Rz. 193

Mit Blick auf den Einzelbewertungsgrundsatz nach § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB i. V. m. § 253 Abs. 3 Satz 1 und 2 HGB ließe sich begründen, dass eine Differenzierung zwischen Bilanzierungs- und Bewertungseinheiten handelsrechtlich nicht vorgesehen und ein planmäßig abzuschreibender VG nach einem einheitlichen Plan insgesamt einheitlich abzuschreiben sei.[1]

 

Rz. 194

Dennoch haben sich unter dem Einfluss der internationalen Rechnungslegung die handelsrechtlichen GoB dahingehend fortentwickelt, dass durch eine komponentenweise Abschreibung von VG deren Werteverzehr zutreffender abgebildet werden kann, ohne dass ein Verstoß gegen den Einzelbewertungsgrundsatz oder die Abgrenzung von VG nach dem Konzept des einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs vorliegt.[2] Der VG bleibt unverändert die zu bilanzierende und zu bewertende Einheit. Lediglich die Anwendung der Methode der planmäßigen Abschreibung auf die einzelnen Komponenten soll zu einer zutreffenderen Approximation des tatsächlichen Werteverzehrs führen. Kritikern dieser Überlegungen kann entgegengehalten werden, dass früher schon aufgrund steuerlicher Besonderheiten in der HB (in Übereinstimmung mit der Steuerbilanz) komponentenweise abgeschrieben wurde. Sog. Betriebsvorrichtungen (R 7.1 Abs. 3 EStR 2012) werden nach weit verbreiteter betrieblicher Praxis separat abgeschrieben, obwohl sie wesentliche Bestandteile des Gebäudes sind. Deutlich wird dies am Beispiel eines Lastenaufzugs, der die Vermögensgegenstandseigenschaft nicht erfüllt, da er nicht selbstständig verwertbar ist, gleichwohl aber aufgrund der steuerlichen Behandlung bislang schon in der HB separat abgeschrieben wurde. Trotz einer langjährigen faktischen Anwendung des Komponentenansatzes sowohl in der Handels- als auch in der Steuerbilanz, ist er steuerlich formal – im Gegensatz zum Handelsrecht – aktuell unzulässig.[3]

 

Rz. 195

Voraussetzung für die handelsrechtliche Anwendung des Komponentenansatzes ist, dass der VG in physisch separierbare Komponenten zerlegt werden kann, die in Relation zum VG auch wesentlich sind.[4] Dadurch kommt eine Anwendung auf künftige Großreparaturen und Inspektionen sowie insgesamt auf virtuelle Komponenten nicht infrage.[5] Durch die Bedingung, dass eine wesentliche Komponente vorliegen muss, soll außerdem einer Atomisierung von VG in ihre Einzelteile vorgebeugt werden. Die Frage, wann eine Komponente wesentlich ist, ist jedoch nicht geklärt. Wie von Schubert/Andrejewski vorgeschlagen, scheint eine Orientierung an der 5 %-Grenze, wie sie etwa im Zusammenhang mit der Festwertbildung zur Anwendung kommt, durchaus sinnvoll.[6]

 

Rz. 196

Für jede Komponente wird eine eigene Nutzungsdauer bestimmt, über die diese abgeschrieben wird. Anwendungsfälle ergeben sich insb. in solchen Konstellationen, bei denen einzelne wesentliche Komponenten deutlich kürzere Nutzungsdauern aufweisen als der gesamte VG. Wird die mit einer kürzeren Nutzungsdauer abgeschriebene Komponente durch eine neue ersetzt, ist demnach ein Teilabgang des VG i. H. d. Restbuchwerts der alten Komponente zu berücksichtigen. Die AHK der Ersatzkomponente stellen dementsprechend nachträgliche AHK dar, die wiederum über die Laufzeit der Komponente zu verteilen sind.[7]

 
Praxis-Beispiel

Ein Unt baut ein Bürogebäude, das betrieblich genutzt werden soll. Von den Gesamt-HK i. H. v. 750.000 EUR entfällt ein Teilbetrag von 150.000 EUR auf das Dach. Nach dem Komponentenansatz sind Dach und Restgebäude separat abzuschreiben. Während für das Dach eine Nutzungsdauer von 20 Jahren geschätzt wird, wird für das Restgebäude eine Nutzungsdauer von 60 Jahren angesetzt. Es kommt jeweils die lineare Methode zur Anwendung. Zu Beginn des Jahrs 21 wird das Dach durch ein neues ersetzt, dessen HK sich auf 200.000 EUR belaufen.

 
Jahr Buchwert Dach Abschreib. Dach Buchwert Rest­gebäude Abschreib. Rest­gebäude Buchwert des VG Gebäude Abschreib. des VG ­Gebäude
  (1) (2) (3) (4) (5)=(1)+(3) (6)=(2)+(4)
1 142.500 7.500 590.000 10.000 732.500 17.500
2 135.000 7.500 580.000 10.000 715.000 17.500
7.500 10.000 17.500
20 0 7.500 400.000 10.000 400.000 17.500
21 190.000 10.000 390.000 10.000 580.000 20.000
           

Durch die separate Abschreibung der Komponente Dach wird ein gleichmäßiger Aufwandsverlauf erreicht. Deutlich wird dies am Jahr 21, in dem der Austausch des Dachs erfolgt. Würde das Gebäude einheitlich über 60 Jahre abgeschrieben, ergäbe sich zwar in den Jahren 1–20 eine niedrigere Abschreibung (800.000 EUR/60 Jahre = 13.300 EUR). Im Jahr 21 wäre aber der Ersatz des Dachs als Reparaturaufwand voll aufwandswirksam zu behandeln. Dies entspricht nicht dem tatsächlichen Nutzenverlauf, da das neue Dach erneut 20 Jahre halten wird.

 

Rz. 197

Außerplanmäßige Abschreibungen nach § 253 Abs. 3 Satz 3 HGB kommen bei Anwendung des Komponentenansatzes nur für den VG insgesamt in Betracht. Somit reichen Wertminderungen bei einzelnen Komponenten nicht zur Begründung einer außerplanmäßigen Abschreibung aus; sie sind vielmehr mit etwaigen...

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