Leitsatz

Ein Kind, das sich aus einer Erwerbstätigkeit he?raus um einen Studienplatz bewirbt, kann ab dem Monat der Bewerbung nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG beim Kindergeldberechtigten zu berücksichtigen sein, wenn es sich bei der Tätigkeit nicht um eine Vollzeiterwerbstätigkeit handelt.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Sätze 1 und 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Sohn war, um die Wartezeit auf einen Studienplatz zu überbrücken, in einer geringfügigen Beschäftigung von 10,5 Wochenstunden tätig. Die Familienkasse versagte das Kindergeld mit der Begründung, ein Kind könne – entsprechend der Anweisung in Abschn. 63.3.4 Abs. 5 ?DAFamEStG – nicht berücksichtigt werden, solange es sich aus einer Erwerbstätigkeit heraus um einen Ausbildungsplatz bewerbe.

 

Entscheidung

Der BFH bejahte die Berücksichtigungsvoraussetzungen, da der Sohn lediglich teilzeitbeschäftigt war und eine typische Unterhaltssituation nur bei einer Vollzeiterwerbstätigkeit entfällt. Die Entscheidung lässt ausdrücklich offen, ab welchem zeitlichen Umfang eine Vollzeiterwerbstätigkeit anzunehmen ist. 10,5 Arbeitsstunden pro Woche genügen dazu jedenfalls nicht. Nach Abschn. 63.3.2.6 Abs. 2a DAFamEStG ist eine Vollzeiterwerbstätigkeit erst dann anzunehmen, wenn die Arbeitszeit drei Viertel der üblichen Arbeitszeit erreicht.

 

Hinweis

Ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, wird beim Kindergeld u.a. berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird, sich in einer Übergangszeit von höchstens 4 Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befindet oder eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann und wenn seine Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, den Grenzbetrag (2001: 7.188 Euro; ab 2004: 7.680 Euro) nicht übersteigen.

Nach der Rechtsprechung sind diese Berücksichtigungsvoraussetzungen nicht erfüllt, wenn das Kind während dieser Zeit einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht. Dies beruht auf der typisierenden Annahme, dass eine Unterhaltspflicht der Eltern in diesem Zeitraum nicht besteht, und zwar unabhängig davon, ob das Kind tatsächlich so hohe Einkünfte erzielt, dass sein angemessener Lebensunterhalt gesichert ist (BFH, Urteil vom 15.9.2005, III R 67/04, BFH-PR 2006, 89). Das bedeutet, dass das Kind für die Zeit der Vollzeiterwerbstätigkeit auch dann nicht berücksichtigt werden kann, wenn seine Einkünfte und Bezüge insgesamt den Jahresgrenzbetrag nicht übersteigen würden. Bewirbt sich ein Kind aus einer Vollzeiterwerbstätigkeit heraus um einen Ausbildungsplatz, kann es – wegen Fehlens einer typischen Unterhaltssituation gegenüber den Eltern – daher erst nach Beendigung der Erwerbstätigkeit als Kind i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, d.h. als Kind, das eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann, berücksichtigt werden. Anders ist es, wenn sich das Kind aus ?einer Teilzeiterwerbstätigkeit heraus um einen Ausbildungsplatz bewirbt. Hier besteht – im Unterschied zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit – auch während der Beschäftigungszeit eine typische Unterhaltssituation, die die Berücksichtigung des Kindes rechtfertigt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 23.02.2006, III R 8/05, III R 46/05

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