Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Identität zwischen errichtetem und geplantem Gebäude

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Investitionszulage nach § 4 b InvZulG 1975 kann nicht gewährt werden, wenn das tatsächlich errichtete Gebäude nicht mit dem identisch ist, das in dem innerhalb des Begünstigungszeitraums eingereichten Baugesuch ausgewiesen ist. Eine Identität ist zu verneinen, wenn das tatsächlich errichtete Gebäude gegenüber dem in dem rechtzeitigen Bauantrag ausgewiesenen Objekt Änderungen aufweist, die es in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen erfassen und es damit nachhaltig verändern. Die formale und kostenmäßige Behandlung der Planungsänderungen durch die Baubehörde ist unerheblich.

2. Die Frage, ob im Einzelfall aufgrund eines Vergleichs der Nutzflächen oder aufgrund anderer nachhaltiger Veränderungen keine Identität mehr gegeben ist, ist Tatfrage und hat keine grundsätzliche Bedeutung.

 

Normenkette

InvZulG 1975 § 4b

 

Tatbestand

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betreibt einen Großhandel mit Möbeln und Rohmaterial für den Innenausbau. U. a. im Zusammenhang mit der Erweiterung der Möbelausstellungshalle und der Errichtung einer Materiallagerhalle für ihre Betriebsstätte in A beantragte sie für die Streitjahre jeweils eine Investitionszulage zur Konjunkturbelebung gemäß § 4 b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA- ) gewährte die Investitionszulage unter Vorbehalt der Nachprüfung zunächst im wesentlichen antragsgemäß.

In einer späteren Außenprüfung traf der Prüfer folgende Feststellungen:

,,Die X hat in den Jahren 1975 bis 1977 an das bestehende Möbelhaus und Ausstellungslager in A einen dreistöckigen Möbelhausanbau (Nordseite) und eine eingeschossige Lagerraumerweiterung (Ostseite) erstellt.

Zunächst war geplant, einen zweistöckigen Anbau als Ausstellungshalle sowie eine Lagerraumerweiterung an der Ost- und Südseite des vorhandenen Altbaus zu errichten. Hierfür wurde am 30. 6. 1975 beim Baurechtsamt der Stadt A das Baugesuch eingereicht.

Bis zum Dezember 1975 kam die X zu dem Ergebnis, daß die bisher vorgesehene Lösung des Raumproblems nicht besonders effektiv sei und deshalb die Aufstockung der zunächst zweistöckig geplanten Ausstellungshalle um ein weiteres Stockwerk erfolgen und die an der Südseite geplante Lagererweiterung in Wegfall kommen solle. Dementsprechend wurden nach dem 30. 6. 1975 verschiedene Änderungsanträge eingereicht.

Mit diesen Änderungsanträgen wurde das konstruktive Gefüge und das äußere Erscheinungsbild des ursprünglich geplanten Baukörpers der Ausstellungshalle erheblich verändert. Diese Änderung ist ihrem Inhalt nach so wesentlich, daß ein neues Baugenehmigungsverfahren erforderlich ist (§ 2 Abs. 10 LBO). Die Baurechtsbehörde ist demnach gehalten, das Bauvorhaben insgesamt einer (erneuten) formellen und materiell-rechtlichen Prüfung zu unterziehen. Daraus ist zu folgern, daß für die nachträgliche Gebäudeaufstockung rechtlich ein neuer Bauantrag zu stellen war, wenn auch aus verwaltungsökonomischen Gründen auf einen solchen verzichtet wurde. Damit wurde von der X der Änderungsantrag nicht fristgerecht beim Baurechtsamt eingereicht. Die Investitionszulage kann deshalb nur für den Teil gewährt werden, für den am 30. 6. 1975 ein Bauantrag gestellt und das Bauvorhaben auch verwirklicht wurde. Eine Aufrechnung des erst nachträglich (nach dem 30. 6. 1975) geplanten und durchgeführten Bauvorhabens mit dem ursprünglich geplanten nicht verwirklichten Bauvorhaben ist nicht möglich."

