Leitsatz (amtlich)

Mitunternehmerschaft setzt ein zivilrechtliches Gemeinschaftsverhältnis voraus; nur faktische Beziehungen genügen nicht. Ob ein Gesellschaftsverhältnis vorliegt, richtet sich nach der Art der vereinbarten Leistungen, nicht der von den Beteiligten gewählten Bezeichnung.

 

Orientierungssatz

1. Die Abweichung vom Vorlagebeschluß eines anderen Senats an den Großen Senat führt nicht zu einer Divergenz i.S. von § 11 Abs. 3 FGO (Literatur).

2. Mitunternehmer i.S. von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist, wer Unternehmerrisiko trägt und Unternehmerinitiative entfalten kann. Zur Zuerkennung von Unternehmerinitiative genügen die Dispositionsbefugnisse eines leitenden Angestellten, sofern sie einem Gesellschafter in selbständiger Berechtigung zustehen. Auch reicht die Beteiligung am laufenden Gewinn (Mitunternehmerrisiko) zur Erlangung der Mitunternehmerschaft aus, sofern dem Gesellschafter Mitunternehmerinitiative zusteht (vgl. BFH-Rechtsprechung). Im Streitfall war eine formell als partiarisches Arbeitsverhältnis gestaltete Rechtsbeziehung als Gesellschaftsverhältnis anzusehen, in welchem beide Teile selbständig und gleichwertig zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zusammenwirkten (vgl. BFH-Urteil vom 28.11.1982 IV R 197/79; Literatur).

3. NV: Wie bei einem Antrag gemäß § 69 Abs. 3 FGO entscheidet das Gericht auch über eine Klage, mit der das FA zum Erlaß eines die Aussetzung begehrenden Verwaltungsakts verpflichtet werden soll, in einem summarischen Verfahren, in dem nur präsente Beweismittel berücksichtigt werden können (vgl. BFH-Urteil vom 14.7.1976 I R 138/74).

 

Normenkette

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2; FGO § 11 Abs. 3, § 69 Abs. 3; AO 1977 § 361 Abs. 2

 

Tatbestand

Die Kläger und Beschwerdeführer sind Eheleute. Der klagende Ehemann (Kläger) war Reisender in einem Unternehmen. Zum 14.August 1980 beendete der Kläger seine Tätigkeit für dieses Unternehmen. Zum 15.August 1980 gründete seine Ehefrau (Klägerin) ein eigenes Unternehmen mit gleichartiger Tätigkeit. Sie schloß mit dem Kläger eine als Arbeitsvertrag bezeichnete Vereinbarung. Dieser Vertrag ist inhaltlich dem Arbeitsvertrag des Klägers mit seiner früheren Arbeitgeberin nachgebildet. Jedoch waren wesentlich höhere Provisionen vereinbart; bei seinem Ausscheiden sollte der Kläger außerdem eine Abfindung in Höhe von 2 v.H. des von ihm erbrachten Gesamtumsatzes erhalten.

Für das Streitjahr 1981 wies das Unternehmen einen Gewinn von rd. 40 000 DM aus. Der Bruttoarbeitslohn des Klägers zuzüglich Sozialaufwand betrug rd. 491 000 DM. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) behandelte die Kläger daraufhin als Mitunternehmer in einer GbR und stellte den Gewinn einheitlich fest. Der Einspruch der Kläger blieb erfolglos; über die von ihnen erhobene Klage ist noch nicht entschieden.

Die Kläger beantragten außerdem beim FA Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der Gewinnfeststellung. Dieser Antrag und eine nachfolgende Beschwerde wurden zurückgewiesen; auch die Klage blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Die Kläger erstreben Aussetzung der Vollziehung im Klagewege und nicht im Wege eines Antragsverfahrens nach § 69 Abs.3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Es ist streitig, ob neben der Antragsmöglichkeit auch eine Klagemöglichkeit besteht; der I.Senat des BFH hat dies in einem Vorlagebeschluß an den Großen Senat des BFH verneint (Beschluß vom 28.März 1984 I R 77/83, BFHE 141, 1, BStBl II 1984, 562). Der erkennende Senat folgt der bisherigen Rechtsprechung, die beide Wege für gangbar angesehen hat. Er braucht die Sache nicht seinerseits gemäß § 11 Abs.3 FGO dem Großen Senat vorzulegen, weil die Abweichung vom Vorlagebeschluß eines anderen Senats nicht zu einer Divergenz i.S. von § 11 Abs.3 FGO führt (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 11 Anm.7 mit Rechtsprechungsnachweis).

