Rz. 69

Die Finanzlage ist sehr eng mit der Vermögenslage verbunden und kann isoliert häufig nicht sinnvoll interpretiert werden. Im Fokus steht die Finanzstruktur des Unt, die sich einerseits aus der Passivseite der Bilanz und den dort dargestellten Kapitalquellen des Unt ergibt. Andererseits bedarf es zur Einschätzung der Finanzlage Informationen über Finanzflüsse, die in einer Kapitalflussrechnung geboten werden. Auch wenn diese für den Konzernabschluss und nur in seltenen Fällen auch für den Einzelabschluss explizit vom HGB gefordert werden (Rz 28) und nach internationalen Rechnungslegungsnormen zu einem vollständigen Abschluss gehören, ist es nach h. M. ausreichend, die geforderte Darstellung der Finanzlage lediglich mit den explizit vorgeschriebenen Bestandteilen Bilanz, GuV und Anhang zu erfüllen. Aus den in diesen Bestandteilen enthaltenen Einzelinformationen müssen sich die Abschlussadressaten eine Kapitalflussrechnung ableiten (Rz 29 f.). Der Bedarf an einer Darstellung der Finanzlage in Form von Cashflow-Ermittlungen oder Kapitalflussrechnungen wird gleichwohl in der Theorie gesehen[1] und in der Praxis vielfach auf freiwilliger Basis gedeckt.

 

Rz. 70

Die Analyse der Finanzlage soll Erkenntnisse über die Fähigkeit eines Unt zur finanzwirtschaftlichen Aufgabenerfüllung liefern. V. a. geht es um die Sicherung der jederzeitigen Zahlungsfähigkeit, aber auch um die Unterstützung der betrieblichen Güterwirtschaft durch Optimierung der finanziellen Rahmenbedingungen sowie um die Aufwands- und Ertragswirkungen finanzieller Entscheidungen. Die Finanzanalyse beschäftigt sich zum einen mit der Analyse der Finanzstruktur als beständebezogene Finanzanalyse, zum anderen mit der Analyse des Finanzgeschehens als bewegungsbezogene Analyse.[2]

 

Rz. 71

Während die beständebezogene Finanzanalyse primär auf das Stichtagsbild von Vermögen und Kapital, d. h. auf Vermögensstruktur, Kapitalstruktur und Deckungsrelationen von Vermögen und Kapital, abstellt und versucht, Finanzstrukturen als Indiz für finanzpolitische Ausgewogenheit zu erkennen und künftige Zahlungsströme aus Beständen abzuleiten, soll die bewegungsbezogene Finanzanalyse untersuchen, welche Finanzmittel durch die Unternehmenstätigkeit erwirtschaftet und wie diese verwendet worden sind.

 

Rz. 72

Die stromgrößenorientierte Analyse zielt des Weiteren auf eine Prognose künftiger Zahlungsströme ab, indem diese aus Zahlungsströmen der Vergangenheit abgeleitet werden. Im Mittelpunkt der bewegungsbezogenen Finanzanalyse steht eine umfassende Cashflow-Analyse, welche, soweit keine freiwillige Angabe vorliegt, Cashflow-Ermittlung, Cashflow-Kennzahlen, Cashflow-Verwendung und Kapitalflussrechnung (Cashflow-Statement) umfasst.[3]

 

Rz. 73

Besonders zur Einschätzung von zukünftigen Entwicklungen ist es nachteilig, dass das HGB für sonstige finanzielle Verpflichtungen lediglich eine Pflichtabgabe im Anhang verlangt und auf die symmetrische Darstellung der sonstigen finanziellen Einzahlungen verzichtet.[4] Auch darf die Asymmetrie von Ansatz und Bewertung zwischen Vermögen und Schulden nicht außer Acht gelassen werden. So werden dem Imparitätsprinzip folgend an Ansatz und Bewertung von VG deutlich höhere Anforderungen gestellt als an Ansatz und Bewertung von Schulden. Erstere sind erst anzusetzen, wenn sie quasi sichere Ansprüche verkörpern, und sind bei der Bewertung auf einen Abwertungsbedarf hin zu untersuchen, Letztere dürfen einen weit höheren Grad an Unsicherheit aufweisen und unterliegen eher dem Höchstwerttest.

[1] Vgl. z. B. ADS, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl. 1995–2001, § 264 HGB Rz 75.
[2] Vgl. Müller, in Kußmaul/Müller, HdB, Bilanzanalyse in der HGB- und IFRS-Rechnungslegung, Rz 138 ff., Stand: 19.7.2022.
[3] Vgl. Lachnit/Müller, Bilanzanalyse, 2. Aufl. 2017, S. 5.
[4] Vgl. Ballwieser, in Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 264 HGB Rz 41, Stand: 5/2019.

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