Nach einem Vergleich der Nutzfläche gemäß dem am 30. Juni 1975 eingereichten Bauantrag mit der tatsächlich geschaffenen Gesamtnutzfläche kam der Prüfer dann zu dem Ergebnis, daß nur 70,5 v. H. der Herstellungskosten der Baumaßnahme als Bemessungsgrundlage für die Investitionszulage anzusetzen seien.

Das FA kürzte daraufhin die Investitionszulage um den auf 29,5 v. H. der Herstellungskosten entfallenden Anteil und um weitere von vornherein unstreitige oder nicht mehr streitige Beträge. Die entsprechenden Beträge der Investitionszulage nebst Zinsen forderte es durch Änderungsbescheide zurück.

Gegen die Änderungsbescheide legte die Klägerin Einspruch ein. Nachdem das FA die Klägerin im Einspruchsverfahren auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung hingewiesen hatte, forderte es mit der Einspruchsentscheidung die für die Erweiterung der Möbelausstellungshalle und die Errichtung einer Materiallagerhalle gewährte Investitionszulage für die Streitjahre in vollem Umfang mit Zinsen zurück, weil die Bauplanung von der Klägerin nach dem 30. Juni 1975 so wesentlich geändert worden sei, daß darin eine neue Investitionsentscheidung zu erblicken sei.

Mit der hiergegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, mit dem am 30. Juni 1975 beim Baurechtsamt der Stadt A eingereichten Baugesuch habe sie ihre Investitionsentscheidung eindeutig im Begünstigungszeitraum des § 4 b InvZulG 1975 getroffen. Es sei lediglich anstelle des ursprünglich vorgesehenen einstöckigen Erweiterungsbaus zur Südseite eine Aufstockung (drittes Geschoß) zur Nordseite erfolgt. Diese nachträgliche Änderung des Baugesuchs sei aus rein wirtschaftlichen Gründen erforderlich gewesen, nachdem sich herausgestellt habe, daß die ursprünglich vorgesehene Erweiterung zur Südseite infolge Unwegbarkeiten im Baugrund zu erheblichen Mehrkosten geführt hätte. Das ursprünglich geplante und das tatsächlich errichtete Bauvorhaben sei im Ergebnis völlig art- und funktionsgleich gewesen. Eine Nutzflächenberechnung habe ergeben, daß die gesamte Mehrfläche gegenüber der Nutzfläche des ursprünglichen Bauantrags vom 30. Juni 1975 nur 4,67 v. H. und nicht, wie vom Betriebsprüfer errechnet, 29,5 v. H. betragen habe.

Im übrigen seien die FÄ an die im Baugenehmigungsverfahren getroffenen Feststellungen gebunden. Das bedeute, daß Änderungen der Bauplanung unbeachtlich seien, solange die zuständigen Bauordnungsbehörden keinen neuen förmlichen Bauantrag verlangten.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es kam aufgrund der Vernehmung des Architekten D und aufgrund der beigezogenen Bauakten der Stadt A zu der Feststellung, daß die dem Baurechtsamt der Stadt A am 30. Juni 1975 vorgelegten Baupläne zweimal erheblich geändert worden seien. Im ersten Schritt nach dem 30. Juni 1975 sei unstreitig statt des an der Südseite des bestehenden Möbelhauses geplanten Erweiterungsbaus für das Lager ein zusätzliches zweites Obergeschoß für den Möbelhausanbau an der Nordseite geplant worden. Dies ergebe sich auch aus einem Aktenvermerk des Baurechtsamts der Stadt A vom 3. Dezember 1975, wonach der Zeuge D dem damaligen Leiter des Amtes, dem Oberbaurat B, dargelegt habe, ,,daß die nach den am 30. 6. 1975 eingegangenen Plänen vorgesehene Lösung nicht besonders effektiv und daher von der Bauherrschaft eine bessere Lösung (Aufstockung) vorgesehen sei". Die mit den geänderten Vorstellungen der Klägerin verbundenen Planänderungen seien nach den Aussagen des Zeugen D derart gewesen, daß sie nicht in den ursprünglich eingereichten Plänen darstellbar gewesen seien, weil diese sonst zu unübersichtlich geworden wären. Diese geänderten Pläne hätten dann zu der (ersten) Baugenehmigung am 18. Februar 1976 geführt. Am 30. Juni 1975 hätten deshalb die Pläne, die für die Konkretisierung des der ersten Baugenehmigung zugrunde liegenden Bauantrags erforderlich gewesen seien, noch nicht vorgelegen. Schon aus diesem Grunde sei daher die Investitionszulage zu versagen.

