Leitsatz (amtlich)

Wird trotz Fristsetzung keine Prozeßvollmacht vorgelegt, dann ist die Revision als unzulässig zu verwerfen, ohne daß über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Nichteinhaltung der Revisionsbegründungsfrist zu entscheiden ist.

 

Normenkette

FGO §§ 56, 62, 155; ZPO § 88 Abs. 2

 

Tatbestand

Mit Urteil vom 26. September 1968 hat das FG die Klage des Revisionsklägers wegen Ablehnung eines Antrags auf Erlaß von Hypothekengewinnabgabe-Leistungen als unzulässig abgewiesen. Das Urteil wurde dem Prozeßbevollmächtigten des Klägers im finanzgerichtlichen Verfahren am 4. Oktober 1968 zugestellt. Dieser legte gegen das Urteil mit einem am 4. November 1968 beim FG eingegangenen Schreiben Revision ein mit dem Bemerken, daß die Begründung binnen eines Monats nachgereicht werde. Mit Schreiben vom 26. November 1968 teilte ihm die Geschäftsstelle des BFH das Aktenzeichen mit, unter dem die Sache beim III. Senat des BFH geführt wurde und bat um Übersendung einer Prozeßvollmacht für das Verfahren vor dem BFH bis zum 14. Dezember 1968. Da dieses Schreiben unbeantwortet blieb, wies der Vorsitzende des Senats den Steuerbevollmächtigten, der die Revision eingelegt hatte, auf die Notwendigkeit einer Revisionsbegründung (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO) hin und stellte fest, daß die dafür vorgesehene Frist abgelaufen sei, ohne daß die Revisionsbegründung eingegangen sei. Unter Hinweis auf § 56 FGO gab er anheim, gegebenenfalls binnen zwei Wochen einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen, und bat ferner um gleichzeitige Vorlage der bereits von der Senatsgeschäftsstelle angeforderten Prozeßvollmacht. Diese Verfügung des Vorsitzenden wurde dem Steuerbevollmächtigten am 27. Dezember 1968 zugestellt. Mit einem am 3. Februar 1969 beim BFH eingegangenen Schreiben bat der Steuerbevollmächtigte um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; wegen einer seit Februar 1968 bestehenden schweren Erkrankung sei er nur beschränkt einsatzfähig, weshalb er auch bisher noch keine Revisionsbegründung habe einreichen können. Eine Nierenbeckenentzündung, die er sich Anfang Dezember 1968 zugezogen habe, verhindere die Besorgung der Vollmacht. Er werde Vollmacht und Revisionsbegründung, soweit es sein Gesundheitszustand zulasse, innerhalb der nächsten zwei Wochen einreichen. Nachdem weder Prozeßvollmacht noch Revisionsbegründung beim BFH eingingen, bat die Senatsgeschäftsstelle am 13. März 1969 erneut um Einreichung der Prozeßvollmacht bis zum 25. März 1969. Weder diese Aufforderung noch die Erinnerung der Senatsgeschäftsstelle vom 1. April 1969 an die Einreichung der angeforderten Prozeßvollmacht mit Fristsetzung bis zum 15. April 1969 wurden beantwortet.

Das FA hat beantragt, die Revision wegen Nichteinreichung der Revisionsbegründung als unzulässig zu verwerfen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist unzulässig.

Wiedereinsetzung kann nur in Betracht kommen, wenn eine gesetzliche Frist nicht eingehalten worden ist (§ 56 Abs. 1 FGO). Der Wiedereinsetzungsantrag kann sich im Streitfall daher nur auf die Versäumung der Revisionsbegründungsfrist beziehen, nicht aber auf die Versäumung der richterlichen Frist, die zur Vorlegung der Prozeßvollmacht gesetzt worden war. Obwohl die versäumte Rechtshandlung, die Einreichung der Revisionsbegründung, bis heute nicht nachgeholt wurde (§ 56 Abs. 2 Satz 3 FGO), kann eine den Wiedereinsetzungsantrag aus diesem Grunde abweisende Entscheidung nicht ergehen, weil die Prozeßvollmacht ebenfalls nicht nachgereicht worden ist. Hat ein anderer als der Prozeßbeteiligte selbst Revision eingelegt, so ist diese nur wirksam, wenn dazu eine schriftliche Vollmacht erteilt worden ist (§ 62 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 FGO). Die dem Steuerbevollmächtigten am 12. Januar 1967 erteilte Vollmacht bezog sich ausdrücklich auf das Verfahren vor dem FG, so daß es für das Verfahren vor dem BFH einer erneuten schriftlichen Vollmacht bedurfte. Ein Mangel der Vollmacht ist vom BFH von Amts wegen zu berücksichtigen (§ 155 FGO in Verbindung mit § 88 Abs. 2 ZPO). Im Streitfall lag die Prozeßvollmacht trotz hinreichender Fristsetzung und mehr als viermonatigen Zuwartens im Zeitpunkt der entscheidenden Beschlußfassung dem Senat nicht vor. Damit fehlte es im Revisionsverfahren an einer Prozeßvoraussetzung, so daß die Revision, ohne auf die Frage der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie auf die weiteren Verfahrens- und materiellrechtlichen Fragen des Streitfalls eingehen zu können, als unzulässig zu verwerfen war (vgl. auch BFH-Beschlüsse V R 46/66 vom 10. November 1966, BFH 87, 1, BStBl III 1967, 5; V B 8/68 vom 25. Juli 1968, BFH 92, 551, BStBl II 1968, 660).

Wie der BFH im Beschluß V R 46/66 (a. a. O.) dargetan hat, ergeht die Entscheidung gegen den Abgabepflichtigen als Partei, für die der Bevollmächtigte zu handeln vorgegeben hat. Die Kosten des Revisionsverfahrens waren jedoch dem vollmachtlosen Vertreter aufzuerlegen, der die Veranlassung zur erfolglosen Prozeßführung gegeben hat (vgl. BFH-Beschlüsse V R 46/66, a. a. O., und III B 85/67 vom 19. April 1968, BFH 92, 173, BStBl II 1968, 473).

 

Fundstellen

Haufe-Index 68277

BStBl II 1969, 438

BFHE 1969, 430

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