Rz. 196

Die Funktion der Rücklage für eigene Anteile besteht in einer Ausschüttungssperre zum Schutz der Gläubiger. Zwar ist der Erwerb eigener Anteile gesellschaftsrechtlich nur zulässig, soweit er aus dem freien Vermögen erfolgt (§ 71 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 33 Abs. 2 Satz 1 GmbHG). Der Gesetzgeber hält dies jedoch nicht für ausreichend, sondern vertritt die Auffassung, dass der Gegenwert der aktivierten eigenen Anteile dauerhaft mit der verpflichtend zu bildenden Rücklage für eigene Anteile gegen eine Ausschüttung zu sperren ist. Dies ist auch gerechtfertigt, denn eigene Anteile sind besonders unsichere Werte. Sie bergen das Risiko, dass sich Unternehmensverluste noch verstärken. Anders als bei VG ist der Wert eigener Anteile grds. unmittelbar an die Wertentwicklung des Unt gebunden. Befindet sich ein Unt – aus welchen Gründen auch immer – in einer Schwächephase und erwirtschaftet Verluste, erhöhen sich diese Verluste üblicherweise noch durch die dann erforderliche außerplanmäßige Abschreibung der aktivierten eigenen Anteile.

 

Rz. 197

Mit dem verpflichtenden Ausweis der (aller) eigenen Anteile auf der Passivseite der Bilanz (§ 272 Abs. 1a und b HGB) ist die Rücklage für eigene Anteile entbehrlich geworden. Der Grund für die verpflichtende Bildung einer Rücklage für eigene Anteile, die Aktivierung eigener Anteile, besteht nur noch eingeschränkt, nämlich in Bezug auf die Anteile, die die bilanzierungspflichtige KapG an einem herrschenden oder einem mehrheitlich beteiligten Unt hält (sog. Rückbeteiligung). Demgemäß schreibt § 272 Abs. 4 Satz 1 HGB vor, dass für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unt eine Rücklage zu bilden ist. Die Beantwortung der Frage, ob ein Unt herrschend oder mehrheitlich beteiligt ist, bestimmt sich nach den §§ 16, 17 AktG. Es gilt der aktienrechtliche Unternehmensbegriff.[1] Dies umfasst regelmäßig das TU i. S. d. § 290 Abs. 1 HGB und damit kann ganz ausnahmsweise auch das GemeinschaftsUnt i. S. d. § 310 HGB gemeint sein, das von zwei MU gemeinsam beherrscht wird.[2] Die in DRS 22.8 enthaltene Definition, wonach zu den eigenen Anteilen auch die Anteile am Grund- oder Stammkapital eines MU gehören, die von einem anteilsmäßig einbezogenen GemeinschaftsUnt gehalten werden, hat in dieser generellen Form nur für den Konzernabschluss Bedeutung.

 

Rz. 198

Die Überlegungen, die für die Bildung einer Rücklage für eigene Anteile bei der emittierenden Ges. galten, galten und gelten auch für die Bildung einer Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten Unt. Mit der Vorschrift sollte und soll eine Lücke geschlossen werden. Aus der Sicht des herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unt macht es keinen Unterschied, ob es die eigenen Anteile selbst hält oder sie von einem abhängigen oder im Mehrheitsbesitz stehenden Unt gehalten werden, denn zumindest die in ihrer Bilanz ausgewiesene Beteiligung an dem abhängigen oder im Mehrheitsbesitz stehenden Unt repräsentiert wirtschaftlich auch die von diesem gehaltenen eigenen Anteile. Insofern rechtfertigt sich auch eine Ausschüttungssperre, denn etwaige Verluste des herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unt schlagen auf den Wertansatz der Anteile bei dem abhängigen oder im Mehrheitsbesitz stehenden Unt durch, was sich auf Ebene des herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unt wiederum auf den Beteiligungsansatz auswirkt.[3] Es besteht damit für das herrschende oder mehrheitlich beteiligte Unt die Gefahr der Verlustdoppelung auch dann, wenn die eigenen Anteile bei dem abhängigen oder im Mehrheitsbesitz stehenden Unt liegen.[4]

 

Rz. 199

§ 266 Abs. 3 A. III. 2. HGB sieht den gliederungstechnischen Ausweis der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unt innerhalb der Gewinnrücklagen vor. Unter systematischen Gesichtspunkten wäre es besser gewesen, die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unt als weitere Kategorie neben die Kapital- und die Gewinnrücklage zu stellen. Dies gilt umso mehr, als die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten Unt sowohl zulasten der Gewinnrücklagen als auch zulasten der frei verfügbaren Kapitalrücklage oder des Jahresergebnisses dotiert werden kann.

 

Rz. 200

Aktien einer herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten AG können gesellschaftsrechtlich zulässig nur unter den Voraussetzungen des § 71d Satz 2 AktG i. V. m. § 71 AktG erworben werden. Dabei ist von einem Ausweis im Umlaufvermögen auszugehen, wenn die Aktien zur Abwendung eines schweren und unmittelbar bevorstehenden Schadens (§ 71 Abs. 1 Nr. 1 AktG), zur Weiterveräußerung an Arbeitnehmer (§ 71 Abs. 1 Nr. 2 AktG), zur Abfindung von Aktionären (§ 71 Abs. 1 Nr. 3 AktG), zur Einziehung zwecks Herabsetzung des Grundkapitals (§ 71 Abs. 1 Nr. 6 AktG) oder zum Zweck des Wertpapierhandels (§ 71 Abs. 1 Nr. 7 AktG) erworben werden.[5] Darüber hinaus können eigene Aktien auch unentgeltlich oder im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erworben wer...

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