Leitsatz

1. Das Tatbestandsmerkmal "für einen Beruf ausgebildet wird" i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfordert, dass der Erwerb der Kenntnisse regelmäßig einen konkreten Bezug zu dem angestrebten Beruf aufweisen muss. In Fällen, in denen der Ausbildungscharakter der Maßnahmen zweifelhaft ist, kommt diesem konkreten Bezug entscheidende Bedeutung zu.

2. Der Besuch einer nicht allgemeinbildenden Schule, der nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf, sondern vorrangig der Erlangung sozialer Erfahrungen und der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl sowie der Persönlichkeitsbildung und Charakterbildung i.S. des Leitbilds der Schule dient, stellt keine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG dar.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 EStG

 

Sachverhalt

Die Klägerin beantragte Kindergeld für ihren volljährigen Sohn, der für zehn Monate eine Missionsschule besuchte, die von einer Freikirche als Internatsschule eingerichtet wurde und den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hat. Die Familienkasse lehnte den Antrag ab.

Im Klageverfahren machte die Klägerin geltend, ihr Sohn strebe eine berufliche Tätigkeit im sozialen, theologischen oder gesundheitlichen Bereich an. Durch den Besuch der Schule würden auf einen Beruf in diesem Bereich vorbereitende Kenntnisse und Erfahrungen vermittelt.

Das FG wies die Klage ab (FG Münster, Urteil vom 22.12.2017, 4 K 3336/17 Kg, Haufe-Index 11907685). Es vertrat die Ansicht, der Schulbesuch diene nicht der Vorbereitung auf einen konkret angestrebten Beruf. Nach dem Studienplan, den vorgelegten Unterlagen und der schuleigenen Homepage stehe die Persönlichkeits- und Charakterbildung im Vordergrund. Die vermittelten Inhalte zielten darauf ab, die Studierenden zu aktiven und wertvollen Mitgliedern der Gemeinde auszubilden. Der Unterricht stehe auch nicht in einem Bezug zu einer vom Sohn angestrebten beruflichen Tätigkeit.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Für ein volljähriges Kind besteht Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. In Berufsausbildung befindet sich, wer "sein Berufsziel" noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des "angestrebten" Berufs geeignet sind, und zwar unabhängig davon, ob sie in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sind.

2. Dieser weite Berufsausbildungsbegriff bedeutet aber nicht, dass jedweder Erwerb von Fertigkeiten jeglicher Art als Berufsausbildung anzusehen ist. Der Erwerb der Kenntnisse muss regelmäßig einen konkreten Bezug zu dem angestrebten Beruf aufweisen.

Dieser Bezug wird bei Ausbildungen im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Ausbildungsgangs unterstellt. Dies gilt regelmäßig auch beim Erlernen von Fremdsprachen, soweit die Vermittlung der Sprachkenntnisse mit anerkannten Formen der Berufsausbildung verbunden ist oder von einem theoretisch-systematischen Unterricht von einer gewissen Mindestdauer begleitet wird.

3. Problematisch sind Fälle, in denen der Ausbildungscharakter der Maßnahmen zweifelhaft ist. Der konkrete Bezug zu einem angestrebten Beruf dient dann der Abgrenzung zu den kindergeldrechtlich nicht förderungsfähigen Tätigkeiten zur Erlangung allgemeiner Erfahrungen:

Sprachaufenthalte im Ausland mit weniger als zehn Wochenstunden Unterricht sind Berufsaus­bildung, wenn der Auslandsaufenthalt von einer ­Ausbildungs- oder Prüfungsordnung zwingend ­vorgeschrieben ist oder dazu dient, ein gutes Ergebnis in einem für die Zulassung zum angestrebten Studium oder einer anderweitigen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest (z.B. TOEFL oder IELTS) zu erlangen.

Die Erlangung sozialer oder religiöser Erfahrungen, die der Persönlichkeits- und Charakterbildung oder der Stärkung des Verantwortungsbewusstseins für das Gemeinwohl dienen, bedarf über einen gewissen zeitlichen Mindestaufwand und eine ausreichende theoretische Systematisierung hinaus eines inhaltlich hinreichenden Zusammenhangs zu einem von dem Kind angestrebten Beruf. Deshalb sind Freiwilligendienste unabhängig von ihrer Ausgestaltung grundsätzlich keine Berufsausbildung. Sie können aber als Berufsausbildung beurteilt werden, wenn sie von einer nicht von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d EStG erfassten Organisation angeboten werden und einen engen Bezug zu einem späteren Studium oder einer betrieblichen Ausbildung aufweisen. Ob ein derartiger Zusammenhang zwischen den Maßnahmen und dem angestrebten Beruf besteht, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung des FG, die den BFH bindet (§ 118 Abs. 2 FGO), soweit sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und nicht durch Denkfehler oder die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 13.12.2018 – III R ...

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