7.4.1 Verpachtung eines "lebenden" Betriebs

 

Rz. 90

Voraussetzung für eine Betriebsverpachtung ist zunächst die Verpachtung eines "lebenden" Betriebs, sprich eines "lebensfähigen Organismus".[1]

Eine solche liegt insbesondere dann nicht vor, wenn lediglich einzelne wesentliche Betriebsgrundlagen (z. B. ein Betriebsgrundstück, das nicht die einzige wesentliche Betriebsgrundlage darstellt) vermietet werden. In diesem Fall kann der Pächter den Betrieb nicht weiterführen. Voraussetzung für eine Betriebsverpachtung ist aber gerade das Bestehen der objektiven Möglichkeit der Betriebsfortführung.

Geht der Verpachtung eine Betriebsunterbrechung voraus, bis ein Pächter gefunden ist, schließt das eine Betriebsverpachtung im Ganzen nicht aus, wenn alle wesentlichen Betriebsgrundlagen danach noch vorhanden sind und verpachtet werden. Trotz vorübergehender Stilllegung wird in diesem Fall ein lebensfähiger Betrieb verpachtet.

[1] Seer, in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 18. Aufl. 2019, § 16 EStG Rz. 233.

7.4.2 Überlassung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen

 

Rz. 91

Eine Betriebsverpachtung setzt voraus, dass sämtliche wesentlichen Betriebsgrundlagen verpachtet werden. Wird lediglich ein Grundstück verpachtet, liegt eine Betriebsverpachtung nur vor, wenn das Grundstück die einzige wesentliche Betriebsgrundlage war (vgl. Rz. 87 ff.).

Keine Verpachtung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen liegt vor, wenn der Verpächter zunächst alle übrigen wesentlichen Wirtschaftsgüter veräußert oder vernichtet und nur noch das Betriebsgrundstück verpachtet; der betriebliche Organismus muss während der Pachtzeit erhalten bleiben.[1]

Hinsichtlich der Bestimmung wesentlicher Betriebsgrundlagen ist hier auf eine rein funktionale Betrachtung abzustellen.[2] Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens, die nur wegen der enthaltenen stillen Reserven bei quantitativer Betrachtung wesentliche Betriebsgrundlagen wären (ohne, dass eine wirtschaftliche Wesentlichkeit für den Zweck des Betriebes vorliegt), müssen daher nicht mitverpachtet werden, um eine Betriebsverpachtung bejahen zu können. Sie können gleichwohl bis zur endgültigen Entnahme im Verpächter-Betriebsvermögen bleiben.[3]

[1] BFH, Urteil v. 17.4.1997, VIII R 2/95, BStBl 1998 II S. 388; Kulosa, in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG KStG Kommentar, § 16 EStG Rz. 665, Stand: 8/2019.
[2] Vgl. Rz. 17 ff.; im Gegensatz zur Betriebsveräußerung, BFH, Urteil v. 6.11.2008, IV R 51/07, BStBl 2009 II S. 303.

7.4.3 Möglichkeit der Fortführung des Betriebs

 

Rz. 92

Der Verpächter muss den Betrieb im Wesentlichen nach der Verpachtung wieder aufnehmen oder fortführen können. Modernisierungen, Umstellungen im Warensortiment, Umstellung von Einzelhandel zu Großhandel, Strukturwandel von gewerblichen zu land- und forstwirtschaftlichen Einkünften u. Ä. durch den Pächter sind allerdings unschädlich. Werden dagegen die wesentlichen Betriebsgrundlagen grundlegend umgestaltet, führt dies in der Regel zu einer zwangsweisen Betriebsaufgabe.[1]

 
Praxis-Beispiel

U besaß einen Gewerbebetrieb, der aus Bäckerei, Konditorei und einer Gaststätte bestand. Der Pächter gestaltete Laden, Kontor, Küche und Gastwirtschaft auf seine Kosten zu einer Diskothek um. Damit ist der Betrieb aufgegeben, weil der ursprüngliche Betrieb nach der Umgestaltung in der bisherigen Form nicht mehr fortgeführt werden kann.[2]

 

Rz. 93

Dieser Fall ist ausdrücklich durch die Rechtsprechung von einem dem folgenden Beispiel entsprechenden Fall unterschieden worden.

 
Praxis-Beispiel

U betreibt ein Großhandelsunternehmen auf eigenem Grundstück. Im Jahr 01 vermietet er das Grundstück an M, der auf dem Grundstück eine Druckerei betreibt. U erklärte weiterhin Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

Auch wenn der Kundenstamm durch die Vermietung aufgelöst wurde, ist mit der Vermietung der einzigen Betriebsgrundlage noch nicht der Betrieb aufgegeben worden. Im Unterschied zu einem Produktionsunternehmen ist bei einem Großhandelsunternehmen das Betriebsgrundstück die wesentliche Betriebsgrundlage. Stellt ein Großhandelsunternehmen seine werbende Tätigkeit ein und vermietet es sein bisheriges Betriebsgrundstück an ein anderes Unternehmen, so scheitert die Annahme einer Betriebsverpachtung nicht bereits daran, dass das mietende Unternehmen einer anderen Branche angehört. Die Vermietung oder Verpachtung an einen Branchenfremden hat allerdings vielfach zur Folge, dass das Nutzungsobjekt baulich umgestaltet wird und damit nicht mehr zu den bisherigen Zwecken genutzt werden kann. Das ist z. B. der Fall, wenn ein Bäckerei- und Konditoreibetrieb von dem Pächter in eine Diskothek umgestaltet wird. So verhielt es sich aber nicht in dem vorstehend geschilderten Fall. Das Mietobjekt konnte vom Mieter nicht so umgestaltet werden, dass es nicht mehr für den Großhandel hätte genutzt werden können.[3]

 

Rz. 94

Oft wird eine Betriebsverpachtung gewählt, weil die Übergangszeit bis zur Übernahme des Betriebs durch den Nachfolger überbrückt werden soll.

 
Praxis-Beispiel

A hat einen Gewerbebetrieb. Er will sich zur Ruhe setzen, erwägt aber, dass sein Sohn nach Lehre und bestandener Meisterprüfung den Bet...

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