2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der im Aussetzungsverfahren zu beurteilenden materiellen Rechtsfragen (vgl. BFH-Beschluß vom 28.November 1977 GrS 4/77, BFHE 124, 130, BStBl II 1978, 229) oder wegen Abweichung von Entscheidungen des BFH zuzulassen (§ 115 Abs.2 Nr.2 und 3 FGO). Das FG hat vielmehr eine ständige Rechtsprechung des BFH unter den im Aussetzungsverfahren gegebenen summarischen Erkenntnismöglichkeiten zutreffend angewendet.

a) Die Ergebnisse einer gewerblichen Betätigung werden dem Unternehmer bzw. den Mitunternehmern als den steuerlichen Trägern des Gewerbebetriebs zugerechnet. Dabei fungiert die Gemeinschaft der Mitunternehmer für die Zwecke der Gewinnermittlung interimistisch, d.h. zur Ermittlung der Einkunftsanteile der Mitunternehmer, als Gewinnermittlungssubjekt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 10.November 1980 GrS 1/79, BFHE 132, 244, BStBl II 1981, 164; vom 25.Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 426, 431, BStBl II 1984, 751, 761). Unternehmer und damit auch Mitunternehmer ist nach § 5 Abs.1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) derjenige, für dessen Rechnung das Unternehmen betrieben wird, bei dem sich also Erfolg oder Mißerfolg des Gewerbebetriebs unmittelbar niederschlägt. Hierbei ist jedoch auch zu berücksichtigen, wer durch eigene Handlungen den Tatbestand der gewerblichen Betätigung erfüllt (vgl. Schmidt, Einkommensteuergesetz, 4.Aufl., § 15 Anm.39 und die dort zitierte Rechtsprechung).

Mitunternehmer i.S. von § 15 Abs.1 Nr.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ist nach ständiger Rechtsprechung, wer ein Unternehmerrisiko trägt und Unternehmerinitiative entfalten kann. Dies muß durch ein Gesellschaftsverhältnis oder --über den Wortlaut hinausgehend-- aufgrund eines damit vergleichbaren Gemeinschaftsverhältnisses gewährleistet sein (vgl. BFHE 141, 405, 438, BStBl II 1984, 751, 768); dabei kann es sich auch um eine Innengesellschaft handeln. Tatsächliche Einflußmöglichkeiten genügen hierfür nicht. Wie die Zivilrechtsprechung die Lehre von den faktischen Vertragsverhältnissen nicht weiterverfolgt hat (vgl. nur Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 44.Aufl., vor § 145 Anm.5), so hat auch der BFH die im Schrifttum vertretene Vorstellung von einer nur faktischen Mitunternehmerschaft nicht aufgegriffen. Auch das angefochtene Urteil ist ihr nicht gefolgt. Die Revision braucht deshalb entgegen dem Begehren der Kläger nicht aus grundsätzlichen Erwägungen zugelassen zu werden, damit der Anwendungsbereich der sog. faktischen Mitunternehmerschaft geklärt werden kann.

b) Das FG hat bei der Würdigung der im Streitfall gegebenen tatsächlichen Verhältnisse an Ausführungen im Beschluß des Großen Senats in BFHE 141, 405, 438, BStBl II 1984, 751, 768 angeknüpft. Danach kann bei Bejahung der Merkmale der Mitunternehmereigenschaft in der Regel auf eine besondere Prüfung des Gesellschaftsverhältnisses verzichtet werden, weil ein Mitunternehmer regelmäßig auch zivilrechtlich Gesellschafter sei. Das FG hat deshalb die Merkmale der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos untersucht, eine besondere Prüfung des Gesellschaftsverhältnisses aber für entbehrlich gehalten.

Die Ausführungen des BFH müssen dahin verstanden werden, daß beim Vorliegen der genannten Voraussetzungen der Abschluß eines Gesellschaftsvertrages zu vermuten ist. Das Vorliegen eines solchen Gesellschaftsverhältnisses hat das FG schließlich unter Hinweis auf die Höhe der vereinbarten Erfolgsbeteiligung bejaht. Die Ausführungen des FG ergeben damit mit hinreichender Deutlichkeit, daß es vom Bestehen eines Gesellschaftsverhältnisses als Voraussetzung einer Mitunternehmerschaft der Kläger ausgegangen ist. Die von ihm festgestellten Tatsachen lassen eine solche Feststellung nach den summarischen Prüfungsmöglichkeiten des Aussetzungsverfahrens als gerechtfertigt erscheinen. Insbesondere kann ein Gesellschaftsverhältnis auch dann bestehen, wenn die Beteiligten ihren Rechtsbeziehungen einen anderen Namen gegeben haben. Vertragliche Beziehungen werden den schuldrechtlichen Vertragstypen entsprechend den vereinbarten Leistungen zugeordnet; dies gilt auch für die Frage, ob eine Vertragsbeziehung als Gesellschaftsverhältnis anzusehen ist (vgl. Entscheidung des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 29.Januar 1951 IV ZR 171/50, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1951, 308; BFH-Urteile vom 7.Dezember 1983 I R 144/79, BFHE 140, 275, BStBl II 1984, 373; vom 8.März 1984 I R 31/80, BFHE 141, 159, BStBl II 1984, 623; in BFHE 141, 405, 438, BStBl II 1984, 751, 768). Diese Grundsätze sind vom Großen Senat des BFH nicht in Zweifel gezogen, sondern in seinem Beschluß vom 25.Juni 1984, wie angeführt, bestätigt worden.

