Leitsatz

1. Ein beschränkt Steuerpflichtiger mit Einkünften gem. § 50a Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 EStG 1990 unterliegt im Veranlagungszeitraum 1996 dem Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 Sätze 3 und 4 EStG 1996 mit seinen Bruttoeinnahmen. Hat der beschränkt Steuerpflichtige jedoch Ausgaben, welche unmittelbar mit der betreffenden wirtschaftlichen Tätigkeit zusammenhängen, aus der die zu versteuernden Einkünfte erzielt worden sind, und werden diese Ausgaben dem Vergütungsschuldner mitgeteilt, so sind die Ausgaben regelmäßig bereits im Rahmen des Abzugsverfahrens zu berücksichtigen. Soweit § 50a Abs. 4 Satz 4 EStG 1990 dies ausschließt, verstößt die Vorschrift gegen Gemeinschaftsrecht (Anschluss an EuGH-Urteil vom 3.10.2006, Rs. C-290/04"Scorpio", BFH-PR 2006, 490).

2. Wenn und soweit unmittelbar mit der Tätigkeit zusammenhängende Aufwendungen im Abzugsverfahren nicht berücksichtigt worden sind, kann der beschränkt Steuerpflichtige deren Erstattung in unmittelbarer oder analoger Anwendung des § 50 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 EStG 1990 (i.d.F. des JStG 1997), ggf. auch des § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG 1990 beantragen. Die wahlweise Beantragung eines Veranlagungsverfahrens scheidet aus. Ein solches Wahlrecht ist weder aus Gründen des Verfassungs- noch des Gemeinschaftsrechts geboten.

3. Der Mindeststeuersatz gem. § 50 Abs. 3 Satz 2 EStG 1990 von 25 % des Einkommens eines gebietsfremden beschränkt Steuerpflichtigen aus selbstständiger Arbeit verstößt weder gegen Gemeinschafts- noch gegen Verfassungsrecht, sofern er nicht höher ist als der Steuersatz, der sich für den betroffenen Steuerpflichtigen tatsächlich aus der Anwendung des progressiven Steuertarifs auf die Nettoeinkünfte zuzüglich eines Betrags in Höhe des Grundfreibetrags ergeben würde (Bestätigung des Senatsurteils vom 19.11.2003, I R 34/02, BFH-PR 2004, 214, BStBl II 2004, 773; Anschluss an EuGH-Urteil vom 12.6.2003, Rs. C-234/01"Gerritse", BFH-PR 2003, 342, BStBl II 2003, 859).

 

Normenkette

§ 50 Abs. 3 Satz 2, Abs. 5 Satz 4 Nr. 3, § 50d Abs. 1 Satz 3 EStG 1990, Art. 59, Art. 60 EGV

 

Sachverhalt

Der Kläger Arnoud Gerritse, ein in den Niederlanden wohnhafter niederländischer Staatsangehöriger, ist Musiker. Er erzielte im Streitjahr 1996 in den Niederlanden sowie in Belgien Einkünfte i.H.v. (umgerechnet und nach deutschem Steuerrecht ermittelt) insgesamt 55.000 DM (netto). Daneben erhielt er für einen direkt ("live") im Rundfunk ausgestrahlten Solo-Auftritt als Schlagzeuger bei einem Radiosender im Inland ein Honorar von 6.007,55 DM. Er erklärte für diesen Auftritt Betriebsausgaben i.H.v. 968 DM. Auftraggeber für den Auftritt war eine GmbH, welcher der Kläger in einem "Mitwirkendenvertrag" auch die umfassenden Senderechte übertragen hatte. Das Honorar wurde als Gesamtbetrag geleistet; eine vertragliche Aufteilung erfolgte nicht.

Das Honorar von 6.007,55 DM wurde nach Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 DBA Niederlande und gem. § 50a Abs. 4 EStG 1990 im Weg des Steuerabzugs durch die GmbH einem Steuersatz von 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag sowie USt unterworfen.

Im September 1998 reichte der Kläger beim FA gem. § 1 Abs. 3 EStG 1990 eine ESt-Erklärung ein, um hiernach als unbeschränkt Steuerpflichtiger behandelt zu werden. Das FA lehnte dies ab.

Mit der dagegen gerichteten Klage berief der Kläger sich auf die gemeinschaftsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten. Ein unbeschränkt steuerpflichtiger Gebietsansässiger müsse in vergleichbarer Situation wegen des Grundfreibetrags i.H.v. 12.095 DM keine Steuer entrichten.

Über das im Hinblick auf dieses Vorbringen vom FG Berlin beschlossene Vorabentscheidungsersuchen entschied der EuGH durch Urteil in BStBl II 2003, 859 wie in den Praxis-Hinweisen dargetan.

Der Kläger war aufgrund dieser Entscheidung nach wie vor der Ansicht, eine ESt-Veranlagung unter Berücksichtigung der geltend gemachten Betriebsausgaben beanspruchen zu können.

Die so fortgeführte Klage war teilweise erfolgreich. Das FG Berlin gab ihr im Hinblick auf das erstrebte Wahlrecht auf Durchführung einer Veranlagung sowie die Gewährung des Grundfreibetrags statt und wies sie nur hinsichtlich der Einbeziehung der im Ausland erwirtschafteten Einkünfte in den Progressionsvorbehalt ab (EFG 2003, 1709).

 

Entscheidung

Der BFH war komplett anderer Ansicht und wies die Klage ab:

Ein Anspruch auf Steuerveranlagung und auf den Grundfreibetrag stehe Herrn Gerritse weder aus Gründen des Verfassungs- noch des Gemeinschaftsrechts zu.

 

Hinweis

1. Es handelt sich um jenen sattsam bekannten Sachverhalt, über den der EuGH auf Vorabentscheidungsersuchen des FG Berlin (Beschluss vom 28.5.2001, EFG 2001, 978) durch Urteil vom 12.6.2003, Rs. C-234/01 "Gerritse" (BFH-PR 2003, 342, BStBl II 2003, 859) entschieden hat:

Seinerzeit ging es darum, ob ein im Inland auftretender und mit seinem hiesigen Honorar beschränkt Steuerpflichtiger – in casu der Schlagzeuger Arnoud Gerritse – dem Quellensteuerabzug nach § 50a Abs. 4 Sätze 3 und 4 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG 1996 vorbehaltlos bezogen auf das Bruttoho...

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