Selbst wenn aber dem Bauantrag vom 30. Juni 1975 Bauzeichnungen beigefügt gewesen sein sollten, die in etwa den der ersten Baugenehmigung zugrunde liegenden Planungen entsprachen, seien jedenfalls nach der ersten Baugenehmigung in einem weiteren Schritt nochmals so wesentliche Änderungen hinzugekommen, daß sie ein neues Bauvorhaben beinhaltet hätten. Die Pläne seien vom Architekten nämlich nach der ersten Baugenehmigung nochmals völlig überarbeitet und (,,grün geändert, 20. Juli 1977") der Baugenehmigungsbehörde am 28. März 1978 als ,,die geänderten Baugesuche" wieder vorgelegt worden. Die geänderte Ausführung sei dann am 25. April 1978 genehmigt worden. Damit sei ein neues Bauvorhaben gegeben gewesen, welches eine von Grund auf neue bauordnungsrechtliche Überprüfung erfordert habe. Daß die Baugenehmigungsbehörde formell das vorherige Verfahren fortgeführt habe, ändere nichts an der investitionszulagenrechtlichen Würdigung. Auf die jeweiligen Nutzflächen komme es nicht entscheidend an.

Das FG ließ die Revision nicht zu. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde. Die Klägerin macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend und rügt eine Divergenz des FG-Urteils von einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) sowie Verfahrensmängel.

Die grundsätzliche Bedeutung sieht die Klägerin darin, daß in der Zeit von 1979 bis 1987 unterschiedliche Entscheidungen der FG, des BFH sowie unterschiedlicher Verwaltungsanweisungen zu der Frage ergangen seien, ob und unter welchen Voraussetzungen nach dem Begünstigungszeitraum des § 4 b InvZulG 1975 erfolgte Planungsänderungen investitionszulageschädlich seien. Während verschiedene Verwaltungserlasse und das zur Selbstverbrauchsteuer ergangene BFH-Urteil vom 16. Dezember 1982 V R 120/81 (BFHE 137, 104, BStBl II 1983, 158) entscheidend auf die formelle Handhabung durch die Baubehörden abstellten, komme es unabhängig davon nach der neueren Entscheidung des BFH vom 18. Dezember 1986 III R 54/82 (BFHE 148, 570, BStBl II 1987, 454) und weiteren FG-Entscheidungen darauf an, ob die Planungsänderungen wesentlich oder unwesentlich seien. Die im Streitfall nach dem Begünstigungszeitraum vorgenommenen Planungsänderungen seien unwesentlich, da sie nur zu einer Mehr-Nutzfläche von 4,67 v. H. geführt hätten. Im übrigen bestehe ein allgemeines Interesse daran, ob der BFH trotz Kritik an seiner neueren Rechtsprechung festhalten wolle.

Eine Divergenz liegt nach Auffassung der Klägerin zu der Entscheidung des BFH in BFHE 137, 104, BStBl II 1983, 158 vor.

Die Klägerin beantragt, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt sinngemäß, die Nichtzulassungsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.

1. Zur Frage der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist schon zweifelhaft, ob der Vortrag der Klägerin insoweit ausreichend ist. Im Grunde legt die Klägerin lediglich ihre vom FG-Urteil abweichende Rechtsauffassung dar.

