Rz. 46

Erklärtes Ziel der Änderung des § 290 HGB durch das BilMoG war es, die Einbeziehungspflicht auf ZweckGes. auszuweiten. ZweckGes. sind Unt, die im Interesse eines MU oder TU (sog. Sponsor) tätig sind. Sie werden gegründet, um ein enges und genau definiertes Ziel zu erreichen und können die Rechtsform einer KapG, eines Treuhandfonds (unselbstständiges Sondervermögen), einer PersG oder einer sonstigen juristischen Person haben.[1] Die Gründung von ZweckGes. geht i. d. R. mit rechtlichen Vereinbarungen einher, die der Entscheidungsmacht des Vorstands, Treuhänders oder des Managements der ZweckGes. strenge und häufig dauerhafte Grenzen vorgeben, die etwa die Geschäftspolitik an bei der Gründung festgelegte Vorgaben binden. Der Sponsor transferiert häufig VG zur ZweckGes. Im Gegenzug erhält er das Recht zur Nutzung von VG. Die Finanzierung der ZweckGes. wird dagegen – zumindest in großen Teilen – regelmäßig von anderen Parteien erbracht. Eine nutzbringende Beteiligung an einer ZweckGes. kann etwa in Form eines Schuldinstruments, eines Eigenkapitalinstruments, einer Gewinnbeteiligung, eines Residualanspruchs oder eines Leasingverhältnisses bestehen. Im Regelfall entsteht dem Sponsor aus dem Konstrukt eine wesentliche nutzbringende Beteiligung an der Geschäftstätigkeit, wenngleich sein Eigenkapitalanteil gering ist.

Ihnen ist entsprechend gemein, dass sie für den Sponsor zwar Nutzen und Risiken generieren, der gesellschaftsrechtlich fixierte Einfluss des Sponsors aber gering ist. Typische Beispiele für ZweckGes. sind Leasing-Objektgesellschaften, Conduits und Spezialfonds.[2]

 
Praxis-Beispiel

So stellen die sog. Conduits eine Refinanzierungsstruktur, die mittels einer ZweckGes. Forderungen wie bspw. langfristige Kredite, Handelsforderungen oder einem externen Rating unterzogene Wertpapiere einmalig oder revolvierend ankauft und diese über die Ausgabe von Geldmarktpapieren refinanziert, dar. Solche ZweckGes. werden auch als Structured Investment Vehicle (SIV) oder Spezial Purpose Vehicle (SPV) bezeichnet.[3]

Die hinter solchen Konstruktionen bestehende Intention liegt i. d. R. in der Verbesserung von bilanziellen oder ergebnisorientierten Kennzahlen, die erreicht wird, indem etwa Aktiva ausgelagert und dadurch Veräußerungsgewinne erzielt oder zukünftige Aufwendungen vermieden werden.[4]

 

Rz. 47

Konkret will der Gesetzgeber die Einbeziehung von ZweckGes. in den Konzernabschluss des Sponsors sicherstellen, um diese Gestaltungen zu unterbinden.[5] Dafür wurde der eine Beherrschungsmöglichkeit avisierende Tatbestandskatalog in § 290 Abs. 2 HGB um ein viertes Kriterium erweitert. Demnach hat bei wirtschaftlicher Betrachtung das die Mehrzahl der Chancen und Risiken tragende Unt die ZweckGes. zu konsolidieren. Der Rechtsausschuss, der die von der Bundesregierung hierzu vorgeschlagenen Änderungen überarbeitet und konkretisiert hat, verweist in seiner Begründung explizit auf die Inhalte des durch IFRS 10 ersetzten SIC 12, die auf die handelsrechtlichen Regeln zur Aufstellungspflicht und Abgrenzung des KonsKreis übertragen werden. Die wesentlichen Merkmale von ZweckGes. sind nach SIC 12.1–3 (bzw. DRS 19.38 ff.):

  • Gründung für ein eng und genau definiertes Ziel, wie die Durchführung von Leasing, Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten oder Verbriefungen von Finanzinstrumenten;
  • die Entscheidungsmacht des Leitungsorgans ist dauerhaft beschränkt oder nur sehr eng;
  • es ist ein "Autopilot" zur Steuerung des Unt eingesetzt, der nur durch den Sponsor beeinflusst werden kann;
  • der Sponsor wickelt Transaktionen mit dem Unt ab, während der Kapitalgeber lediglich die Finanzierung übernimmt.
 

Rz. 48

Die Konsolidierungspflicht ist gegeben, wenn das Unt (die ZweckGes.) bei wirtschaftlicher Betrachtung beherrscht wird. Liegt eine Beherrschung in Form einer Vorbestimmung der Geschäftstätigkeit ("Autopilot") oder in sonstiger Weise vor, ergibt sich eine Einbeziehung ggf. bereits aus § 290 Abs. 2 Nr. 3 HGB.

 

Rz. 49

Zur Identifizierung von konsolidierungspflichtigen ZweckGes. ist eine qualitative Gesamtschau der Risiko- und Chancenverteilung erforderlich. Führt diese nicht zu einem eindeutigen Bild, kann etwa eine wahrscheinlichkeitsorientierte Szenarientechnik bei der Bestimmung helfen, wer im Wesentlichen die Chancen und Risiken trägt,[6] wobei die Problematik der Gestaltbarkeit auch durch dieses Verfahren nicht ausgeschaltet werden kann. Entscheidend ist, wer im Wesentlichen die Risiken trägt.

 

Rz. 50

Indizien für die wirtschaftliche Betrachtung sind in Anlehnung an den inzwischen in IFRS 10 integrierten SIC 12.10, auf den sich der Rechtsausschuss bezieht,[7] die folgenden:

  • Die Geschäftstätigkeit wird zugunsten des MU geführt, d. h. auf dessen Bedürfnisse abgestimmt.
  • Das MU ist in der Lage, die Mehrheit des Nutzens aus dem Unt zu ziehen oder hat diese Macht delegiert.
  • Das MU hat das Recht, die Mehrheit des Nutzens aus dem Unt zu ziehen und ist deshalb auch möglicherweise Risiken aus dessen Geschäftstätigkeit ausgesetzt.
  • Das MU hält die Mehrheit der mit...

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