Rz. 287

Das Gesetz enthält keine Definition des beizulegenden Werts. Indem er auf den betriebsindividuellen Wert des VG für das bilanzierende Unt abzielt, unterscheidet sich der Wertmaßstab konzeptionell vom beizulegenden Zeitwert gem. § 255 Abs. 4 HGB (§ 255 Rz 207). Letzterer berücksichtigt lediglich die allgemeine Wertschätzung eines Guts durch den Markt. Im UV werden sich allerdings – anders als im AV – regelmäßig keine über den allgemeinen Marktpreisen liegende Betriebszugehörigkeitswerte feststellen lassen. Davon geht auch der Gesetzgeber aus, da die beiden übrigen Vergleichsmaßstäbe zum Buchwert am beizulegenden Zeitwert ausgerichtet sind. Unabhängig davon finden die für das AV vorgeschlagenen Hilfswerte zur Approximation des beizulegenden Werts (Rz 221 ff.) im Grundsatz auch zur Bewertung von VG des UV Anwendung.

Die Gesetzessystematik schreibt den Vorrang der Berücksichtigung eines Börsen- oder Marktpreises vor. Der daraus abzuleitende Vergleichswert zu den AHK repräsentiert eine ganz bestimmte Ausprägung des beizulegenden Werts am Stichtag. Die allgemeine Bewertungsanweisung des Abs. 3 Satz 2 greift demgegenüber nur subsidiär, nämlich wenn "ein Börsen- oder Marktpreis nicht festzustellen (ist)".

 

Rz. 288

Die Bestimmung des beizulegenden Werts kann beschaffungsmarkt- oder absatzmarktorientiert erfolgen. In bestimmten Fällen sollen beide Verfahrensweisen der Wertfindung erforderlich sein (doppelte Maßgeblichkeit). Hiergegen bestehen Bedenken (Rz 295).

 

Rz. 289

Eine Orientierung am Beschaffungsmarkt stellt auf die Ermittlung von Wiederbeschaffungskosten ab. Zur Ableitung des Vergleichswerts sind übliche Anschaffungsnebenkosten (z. B. Transportkosten) und Anschaffungskostenminderungen (z. B. Rabatte, Skonti) zu berücksichtigen. Lieferantenboni sind nur abzuziehen, wenn sie für die innerhalb einer bestimmten Periode (Gj, Quartal) abgenommenen Produkte insgesamt gewährt werden. Als solche rechnen sie zu den Anschaffungskostenminderungen eines VG. Das gilt nicht, wenn die Rückvergütung i. S. e. Treuebonus die Geschäftsbeziehung mit dem Kunden als solche und weniger die Bezugsmengen in einem zurückliegenden Zeitraum honorieren soll (§ 255 Rz 72).

 

Rz. 290

Der Orientierung am Absatzmarkt liegt das Prinzip der verlustfreien Bewertung zugrunde.[1] Die Grundidee besteht darin, einen Nettoverkaufswert für das zu bewertende Vorratsgut zu ermitteln, der den Betrag zum Ausdruck bringt, mit dessen Zufluss aus der Verwertung des VG das Unt aus Sicht des Abschlussstichtags mind. rechnen kann. Das erfordert es, vom geschätzten Verkaufserlös alle nach dem Abschlussstichtag anfallenden Aufwendungen abzusetzen, die das Einzahlungspotenzial der Vorräte am Stichtag belasten.

Das HGB enthält keine unmittelbaren Hinweise, ob der beizulegende Wert von VG des UV vom Beschaffungs- oder Absatzmarkt abzuleiten ist. Für einzelne Arten von VG des UV haben sich folgende Konventionen herausgebildet:[2]

 
Bilanzposten Ableitung des beizulegenden Werts vom
Roh,- Hilfs- und Betriebsstoffe Beschaffungsmarkt
Unfertige Erzeugnisse und Leistungen und Fertigerzeugnisse Absatzmarkt
Handelswaren Beschaffungs- und Absatzmarkt
Wertpapiere Absatzmarkt, ggf. auch Beschaffungsmarkt

Tab. 3: Ableitung des beizulegenden Werts

Ausnahmen zu den vorgenannten Grundsätzen werden bei den jeweiligen Bilanzposten erläutert.

 

Rz. 291

Sieht man die Aufgabe des Niederstwertprinzips darin, zwecks Information über die Schuldenbegleichungsfähigkeit des Bilanzierenden die Bedeutung der Buchwerte als Ausdruck von Mindesteinzahlungserwartungen zu gewährleisten, liegt eine konsequent absatzmarktorientierte Bewertung des Vorratsvermögens nahe. Nur mit Blick auf die Verwertungsmöglichkeiten ermittelte Vermögensverluste signalisieren eine verminderte Fähigkeit des Kfm., seine Schulden zu begleichen.[3] Unter diesen Werten liegende Wiederbeschaffungskosten indizieren lediglich entgehende Gewinne (Opportunitätskosten).[4] Ihre bilanzielle Berücksichtigung sieht sich durch das Imparitätsprinzip nicht gedeckt. Allein aus Objektivierungsgründen erscheint es vertretbar, im Einzelfall die Niederstbewertung hilfsweise an den Verhältnissen des Beschaffungsmarkts auszurichten. Das gilt etwa für RHB. Sie entziehen sich aufgrund der notwendigen Zurechnungsfiktionen regelmäßig einer nachvollziehbaren, systematisch zutreffenden verwertungsorientierten Bewertung.

 

Rz. 292

Kritisch ist danach insb. die doppelte Maßgeblichkeit bei Waren zu beurteilen. Das Abstellen auf den niedrigeren Wert aus beschaffungs- und absatzorientiert ermitteltem beizulegendem Wert ist Ausdruck eines überzogenen Vorsichtsdenkens, dem der Gesetzgeber in den letzten Jahren durch mehrere Änderungen bei den Bewertungsvorschriften die Grundlage entzogen hat.[5] U. E. sollten Handelswaren ausschl. absatzmarktorientiert bewertet werden. Eine außerplanmäßige Abschreibung scheidet danach aus, wenn ein Verkauf der Waren zu einem über den AK liegenden Preis zu erwarten ist.[6]

[1] Vgl. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6...

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