Das FG hat für seine Meinung berücksichtigt, daß dem Kläger ungewöhnlich hohe Provisionen von 20 v.H. des vermittelten Umsatzes und weitere 2 v.H. des Umsatzes bei Beendigung des Vertragsverhältnisses zugesagt worden waren, während er in seinem früheren Arbeitsverhältnis wesentlich geringere Provisionen erhalten hatte und daß infolge dieser Absprache das wirtschaftliche Ergebnis des Betriebs im wesentlichen dem Kläger zugute kam. Es hat zusätzlich gewürdigt, daß der Kläger den für das Unternehmen lebenswichtigen Ein- und Verkauf eigenständig besorgte, und daß nur er über die für den Aufbau des Unternehmens wesentlichen Kenntnisse verfügte, somit auch zumindest im Verkaufsbereich alle unternehmenswichtigen Entscheidungen treffen mußte. Es konnte daraus folgern, daß die formell als partiarisches Arbeitsverhältnis gestaltete Rechtsbeziehung in Wahrheit als Gesellschaftsverhältnis anzusehen sei, in welchem beide Teile selbständig und gleichwertig zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks zusammenwirkten (vgl. Ulmer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, vor § 705 Anm.1; s. auch BFH-Urteil vom 28.Januar 1982 IV R 197/79, BFHE 135, 297, BStBl II 1982, 389).

c) Ebensowenig ist zu beanstanden, daß das FG dem Kläger aufgrund der geschilderten Verhältnisse Unternehmerinitiative zuerkannt hat. Hierzu genügen die Dispositionsbefugnisse eines leitenden Angestellten, sofern sie einem Gesellschafter in selbständiger Berechtigung zustehen (vgl. BFHE 141, 405, 441, BStBl II 1984, 751, 769). Die Entscheidung des FG steht auch nicht in Widerspruch zum BFH-Urteil vom 22.Januar 1985 VIII R 303/81 (BFHE 143, 247, BStBl II 1985, 363); im Urteilsfall hat der BFH das Bestehen eines Gesellschaftsverhältnisses nicht erwogen.

Ebenso konnte das FG vom Vorhandensein eines hinreichenden Mitunternehmerrisikos ausgehen. Zwar trug der Kläger das Unternehmensergebnis nicht in gleicher Weise wie ein Alleinunternehmer, auf den der laufende Gewinn und Verlust sowie das Ergebnis aus der Veräußerung und Liquidation des Unternehmens entfallen. In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, daß die Beteiligung am laufenden Gewinn zur Erlangung der Mitunternehmerschaft ausreicht, sofern dem Gesellschafter die Mitunternehmerinitiative zusteht (vgl. BFHE 135, 297, BStBl II 1982, 389 m.w.N.). Das wird durch die Entscheidung des Großen Senats vom 25.Juni 1984 nicht in Frage gestellt. In ihr wird vielmehr ausgeführt, daß die Merkmale der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein können (BFHE 141, 405, 440, BStBl II 1984, 751, 769).

d) Schließlich bestehen gegen die Entscheidung des FG auch nicht die von den Klägern unter Hinweis auf den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 12.März 1985 1 BvR 571/80 u.a. (BStBl II 1985, 475) angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken. Das FG ist zu seiner Auffassung nicht unter Hinweis auf das zwischen den Klägern bestehende Eheverhältnis, sondern im Hinblick auf die zwischen ihnen getroffenen Absprachen und das vereinbarte Zusammenwirken gekommen.

++/ 3. Die Revision kann auch nicht im Hinblick auf einen Verfahrensfehler des FG zugelassen werden (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). Die Kläger rügen zu Unrecht, daß sich das FG bei der Feststellung des Sachverhalts auf die Würdigung präsenter Beweismittel begrenzt und weitere Aufklärung unterlassen habe. Wie bei einem Antrag gemäß § 69 Abs. 3 FGO, entscheidet das Gericht auch über eine Klage, mit der das FA zum Erlaß eines die Aussetzung begehrenden Verwaltungsakts (§ 361 Abs. 2 der Abgabenordnung --AO 1977--) verpflichtet werden soll, in einem summarischen Verfahren, in dem nur präsente Beweismittel berücksichtigt werden können; dies ergibt sich aus der Eigenart eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juli 1976 I R 138/74, BFHE 119, 373, BStBl II 1976, 682). /++

 

Fundstellen

Haufe-Index 61016

BStBl II 1986, 10

BFHE 144, 432

BFHE 1986, 432

BB 1986, 2297-2298 (ST)

DB 1986, 2657-2658 (ST)

DStR 1986, 51-52 (ST)

HFR 1986, 127-127 (ST)

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