Rz. 204

Der entgeltlich erworbene Geschäfts- oder Firmenwert (GoF) gilt als zeitlich begrenzt nutzbarer VG[1] und muss zwingend aktiviert werden (§ 246 Rz 89). Für seine Folgebewertung sind die allgemeinen Abschreibungsregelungen des § 253 HGB anzuwenden, sodass der GoF über seine individuelle betriebliche Nutzungsdauer planmäßig oder, falls entsprechende Voraussetzungen vorliegen, außerplanmäßig (Rz 242) abgeschrieben werden muss.[2]

 

Rz. 205

Kann die voraussichtliche Nutzungsdauer des GoF nicht zuverlässig geschätzt werden, ist er nach § 253 Abs. 3 Satz 3 und 4 HGB typisierend über einen Zeitraum von zehn Jahren planmäßig abzuschreiben. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift geht der Gesetzgeber aber üblicherweise von einer Schätzbarkeit der individuellen betrieblichen Nutzungsdauer des entgeltlich erworbenen GoF aus.[3] Die typisierte Abschreibung über zehn Jahre erachtet er insoweit nur ausnahmsweise für erforderlich.[4] Die Frage, wie die Nutzungsdauer ermittelt werden soll bzw. wann eine Schätzung gerade nicht mehr zuverlässig ist und die Typisierung gerechtfertigt sein soll, thematisiert der Gesetzgeber nicht.

 

Rz. 206

Als Anhaltspunkte für die Schätzung der individuellen betrieblichen Nutzungsdauer werden in der Regierungsbegründung des BilMoG – weitgehend analog zu dem u. a. die Abschreibung eines GoF aus der Konsolidierung regelnden DRS 23 – die folgenden recht allgemein und breit gefassten Beispiele herangezogen, die auch weiterhin unterstützend verwendet werden können:[5]

  • Art und voraussichtliche Bestandsdauer des erworbenen Unt,
  • Stabilität und Bestandsdauer der Branche des erworbenen Unt,
  • Lebenszyklus der Produkte des erworbenen Unt,
  • Auswirkungen von Veränderungen der Absatz- und Beschaffungsmärkte sowie der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auf das erworbene Unt,
  • Umfang der erforderlichen Erhaltungsaufwendungen, um den erwarteten ökonomischen Nutzen des erworbenen Unt zu realisieren,
  • Laufzeit wichtiger Absatz- oder Beschaffungsverträge des erworbenen Unt,
  • voraussichtliche Tätigkeit von wichtigen Mitarbeitern/Mitarbeitergruppen für das erworbene Unt,
  • erwartetes Verhalten potenzieller Wettbewerber des erworbenen Unt,
  • voraussichtliche Dauer der Beherrschung des erworbenen Unt.
 

Praxis-Beispiel[6]

Die Mode AG ist ein BekleidungsUnt. Sie hat am 1.1.01 die vor sechs Jahren gegründete Duft GmbH, die Parfum herstellt, aufgekauft, um ihr eigenes Produktsortiment dauerhaft zu erweitern. In der Vergangenheit waren die von der Duft GmbH entwickelten Parfums trotz einer Vielzahl von Konkurrenzangeboten durchschnittlich drei Jahre am Markt gut zu verkaufen. Danach erwarteten die Kunden erfahrungsgemäß einen neuen Duft. Der Erfolg der Duft GmbH basiert insb. auf der Kreativität der drei Firmengründer, die die jeweiligen Düfte entwickelt haben. Sie haben sich verpflichtet, nach dem Unt-Verkauf ca. fünf Jahre weiterhin für die Mode AG tätig zu sein. Anschließend werden sie sich voraussichtlich (aus Altersgründen) zurückziehen. Die Duft GmbH hat wegen des in der Mode- und Parfumindustrie typischen Saisongeschäfts ihre Beschaffungs- und Absatzvereinbarungen bisher immer nur für eine Saison festgelegt.

Unter Berücksichtigung der o. g. Anhaltspunkte für die Schätzung der betriebsindividuellen Nutzungsdauer des GoF bei der Mode AG sind folgende Aussagen möglich:

  • Die Stabilität und Bestandsdauer der Branche, in der die Duft GmbH angesiedelt ist, sind wegen des schnell wechselnden Modegeschmacks als tendenziell kurz einzustufen.
  • Die Produktlebenszyklen in der Duft GmbH wurden auf durchschnittlich drei Jahre beziffert.
  • Die Duft GmbH hat nur saisonale Absatz- und Beschaffungsverträge abgeschlossen.
  • Die für die Parfumentwicklung verantwortlichen Personen werden voraussichtlich nach fünf Jahren das Unt verlassen.

Auch wenn weder die Bestandsdauer der Duft GmbH noch die voraussichtliche Beherrschung der Duft GmbH durch die Mode AG zeitlich befristet ist, wird der betriebsindividuelle Nutzen aus dem i. R. e. Unt-Erwerbs entstandenen GoF für die Mode AG nicht unbegrenzt sein. Unter Vorsichtsaspekten wird eine eher kurze Abschreibungsdauer erforderlich sein, die sinnvollerweise zwischen drei und fünf Jahren liegen wird.

 

Rz. 207

Wie anhand des Beispiels ersichtlich wird, setzt sich ein GoF i. d. R. aus einer Vielzahl verschiedener Faktoren zusammen.[7] Daher ist die Schätzung seiner betriebsindividuellen Nutzungsdauer regelmäßig mit Unsicherheiten behaftet[8] und hängt letztendlich auch von den Einschätzungen des bilanzierenden Kfm. ab.[9] Mit einer entsprechenden Argumentation wird es in einem konkreten Fall grds. möglich sein, sowohl die Bestimmbarkeit als auch die Nichtbestimmbarkeit der Nutzungsdauer zu begründen und somit typisiert über zehn Jahre abzuschreiben oder auch nicht.[10]

Vor dem Hintergrund dieser Unsicherheiten kann aus Gründen der Objektivierung, aber auch unter Wirtschaftlichkeitsaspekten, eine grds. Typisierung der Abschreibung eines entgeltlich erworbenen GoF als sinnvoll erachtet werden.[11]

 

Rz. 208

Die typisierte ...

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