Unabhängig davon hat die Sache aber auch keine grundsätzliche Bedeutung, weil die von der Klägerin aufgeworfene Rechtsfrage durch die Entscheidung des erkennenden Senats in BFHE 148, 570, BStBl II 1987, 454 bereits geklärt ist. In diesem Urteil hat der erkennende Senat entschieden, daß für die Errichtung eines Gebäudes eine Zulage gemäß § 4 b InvZulG 1975 nicht gewährt werden kann, wenn das tatsächlich errichtete Gebäude nicht mit dem identisch ist, das in dem innerhalb des Begünstigungszeitraums eingereichten Baugesuch ausgewiesen ist. Eine Identität ist danach zu verneinen, wenn das tatsächlich errichtete Gebäude gegenüber dem in dem rechtzeitigen Bauantrag ausgewiesenen Objekt Änderungen aufweist, die es in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen erfassen und es damit nachhaltig verändern. Dabei hat der Senat ausdrücklich festgestellt, daß es unerheblich ist, wie die Baubehörde die Planungsänderungen formal und kostenmäßig behandelt hat, wenn tatsächlich zwei voneinander unterschiedliche Bauvorhaben vorliegen. An dieser Auffassung hält der Senat fest.

Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze geht es im Streitfall nur noch um die Tatfrage, ob der von der Klägerin errichtete Möbelhausanbau und die Lagerraumerweiterung von den mit dem Bauantrag vom 30. Juni 1975 eingereichten Plänen in seinen wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen und damit nachhaltig abweicht. Bei der Entscheidung dieser Frage in dem Urteilsfall in BFHE 148, 570, BStBl II 1987, 454 hat der erkennende Senat zwar entscheidend auf einen Vergleich der Nutzflächen abgestellt. Das lag aber an den Besonderheiten des Urteilsfalls, in dem statt des ursprünglich vorgesehenen Hauses ein Haus mit größerer Länge und größerer Breite gebaut worden war. Dadurch wird nicht ausgeschlossen, daß sich nachhaltige Veränderungen auch durch andere Merkmale als den Vergleich der Nutzflächen ergeben können. Daß der im Streitfall errichtete dreistöckige Möbelhausanbau von dem ursprünglich geplanten zweigeschossigen Bau in wesentlichen baurechtlich bedeutsamen Merkmalen abweicht, liegt auf der Hand. Jedenfalls geht es dabei nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

2. Eine Divergenz zu einer BFH-Entscheidung liegt ebenfalls nicht vor. Selbst wenn das FG-Urteil von dem zur Selbstverbrauchsteuer ergangenen Urteil des V. Senats in BFHE 137, 104, BStBl II 1983, 158 abweichen sollte, ist diese frühere Entscheidung, soweit sie die Investitionszulage betreffen kann, durch die Entscheidung des erkennenden Senats in BFHE 148, 570, BStBl II 1987, 454 überholt. Das Urteil des V. Senats kann daher nicht mehr zur Begründung der Divergenz herangezogen werden (vgl. Klein/Ruban, Der Zugang zum Bundesfinanzhof, Tz. 72, m.w.N.). Außerdem ist trotz des Leitsatzes nicht ganz eindeutig, ob der V. Senat in dieser Entscheidung wirklich nur auf die formale Handhabung durch die Baubehörden abstellt. Die Ausführungen am Schluß des Urteils zu den vom FG nach der Zurückverweisung zu klärenden Fragen lassen nämlich auch den Schluß zu, daß es nicht auf die formale Handhabung, sondern darauf ankomme, ob für die Planungsänderungen materiell-rechtlich ein neuer Bauantrag und ein neues Baugenehmigungsverfahren erforderlich ist oder nicht.

Außerdem berücksichtigt die Klägerin in ihrer Nichtzulassungsbeschwerde auch nicht, daß das FG das angegriffene Urteil alternativ auf zwei Begründungen gestützt hat. Der zweite Grund lag darin, daß die Klägerin nach der ersten Baugenehmigung nochmals völlig überarbeitete Pläne (,,grün geändert 20. Juli 1977") als geänderte Baugesuche wieder vorgelegt hat. Diese geänderten Baugesuche könen auch als neuer Bauantrag gewertet werden, da sie tatsächlich zu einer neuen Baugenehmigung geführt haben. Daß das Bauamt die Sache unter demselben Aktenzeichen weiterbearbeitet hat, ist dabei unerheblich.

3. Im übrigen ergeht die Entscheidung, insbesondere was die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen betrifft, gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs i. d. F. des Gesetzes zur Verlängerung des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 3. Dezember 1987 (BGBl I 1987, 2442) ohne Angabe von Gründen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 415986

BFH/NV 1989, 194

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