Rz. 175

§ 5 Abs. 1 EStG schreibt für die steuerliche Gewinnermittlung den Ansatz des sich nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung ergebenden Vermögens in der Bilanz vor. Da nach § 60 Abs. 2 EStDV die aus dem Handelsrecht bzw. der ordnungsmäßigen Buchführung abgeleitete Bilanz die Grundlage der Besteuerung bildet und ggf. vorliegende abweichende steuerliche Bestimmungen durch Zusätze oder Anmerkungen zu der Handelsbilanz angepasst werden, bezieht sich die Maßgeblichkeit explizit auf das Verhältnis zwischen den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung und den steuerrechtlichen Vorschriften.

Entsprechend sind für die steuerliche Gewinnermittlung auch die handelsrechtlichen GoB maßgebend. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG formuliert explizit nur die Bindung an die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, was zu Diskussionen hinsichtlich der Bindung auch an die übrigen handelsrechtlichen Vorschriften ohne GoB-Charakter geführt hat. Mit den Argumenten, dass der Inhalt der GoB auch durch die zwingenden gesetzlichen Regelungen gebildet wird und § 141 AO ausdrücklich die handelsrechtlichen Vorschriften in Bezug nimmt, umfasst der Maßgeblichkeitsgrundsatz nach h. M. alle zwingenden gesetzlichen Buchführungs- und Bilanzierungsvorschriften sowie impliziten Grundsätze.[1]

 

Rz. 176

Die Bindung des Steuerrechts an das Handelsrecht besteht dabei allerdings lediglich hinsichtlich des Betriebsvermögens, das bei Beachtung der GoB auszuweisen ist.[2] Unabhängig davon, ob eine Handelsbilanz aufgestellt worden ist oder nicht, gilt entsprechend die Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Vorschriften und explizit sowie implizit der kodifizierten handelsrechtlichen GoB.[3] Im Umkehrschluss besteht an eine unrichtige – etwa unter der Missachtung der GoB aufgestellte – Handelsbilanz keine Bindung.[4]

 

Rz. 177

Aus der Bindungswirkung der Gewinnermittlung nach EStG für jene nach GewStG folgt gleichzeitig auch die Bindung der gewerbesteuerrechtlichen Regelungen an die Handelsbilanz.[5]

 

Rz. 178

Analog zur Normen-Rangfolge innerhalb des HGB (Rz 18) ergibt sich daraus jedoch keinesfalls ein Vorrang der handelsrechtlichen Vorschriften und GoB vor abweichenden steuerrechtlichen Regelungen. Einschränkend stellt § 6 Abs. 1 Satz 1 EStG klar, dass die Vorschriften des § 6 EStG für die Bewertung der gem. § 5 EStG anzusetzenden Wirtschaftsgüter gelten. Für die Rückstellungsbewertung bedeutet das etwa: Die steuerrechtlichen Bewertungsvorschriften in § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG haben keinen absoluten Vorrang vor den handelsrechtlichen Bewertungsregeln, sondern wirken, wie der BFH unter Hinweis auf die Formulierung "höchstens insbesondere" betont hat, begrenzend:[6]

  • Überschreitet der steuerrechtliche Wertansatz den handelsrechtlichen Wertansatz, gilt der niedrigere handelsrechtliche Wert.[7]
  • Liegt der handelsrechtliche Wertansatz hingegen über dem steuerlichen Wert, durchbricht § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG die handelsrechtliche Bewertung. Die steuerrechtlichen Sonderbestimmungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. a bis f EStG führen dann dazu, dass der handelsrechtliche Wertansatz (Obergrenze) unterschritten wird.[8] Hieraus folgt, dass stets der niedrigere Wert anzusetzen ist.

Aus den Vorschriften des § 7 EStG ergibt sich der gleiche Normenvorrang hinsichtlich der AfA (Absetzung für Abnutzung, Abschreibung).

Daraus ergibt sich, dass die Bindung an die Handelsbilanz vorrangig hinsichtlich des Ansatzes von Wirtschaftsgütern greift. Bewertungsbezogene handelsrechtliche Regelungen, denen keine steuerrechtlichen Vorschriften (der §§ 6 und 7 EStG) entgegenstehen, sind weiterhin maßgeblich. Auch sind die handelsrechtlichen Werte Ausgangspunkt für die Vornahme ggf. notwendiger steuerlicher Wertanpassungen, wobei das Übergangswahlrecht nach Art. 67 Abs. 1 Satz 2 EGHGB unbeachtlich ist. Danach bedurfte es einer Auflösung von Rückstellungen wegen der geänderten Bewertungsregelungen des BilMoG nicht, soweit der aufzulösende Betrag bis spätestens zum 31.12.2024 wieder zugeführt werden muss. Hat ein Unt das Fortführungswahlrecht gewählt, so ist dieser (höhere) Wert auch der Ausgangspunkt für die ggf. notwendige steuerliche Anpassung der Bewertung.[9] Wird das Wahlrecht ausgeübt, kommt es somit zu einem nach Maßgabe des "alten Rechts" GoB-konformen Wertansatz.

 

Rz. 179

Hinsichtlich der regelmäßigen greifenden Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Vorschriften/GoB im Zuge des Ansatzes sind allerdings ebenfalls Einschränkungen einschlägig. Das Vermögen des Kfm. i. S. v. § 242 Abs. 1 HGB ist nicht mit dem steuerrechtlichen Betriebsvermögen i. S. v. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG gleichzusetzen[10], welches lediglich notwendiges oder gewillkürtes (Betriebs-)Vermögen umfasst.[11] Das Betriebsvermögen umfasst ferner lediglich Wirtschaftsgüter und nicht die Gesamtheit der VG, zu denen etwa auch steuerrechtlich nicht ansatzfähige Bilanzierungshilfen gehören.

 

Rz. 180

Aus dem Anwendungsvorrang der steuerrechtlichen Spezialvorschriften ergibt...

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