Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenentscheidung bei übereinstimmender Erledigungserklärung; Billigkeit; Rücklage nach § 7g EStG bei Existenzgründung

 

Leitsatz (NV)

1. Beruht eine dem Klagebegehren abhelfende Billigkeitsmaßnahme auch auf rechtlichen Erwägungen, so sind die Verfahrenskosten nach § 138 Abs. 1 FGO regelmäßig dann dem FA aufzuerlegen, wenn hierfür auch rechtliche Gründe maßgebend waren.

2. Die Frage, ob die mitunternehmerbezogenen Tatbestandsmerkmale des § 7g Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 EStG bei Buchwerteinbringung eines Einzelunternehmens einschränkend auszulegen sind, ist höchstrichterlich noch nicht geklärt.

 

Normenkette

FGO § 138; EStG § 7g Abs. 7 S. 2 Nr. 2

 

Verfahrensgang

Sächsisches FG (Urteil vom 23.06.2003; Aktenzeichen 3 K 2328/02)

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (X-GbR) wurde am 1. Januar 1998 gegründet. Da der Gesellschafter X, der im September 1997 eine gewerbliche Tätigkeit begonnen und sein Einzelunternehmen in die Klägerin eingebracht hatte, ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) sowohl bei der Gewinnfeststellung für das Streitjahr (2000) als auch im Rahmen der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags davon aus, dass die X-GbR nicht Existenzgründerin i.S. von § 7g Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und deshalb die am 31. Dezember 1998 gebildete Rücklage nach § 7g Abs. 5 EStG gewinnerhöhend aufzulösen und zu verzinsen sei. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Während des Revisionsverfahrens erließ das FA mit Rücksicht auf die Erörterungen der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder zum zwischenzeitlich veröffentlichten Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 25. Februar 2004 IV A 6 -S 2138b- 1/04 (juris; dort Rdnr. 48 betr. die Buchwerteinbringung eines Betriebs in eine Personengesellschaft) aus Gründen sachlicher Billigkeit Änderungsbescheide im Sinne des Begehrens der Klägerin. Die Beteiligten haben daraufhin überstimmend den Rechtsstreit für erledigt erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Der Rechtsstreit ist infolge der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der Hauptsache erledigt, ohne dass der Senat zu prüfen hat, ob ein erledigendes Ereignis tatsächlich eingetreten ist (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Juli 1986 V R 181/83, BFH/NV 1986, 761; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 138 Rz. 11, m.w.N.). Die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache kann auch in der Revisionsinstanz erklärt werden mit der Folge, dass das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) einschließlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung gegenstandslos geworden ist. Der Senat hat nur noch über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden. Sie sind dem Beklagten aufzuerlegen.

a) Dies ergibt sich allerdings nicht aus § 138 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), nach dem im Falle der Erledigung durch Erlass eines dem Klageantrag entsprechenden Änderungsbescheids die Kosten des Verfahrens grundsätzlich von der Behörde zu tragen sind (hierzu sowie zu Ausnahmen Gräber/Ruban, a.a.O., § 138 Rz. 32 f.). Denn diese Regelung ist nach ständiger Rechtsprechung dann nicht anwendbar, wenn --wie vorliegend-- das FA die angefochtenen Bescheide nicht aus Rechtsgründen, sondern nach § 163 der Abgabenordnung (AO 1977) aus Gründen sachlicher Billigkeitserwägungen geändert hat (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Juli 1998 VII R 111/96, BFH/NV 1999, 71; zur Berücksichtigung von § 163 AO 1977 im Rahmen einer Gewinnfeststellung oder Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags vgl. §§ 181 Abs. 1 Satz 1, 184 Abs. 2 AO 1977; BFH-Beschluss vom 18. September 2000 IV B 139/99, BFH/NV 2001, 452; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 163 AO 1977 Tz. 12, 23, m.w.N.).

b) Gleichwohl ist bei der somit nach § 138 Abs. 1 FGO gebotenen Ermessensentscheidung nicht nur der bisherige Streit- und Sachstand, sondern auch der Umstand zu berücksichtigen, dass das FA während des gerichtlichen Verfahrens --in Abkehr von dem bis dahin vertretenen Standpunkt-- die Abgabenbeträge wegen sachlicher Unbilligkeit erlassen (vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 71) oder --wie im Streitfall-- die Besteuerungsgrundlagen anderweitig festgestellt (oder festgesetzt) hat. Waren hierfür offenkundig auch rechtliche Erwägungen maßgebend, entspricht es regelmäßig billigem Ermessen i.S. des § 138 Abs. 1 FGO, die Verfahrenskosten der Behörde aufzuerlegen (BFH-Beschluss vom 21. Juni 1972 VII B 153/70, BFHE 106, 20, BStBl II 1972, 707). Dies gilt nicht nur, wenn die Billigkeitsentscheidung aus Gründen des Vertrauensschutzes getroffen wird (vgl. dazu BFH-Beschluss vom 17. Dezember 2002 I R 43/02, BFH/NV 2003, 785), sondern gleichermaßen dann, wenn sie eine bislang höchstrichterlich nicht geklärte und mit gewichtigen Argumenten umstrittene Rechtsfrage betrifft (BFH-Beschluss in BFH/NV 1986, 761). Von Letzterem ist auch vorliegend auszugehen, da die angesprochene Regelung des BMF-Schreibens erkennbar darauf zielt, die mitunternehmerbezogenen Tatbestandsvoraussetzungen des Gesetzeswortlauts (§ 7g Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 EStG) entsprechend dem Gesetzeszweck (Anreiz zur Existenzgründung) für den Fall der Buchwerteinbringung eines neu gegründeten Einzelunternehmens in eine Personengesellschaft einzuschränken.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1207643

BFH/NV 2004, 1392

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