Leitsatz

1. Bei der Bewertung eines Grundstücks ist die übliche Miete für Flächen anzusetzen, die tatsächlich für Wohnzwecke genutzt werden können. Nicht entscheidend ist, ob diese Flächen bauordnungsrechtlich allen Anforderungen an Wohn- oder Aufenthaltsräume genügen.

2. Es ist grundsätzlich unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu entscheiden, ob und inwieweit nicht dem Bauordnungsrecht genügende Flächen bei der Ermittlung der üblichen Miete zu berücksichtigen sind.

 

Normenkette

§ 22, § 27, § 75, § 76 Abs. 1 Nr. 4, § 78 Satz 2, § 79 Abs. 1 und 2 BewG, § 162 Abs. 1 Satz 1 AO

 

Sachverhalt

Die Kläger erwarben im Jahr 2009 ein 1956 erbautes Einfamilienhaus in Berlin und bauten das bis dahin unausgebaute Dachgeschoss aus. Der größere Raum im Dachgeschoss wird als Spiel- und Kinderzimmer genutzt, der kleinere als Abstellraum und bei Bedarf als Behelfsübernachtungsraum. Die Räume entsprechen jedoch wegen ihrer Höhe nicht den Vorschriften der Berliner Bauordnung über Aufenthaltsräume.

Das FA erließ am 11.12.2013 einen Einheitswertbescheid – Wertfortschreibung – auf den 1.1.2010. Es erhöhte dabei die Jahresrohmiete für den Altbestand und setzte auch für das ausgebaute Dachgeschoss eine Jahresrohmiete an. Der Einspruch führte dazu, dass das Dachgeschoss nur noch mit der halben Fläche (14 m²) berücksichtigt wurde.

Das FG gab der Klage teilweise statt (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.4.2016, 3 K 3039/15, Haufe-Index 9471800, EFG 2016, 984). Es sah die Erhöhung der Jahresrohmiete für den Altbestand als rechtswidrig an, weil sie nur durch eine Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung nach § 22 Abs. 3 BewG erfolgen dürfe. Diese habe aber gemäß § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 BewG nicht rückwirkend auf den 1.1.2010 vorgenommen werden dürfen. Der vom FA für das Dachgeschoss berücksichtigte monatliche Mietwert je m² sei zutreffend. Das Dachgeschoss sei aber mit 28 m² anzusetzen. Aus diesen beiden Korrekturen ergibt sich ein niedrigerer Einheitswert, als ihn das FA festgestellt hatte.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision der Kläger als unbegründet zurück. Der Mietwertansatz des FG für das Obergeschoss sei weder hinsichtlich des Mietwerts je m² noch hinsichtlich der angesetzten Fläche revisionsrechtlich zu beanstanden.

 

Hinweis

1. Im Besprechungsurteil ging es vor allem um die Frage, wie bei der Einheitsbewertung von Einfamilienhäusern im Ertragswertverfahren die übliche Miete für bauordnungswidrige Aufenthaltsräume, die aus rechtlichen Gründen nicht zur Wohnfläche zählen, zu ermitteln ist.

a) Nach § 76 Abs. 1 Nr. 4 BewG ist der Wert des Grundstücks für Einfamilienhäuser grundsätzlich im Ertragswertverfahren (§§ 78 bis 82 BewG) zu ermitteln.

Der Grundstückswert ergibt sich nach § 78 Satz 2 BewG durch Anwendung eines Vervielfältigers auf die Jahresrohmiete. Gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 BewG ist Jahresrohmiete das Gesamtentgelt, das die Mieter für die Benutzung des Grundstücks aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Feststellungszeitpunkt für ein Jahr zu entrichten haben. Statt dieses Betrags gilt nach § 79 Abs. 2 Satz 1 BewG u.a. für eigengenutzte Grundstücke die übliche Miete als Jahresrohmiete. Nach § 27 BewG sind dabei die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt (1.1.1964) zugrunde zu legen.

b) Die übliche Miete ist nach § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Zur Schätzung (§ 162 Abs. 1 Satz 1 AO) der üblichen Miete ziehen die Finanzbehörden überwiegend Mietspiegel heran, die regelmäßig nach Baujahren, mietpreisrechtlichen Gegebenheiten, Ausstattungsgruppen und Gemeindegrößen gegliederte Werte zum Stand vom 1.1.1964 ausweisen.

Die Heranziehung dieser auf den Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.1964 aufgestellten Mietspiegel für die Schätzung der üblichen Miete gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG auf diesen Zeitpunkt ist zulässig, wenn eine Schätzung der üblichen Miete im unmittelbaren Vergleich daran scheitert, dass nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare vermietete Objekte am 1.1.1964 nicht oder nicht in hinreichender Zahl vorhanden waren und die Mietspiegel in ihren Aufgliederungen nach Mietpreisregelungen und den anderen gemäß § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG maßgebenden Kriterien (insbesondere Baujahr und Ausstattung) den vom Gesetz gestellten Anforderungen für die Schätzung der üblichen Miete entsprechen.

c) Bei der Bewertung eines Grundstücks ist die übliche Miete für Flächen anzusetzen, die tatsächlich für Wohnzwecke genutzt werden können. Nicht entscheidend ist, ob diese Flächen bauordnungsrechtlich allen Anforderungen an Wohn- oder Aufenthaltsräume genügen. Der Wohnungsbegriff des § 75 BewG ist bewertungsrechtlicher Natur; er ist daher ohne Rücksicht auf Regelungen in einem Bebauungsplan oder in anderen Gesetzen auszulegen, sofern diese Regelungen eine andere Zielrichtung als das Bewertungsrecht haben. Er begnügt sich damit, dass die betreffenden Räume zum dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet ...

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