Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflichtung zur Abgabe einer Feststellungserklärung nach Aufforderung durch das FA

 

Leitsatz (NV)

1. Verpflichtet das Gesetz eine Person zur Abgabe einer Feststellungserklärung, kann das FA von dieser Person die Abgabe der Steuererklärung verlangen, und zwar unabhängig davon, ob auch andere Personen zur Abgabe der Erklärung verpflichtet sind oder sein könnten (Anschluß an Urteil vom 7. August 1990 IX R 114/89, BFHE 162, 197, BStBl II 1991, 19).

2. Zur Aussetzung der Vollziehung einer solchen Verpflichtung.

3. Gesonderte und einheitliche Feststellungen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung können nicht nur für sog. Bauherrenmodelle, sondern auch für Erwerbermodelle durchgeführt werden (Anschluß an Urteil vom 1. Dezember 1987 IX R 90/86 BFHE 152, 17, BStBl II 1988, 319).

 

Normenkette

AO 1977 § 180 Abs. 2, 2 V § 3 Abs. 1 Nr. 2; FGO § 69 Abs. 3

 

Tatbestand

Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) war Treuhänder der Erwerber von Eigentumswohnungen der Wohnanlage in . . ., A-Straße. Die im Jahre 1960 errichtete Wohnanlage wurde in Eigentumswohnungen aufgeteilt und ab 1984 verkauft. Die Kaufinteressenten schlossen mit dem Antragsteller gleichlautende, vorformulierte Geschäftsbesorgungsverträge. Darin wurde er beauftragt und bevollmächtigt, für die Erwerber eine Reihe ebenfalls vorformulierter Verträge abzuschließen, u. a. Kauf-, Darlehens-, Finanzierungsvermittlungs- und Mietbetreuungsverträge. Der Antragsteller als Treuhänder hatte den Zahlungsverkehr zu überwachen und dafür Sorge zu tragen, daß die steuerlichen Belange der Erwerber gewahrt blieben sowie nach Abschluß der Maßnahmen den Erwerbern eine Schlußabrechnung zu erteilen. Er war außerdem zur Vertretung der Erwerber im Feststellungs-, Außenprüfungs- und im gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren bevollmächtigt.

Mit Verfügung vom 14. September 1987 forderte der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt - FA -) den Antragsteller gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung i. d. F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 (AO 1977 n. F.) auf, die Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte für 1985 für das sog. Erwerbermodell abzugeben. Die Erklärung sollte den vertraglichen Gesamtaufwand und bei einheitlicher Finanzierung auch das Disagio enthalten. Diese Aufforderung wurde durch Schreiben vom 24. November 1987 präzisiert.

Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er geltend machte, die Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977 n. F. sei auf den Streitfall noch nicht anwendbar und die Aufforderung sei außerdem ermessenswidrig, blieb erfolglos. Die Anfechtungsklage ist noch beim Finanzgericht (FG) anhängig.

Dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 5. Dezember 1988 gab das FG mit dem angefochtenen Beschluß statt, weil ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Aufforderung bestünden. Es sei zweifelhaft, ob das FA bei der Aufforderung ein Auswahlermessen ausüben und begründen müsse. Neben dem Antragsteller als Treuhänder und den Steuerpflichtigen (Erwerber) kämen als Erklärungspflichtige noch andere Personen in Betracht. Die Aussetzung der Vollziehung sei außerdem geboten, weil in der sofortigen Vollziehung eine unbillige Härte liege. Der Antragsteller müsse mit erheblichem Aufwand vor der endgültigen Entscheidung des Rechtsstreits eine Feststellungserklärung abgeben, so daß für ihn ein ungünstiges Ergebnis vorweggenommen werden würde.

Dagegen richtet sich die vom FG zugelassene Beschwerde des FA, mit der es Verletzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977 n. F. rügt. Der Antragsteller sei als Treuhänder erklärungspflichtig. Bei Inanspruchnahme des Treuhänders und Geschäftsbesorgers sei eine Darstellung und Begründung des grundsätzlich bestehenden Auswahlermessens hinsichtlich der Aufforderung nicht erforderlich. Es liege auch keine unbillige Härte vor, weil der Antragsteller aufgrund der mit den Erwerbern und dem steuerlichen Berater abgeschlossenen Verträge in der Lage sei, sich die für die Abgabe der Feststellungserklärung erforderlichen Unterlagen zu beschaffen.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet. Es bestehen weder ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung, noch würde die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge haben (§ 69 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung bestehen nicht. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 7. August 1990 IX R 114/89 (BFHE 162, 197, BStBl II 1991, 119) entschieden, daß das FA von jeder nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977 n. F. erklärungspflichtigen Person die Abgabe einer Feststellungserklärung verlangen kann, und zwar unabhängig davon, ob auch eine andere oder mehrere andere Personen aufgrund derselben oder anderer Vorschriften ebenfalls zur Abgabe der Erklärung verpflichtet sind oder sein können. Das FA braucht weder ein Auswahlermessen auszuüben, noch es zu begründen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf dieses Urteil verwiesen. Der Senat hat außerdem im Urteil vom 17. August 1989 IX R 76/88 (BFHE 159, 398, BStBl II 1990, 411) ausgeführt, daß die für Bauherren- und Erwerbergemeinschaften handelnden Personen auch schon nach § 180 Abs. 2 AO 1977 i. d. F. vor Inkrafttreten des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 (AO 1977 a. F.) unter der Voraussetzung des § 58 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) i. V. m. § 34 Abs. 3 AO 1977 zur Abgabe von Feststellungserklärungen verpflichtet waren. Der Antragsteller gehört zu den erklärungspflichtigen Personen i. S. des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977 n. F., die nach dem Urteil des Senats vom 1. Dezember 1987 IX R 90/86 (BFHE 152, 17, BStBl II 1988, 319) in anhängigen Fällen rückwirkend anzuwenden ist. Der Antragsteller war bei dem Erwerb und der Betreuung der Wohnanlage . . . beteiligt. Er vertrat die Erwerber beim Abschluß der im Zusammenhang mit dem Erwerb stehenden Verträge.

Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel daran, daß der Verkauf der Eigentumswohnungen sich im Rahmen eines Gesamtobjekts i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977 n. F. vollzog. Die Erwerber, vertreten durch den Antragsteller als Treuhänder, stellten gleichartige Rechtsbeziehungen zu Dritten her, nämlich u. a. zu dem Verkäufer der Eigentumswohnungen, dem steuerlichen Berater und den Darlehensgebern. Wie der erkennende Senat in dem Urteil in BFHE 152, 17, BStBl II 1988, 319 entschieden hat, können gesonderte und einheitliche Feststellungen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht nur für sog. Bauherrenmodelle, sondern auch für Erwerbermodelle durchgeführt werden (für die Rechtslage nach § 180 Abs. 2 AO 1977 a. F. vgl. das Urteil in BFHE 159, 398, BStBl II 1990, 411).

Es ist für die Erklärungspflicht ferner ohne Bedeutung, daß die Anlage bereits 1960 fertiggestellt worden war und die Erwerber deshalb ,,gebrauchte" Eigentumswohnungen erwarben. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung zu § 180 Abs. 2 AO 1977 n. F. stellt auf den Erwerb von Wirtschaftsgütern ohne Rücksicht darauf ab, ob es sich um neue oder gebrauchte Wirtschaftsgüter handelt.

Auch der Umstand, daß der Antragsteller nach seinem Vortrag bestenfalls in wenigen Ausnahmefällen dem FA das hätte mitteilen können, was dem Wohnsitz-FA bereits bekannt gewesen sei, berechtigt ihn bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht, der Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung nicht Folge zu leisten. Der Antragsteller hatte den Erwerbern eine von ihm geprüfte oder erstellte Schlußabrechnung über die für das Vorhaben verwendeten Mittel zu erteilen. Aus ihr müßten sich alle vom FA geforderten Beträge ergeben. Sollte das nicht der Fall sein, ist ihm zuzumuten, die Unterlagen von den einzelnen Erwerbern zu beschaffen.

Die Verfügung vom 14. September 1987 war schließlich auch nicht deshalb rechtswidrig, weil sie dem Antragsteller aufgab, in der Erklärung den vertraglichen Gesamtaufwand auszuweisen. Der Begriff ,,vertraglicher Gesamtaufwand" ist bei summarischer Betrachtung für jemanden, der - wie der Antragsteller - mit den steuerlichen Besonderheiten auf dem Gebiet der Bauherren- und Erwerbermodelle vertraut ist, eindeutig. Er umfaßt alle Aufwendungen der Erwerber im Zusammenhang mit dem Kauf der Eigentumswohnung. Wenn der Antragsteller dennoch über den Umfang des in die Feststellungserklärung aufzunehmenden Gesamtaufwands Zweifel gehabt haben sollte, berechtigten ihn diese nicht, die Abgabe der Feststellungserklärung zu verweigern. Im übrigen hat das FA gerade zu diesem Begriff in seinem Schreiben vom 24. November 1987 eine Erläuterung gegeben.

2. Die Vollziehung der Aufforderung zur Abgabe der Feststellungserklärung bedeutet auch keine unbillige Härte i. S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO. Eine unbillige Härte im Sinn dieser Vorschrift liegt vor, wenn dem Antragsteller durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts wirtschaftliche Nachteile drohen, die nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind oder seine wirtschaftliche Existenz gefährden (Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 69 Anm. 106 m. w. N.). Der Antragsteller hat nicht dargelegt, daß ihm durch die Abgabe der Feststellungserklärung erhebliche wirtschaftliche Nachteile drohen.

Da an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Aufforderung keine ernstlichen Zweifel bestehen, kann in der Vollziehung der Aufforderung auch im übrigen keine unbillige Härte liegen (Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 19. April 1968 IV B 3/66, BFHE 92, 314, BStBl II 1968, 538).

 

Fundstellen

Haufe-Index 417827

BFH/NV 1991, 645

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