Rz. 105

Die in § 322 Abs. 2 Satz 2 HGB enthaltene Anforderung nach einer allgemein verständlichen und problemorientierten Beurteilung wird ergänzt durch Abs. 3 Satz 2, wonach der Abschlussprüfer zusätzliche Hinweise auf Umstände aufnehmen kann, auf die er in besonderer Weise aufmerksam machen möchte. Mit diesen Regelungen wollte der Gesetzgeber dem Abschlussprüfer die Abkehr vom reinen "Formeltestat" zum problemorientierten Bestätigungsvermerk ermöglichen (Rz 2), indem über das eigentliche Prüfungsurteil hinaus eine weitere Beurteilung des Prüfungsergebnisses vorgenommen wird. Der Hinweis auf besondere Umstände wird gelegentlich auch als "sonstiger ergänzender Hinweis" bezeichnet.[1]

 

Rz. 106

Es handelt sich bei der Regelung um eine "Kann-Vorschrift", während der Hinweis auf Bestandsgefährdungen gem. § 322 Abs. 2 Satz 3 HGB obligatorisch ist (Rz 100). Die Formulierung "besondere Umstände" verdeutlicht, dass im Regelfall keine derartigen Hinweise erforderlich sind. In Einzelfällen können Hervorhebungen von Sachverhalten oder weitergehende Erläuterungen zum Inhalt der Rechnungslegung oder zur Tragweite des Prüfungsergebnisses sachgerecht sein. Zusätzliche Hinweise sind allerdings auf die Sachverhalte begrenzt, auf die der Abschlussprüfer trotz ordnungsgemäßer Darstellung in Jahresabschluss und Lagebericht aufmerksam machen möchte wegen verbleibender Unsicherheiten, die vom Ergebnis zukünftiger Vorgänge oder Ereignisse abhängen und nicht von der Gesellschaft unmittelbar beeinflusst werden können (z. B. noch laufende Verhandlungen, schwebende Rechtsstreitigkeiten).[2]

 

Rz. 107

Derartige Hinweise haben keinen Einfluss auf das Prüfungsurteil des Abschlussprüfers und können somit auch nicht eine Einschränkung oder Versagung des Bestätigungsvermerks ersetzen.[3] Daher ist für den Abschlussprüfer eine eindeutige Abgrenzung dieser Hinweise von Prüfungshemmnissen oder Einwendungen vorzunehmen.

Beispiele für derartige Hinweise auf besondere Umstände sind:[4]

  • verbleibende wesentliche Unsicherheiten: z. B. laufende Verhandlungen, schwebende Prozesse, Risiken aus langfristigen Aufträgen, steuerliche Risiken, Risiken im Zusammenhang mit geschätzten Werten, Risiken bzgl. der Aufrechterhaltung wesentlichen Fremdkapitals.
  • Hinweis zur Erfüllung der Generalnorm: In kritischen Grenzfällen, in denen es zweifelhaft sein könnte, ob die Rechnungslegung die Generalnorm erfüllt und in denen keine Einschränkung des Bestätigungsvermerks erforderlich ist, könnte es sachgerecht sein, bei der Beurteilung des Prüfungsergebnisses auf die Unsicherheit hinzuweisen.
  • Hinweis aufgrund ergänzender Rechnungslegungsnormen des Gesellschaftsvertrags oder der Satzung: Gegenstand eines derartigen Hinweises könnten z. B. Unsicherheiten über die Auslegung von derartigen Vorschriften sein. Kann der Sachverhalt bis zum Abschluss der Prüfung nicht geklärt werden und erscheint die der Bilanzierung zugrunde liegende Interpretation der Regelung nicht unvertretbar, kann ein Hinweis durch den Abschlussprüfer sachgerecht sein.
  • Bedeutsame Ereignisse: Soweit zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Erteilung des Bestätigungsvermerks bedeutsame Ereignisse eintreten, kann es sich empfehlen, im Bestätigungsvermerk darauf hinzuweisen, unabhängig von der Darstellung der gesetzlichen Vertreter in Jahresabschluss und Lagebericht.
  • Hinweis aufgrund prognostischer Angaben im Lagebericht: Wenn der Abschlussprüfer seine Beurteilung von wesentlichen prognostischen Aussagen im Lagebericht weitgehend nur auf Erklärungen der gesetzlichen Vertreter der Ges. stützen kann, kann hierauf in Form eines Hinweises einzugehen sein.
  • Besondere Gegebenheiten: Weist die Bilanz einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus ("Unterbilanz"), ohne dass dieser i. Z. m. einer Gefährdung des Fortbestands des Unternehmens steht (z. B. wegen erheblicher stiller Reserven oder aufgrund zwischenzeitlich erfolgter Sanierungsmaßnahmen), kann ein Hinweis im Bestätigungsvermerk zur Verdeutlichung dieses Sachverhalts angezeigt sein. Ebenso könnte die Tatsache, dass es sich bei dem geprüften Unternehmen um ein sog. Start-up handelt, Grundlage für einen Hinweis auf somit immanent höhere (Planungs-)Risiken sein. Denkbar ist ferner, dass es der Abschlussprüfer für notwendig erachtet, auf die Korrektur von Fehlern in laufender Rechnung auf diesem Wege ausdrücklich aufmerksam zu machen.
  • Hinweis auf abweichende Prüfungsergebnisse bei Gemeinschaftsprüfungen: Können sich die Gemeinschaftsprüfer nicht auf ein gemeinsames Prüfungsurteil einigen, hat jeder Gemeinschaftsprüfer sein Prüfungsurteil in einem eigenen Bestätigungsvermerk zu formulieren. In dem jeweiligen Bestätigungsvermerk ist i. R. d. Beurteilung des Prüfungsergebnisses auf die abweichenden Ergebnisse der anderen beteiligten Prüfer hinzuweisen (Rz 203).[5]
 

Rz. 108

In Übereinstimmung mit ISA 706 (Revised) wird nunmehr unterschieden zwischen

  • Hinweisen zur Hervorhebung eines Sachverhalts (Rz 109),
  • Hinweisen auf einen sonstigen Sachverhalt (Rz 110).
 

Rz. 1...

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