der Klägerin trotz ihrer anderweitigen Bezeichnung darauf hinaus, daß das FG die ihm gemäß § 76 FGO obliegende Sachaufklärungspflicht durch die Nichterhebung der angebotenen Beweise verletzt habe.

Die substantiierte Rüge eines solchen Mangels setzt u.a. voraus, daß der Beschwerdeführer die Beweisthemen und Beweismittel genau bezeichnet und exakt (unter Benennung der Seitenzahlen) angibt, in welchen Schriftsätzen (etc.) die Beweisantritte erfolgt seien. Da es sich auch hier um eine verzichtbare Rüge i.S. des § 295 ZPO handelt, muß der Beschwerdeführer außerdem angeben, daß er den Mangel vor dem FG gerügt habe bzw. aus welchen Gründen er am Vorbringen einer solchen Rüge gehindert gewesen sei (Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, 1986, Rdnr. 170, m.w.N.; Herrmann, Die Zulassung der Revision und die Nichtzulassungsbeschwerde im Steuerprozeß, 1986, Rdnr. 99, m.w.N.).

Im Streitfall fehlt es an sämtlichen genannten Erfordernissen.

3. Soweit die Klägerin schließlich ausführt, daß das FG die Wohnfläche falsch berechnet habe, handelt es sich um die Rüge eines materiell-rechtlichen Fehlers, die mit der Nichtzulassungsbeschwerde nicht geltend gemacht werden kann.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418527

BFH/NV 1993, 34

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