Leitsatz

Ein Barausgleich, der anlässlich eines Aktientausches für vor dem 1. Januar 2009 erworbene ausländische Aktien gezahlt wird, ist nicht gemäß § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG 2009 in eine einkommensteuerpflichtige Dividende umzuqualifizieren, wenn die Anteile wegen Ablaufs der einjährigen Veräußerungsfrist bereits steuerentstrickt waren.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 4a Sätze 1 und 2, § 52a Abs. 10 Satz 10, Abs. 11 Satz 4 EStG 2009, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F.

 

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb im Jahr 2006 Aktien einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft. Im Streitjahr 2009 erhielt sie aufgrund der Übernahme des Unternehmens im Tausch für jede Aktie eine Aktie der übernehmenden US-amerikanischen Aktiengesellschaft und einen Barausgleich i.H.v. insgesamt 16.548 EUR. Das FA legte die Barabfindung nach § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG als Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Besteuerung zugrunde. Die hiergegen erhobene Klage hatte Erfolg (FG Düsseldorf, Urteil vom 11.12.2012, 10 K 4059/10 E, Haufe-Index 3707859, EFG 2013, 520).

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision des FA als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Die Besteuerung des Barausgleichs bei einem Aktientausch wurde bei der Einführung der Abgeltungsteuer in § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG neu geregelt. Danach ist die zusätzlich zu den eingetauschten Aktien gezahlte Leistung als Kapitalertrag i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zu versteuern. Die Regelung findet nach § 52a Abs. 10 Satz 10 EStG erstmals Anwendung auf nach dem 31.12.2008 zufließende Kapitalerträge.

2. Auf den ersten Blick war der Anwendungsbereich für die Neuregelung im Streitfall eröffnet, da der Barausgleich der Klägerin im Jahr 2009 zufloss. Dennoch hat der BFH der Besteuerung aus verfassungsrechtlichen Gründen einen Riegel vorgeschoben. Im vorliegenden Fall würde die Besteuerung nach § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG auf Vermögensbestände zugreifen, die nicht der Einkommensteuer unterliegen, da sie steuerentstrickt waren.

3. Die Klägerin erhielt den Barausgleich für den Mehrwert der eingetauschten Aktien, die sie vor dem 1.1.2009 angeschafft hatte. Zum Zeitpunkt des Aktientauschs und der Barzuzahlung war die Veräußerungsfrist nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG a.F. i.V.m. § 52a Abs. 11 Satz 4 EStG bereits abgelaufen. Der Wertgehalt der eingetauschten Aktien unterlag danach nicht mehr der Besteuerung. Hinreichend gewichtige Gründe zur Rechtfertigung einer verfassungsrechtlich unzulässigen rückwirkenden Besteuerung lagen nicht vor. Aufgrund der durch § 32d Abs. 4 EStG geschaffenen Möglichkeit, den Steuereinbehalt im Festsetzungsverfahren rückgängig zu machen, ist ein steuerlicher Zugriff auf den Barausgleich beim Tausch steuerentstrickter Aktien auch aus Praktikabilitätsgründen nicht erforderlich.

4. Aus diesen verfassungsrechtlichen Anforderungen schließt der BFH, dass die Umqualifizierung des Barausgleichs in eine Dividende nach § 20 Abs. 4a Satz 2 EStG voraussetzt, dass die Gegenleistung beim Aktientausch überhaupt steuerbar ist. Der Regelungsgehalt der Vorschrift beschränkt sich auf die Umqualifizierung der Barkomponente in eine Dividende. Sie begründet jedoch kein Besteuerungsrecht für bereits steuerentstrickte Vermögenswerte.

5. Der BFH hat die Frage, ob im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG beim Tausch der Aktien einer US-amerikanischen Aktiengesellschaft überhaupt erfüllt waren, bewusst offengelassen hat. Es stellt sich daher die Frage, ob der Veräußerungsgewinn bei einer Weiterveräußerung der eingetauschten Aktien nach § 20 Abs. 4a Satz 1 EStG in der Weise zu besteuern ist, wie die Veräußerung der getauschten Aktien. Dies würde wegen des Ablaufs der Spekulationsfrist dieser Aktien dazu führen, dass der Veräußerungsgewinn nicht zu besteuern wäre. Sollte dies zu verneinen sein, unterläge der Veräußerungsgewinn beim Verkauf der eingetauschten Aktien gemäß § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG der Besteuerung.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 20.10.2016 – VIII R 10/13

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