Rz. 199

Fremdkapitalzinsen gehören grds. nicht zu den AHK. Die Finanzierung ist als eigenständiger, von der Anschaffung oder Herstellung unabhängiger Vorgang zu verstehen.[1] Eine Aktivierung würde dem Realisationsprinzip widersprechen, weil die angefallenen Aufwendungen sonst neutralisiert und in eine andere Periode verlagert würden (§ 252 Rz 109 ff.). Die Aktivierung von Eigenkapitalzinsen scheidet zudem schon aufgrund des fehlenden pagatorischen Charakters (§ 252 Rz 134 ff.) aus.[2]

 

Rz. 200

Einzige Ausnahme vom Aktivierungsverbot für Fremdkapitalzinsen bilden Zinsen für Fremdkapital, das zur Finanzierung der Herstellung eines VG verwendet wird. Die Beschränkung des Aktivierungsverbots geht zudem mit der Anforderung einher, dass die entsprechenden Zinsen auf den Zeitraum der Herstellung entfallen. Die limitierte Möglichkeit der Einbeziehung von Fremdkapitalzinsen in die HK gewährt das Handelsrecht sowohl bei VG des Anlage- als auch des Umlaufvermögens.[3] Auch steuerrechtlich wird weiterhin mit R 6.3 Abs. 5 EStR 2012 bzgl. des Einbezugs dieser Fremdkapitalzinsen in die HK das Aktivierungswahlrecht aus dem HGB übernommen. Das Wahlrecht kann jedoch nur auf Ebene des Handelsrechts ausgeübt werden, was faktisch einer Aktivierungspflicht bzw. einem Aktivierungsverbot auf steuerrechtlicher Ebene entspricht. Die Einbeziehung der Bauzeitzinsen in die HK setzt entsprechend voraus, dass dies auch handelsrechtlich erfolgt (formelle Maßgeblichkeit).

 

Rz. 201

Unter Rückgriff auf den Ausnahmetatbestand sind aktivierte Fremdkapitalzinsen per Legaldefinition[4] nicht als echte HK zu verstehen. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit § 255 Abs. 3 Satz 2 HGB fiktive HK geschaffen. Sowohl der Gesetzgeber als auch ein Großteil der Literatur sprechen beim Einbeziehungswahlrecht für bestimmte Fremdkapitalzinsen daher nicht von einem Bewertungswahlrecht, sondern einer Bewertungshilfe.[5] Wenngleich bestehende Bedenken, etwa dass der Begriff der Bewertungshilfe möglicherweise der zwingenden Einhaltung des Stetigkeitsgebots entgegensteht, nicht gänzlich von der Hand zu weisen sind, scheint die Verwendung des Begriffs der Bewertungshilfe aber auch deshalb zulässig, weil aufgrund des fiktiven Charakters letztlich auch der Begriff des Bewertungswahlrechts nicht zutreffend ist.

 

Rz. 202

Wird die Bewertungshilfe in Anspruch genommen, hat bei KapG und ihnen gleichgestellten PersG gem. § 284 Abs. 2 Nr. 4 HGB eine Betragsangabe im Anhang zu erfolgen.

 

Rz. 203

I. R. e. Einbeziehung von Fremdkapitalzinsen ist der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit (§ 252 Rz 141 ff.) zu berücksichtigen.

[1] Zur Ausschluss-Begründung, dass AK nur mittelbar der Anschaffung dienen, s. BFH, Urteil v. 24.5.1968, BStBl 1968 II S. 574.
[2] Vgl. Kahle/Haas, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 255 HGB Rz 227, Stand: 12/2021.
[3] Vgl. Kahle/Haas, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 255 HGB Rz 221, Stand: 8/2017; ADS, 6. Aufl. 1995–2001, § 255 HGB Rz 202.
[4] § 255 Abs. 2 HGB spricht von HK als "Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Dienstleistungen" entstehen.
[5] BilReG-BgrRegE zu § 260 HGB-E, BT-Drs. 10/317 S. 88; anstatt vieler zudem Dziadkowski, BB 1982, S. 1336; a. A. ADS, 6. Aufl. 1995–2001, § 255 HGB Rz 210.

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