Rz. 162

Eine Rückstellung für drohende Verluste kommt nur für den Teil eines Dauerschuldverhältnisses in Betracht, der am Abschlussstichtag noch nicht erfüllt ist.[1]

 

Rz. 163

Eine Drohverlustrückstellung ist für den schwebenden Teil des Dauerbeschaffungsgeschäfts nur dann zu bilden, wenn ein Verlust droht. Eine Rückstellung wegen entgangener Gewinne kommt demgegenüber nicht in Betracht (Rz 152).

 
Praxis-Beispiel

Ein Unt schließt im März 01 einen Darlehensvertrag mit einer Bank zu einem zu diesem Zeitpunkt marktüblichen Festzinssatz von 7,5 %. Bei Aufstellung des Jahresabschlusses auf den 31.12.01 ist der Marktzinssatz infolge einer im vierten Quartal 01 einsetzenden Finanz- und Wirtschaftskrise auf 6,0 % gesunken.

Die Absenkung des Zinsniveaus bedeutet nicht automatisch, dass dem Unt in Zukunft Verluste drohen, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass nicht zukünftig entgehende Gewinne vorliegen. Vielmehr ist der zukünftige Beitrag des Kreditvertrags zum Unternehmenserfolg mit den zukünftig noch zu zahlenden Aufwendungen zu vergleichen. Die Tatsache, dass der Kreditgeber das Darlehen voraussichtlich bis Laufzeitende im Unt belässt, kann dabei auch einen nicht zu unterschätzenden Erfolgsbeitrag für das Unt bedeuten. Eine Rückstellung für drohende Verluste ist nicht zu bilden.

 

Rz. 164

In den Fällen, in denen die Gegenleistung für das Unt objektiv wertlos ist (Fehlmaßnahmen), ist eine Drohverlustrückstellung zu bilden. Ein Ansatz von Drohverlustrückstellungen bei Dauerschuldverhältnissen erfordert die Widerlegung der für schwebende Geschäfte geltenden Ausgeglichenheitsvermutung.

 
Praxis-Beispiel

Ein norddeutsches Unt beabsichtigt, eine neue Zweigniederlassung in München zu errichten. Zu diesem Zweck wird im Oktober 01 ein Mietvertrag über Büroräumlichkeiten in München mit einer 5-jährigen Laufzeit, beginnend ab dem 1.1.02, abgeschlossen. Im Dezember 01 entscheidet die Geschäftsführung des Unt wegen eingetrübter Konjunkturaussichten, die Zweigniederlassung doch nicht zu errichten, da man sich auf den norddeutschen Kernmarkt konzentrieren möchte.

Im Jahresabschluss zum 31.12.01 ist eine Rückstellung für drohende Verluste zu bilden.

 

Rz. 165

Aber nicht nur für Fehlmaßnahmen kommt eine Drohverlustrückstellung in Betracht. Für den schwebenden Teil eines Dauerschuldverhältnisses ist dann eine Drohverlustrückstellung erforderlich, wenn die eigene Leistungsverpflichtung die zu empfangenden Leistungen übersteigt (Verpflichtungsüberschuss), auch wenn über die gesamte Laufzeit des Dauerschuldverhältnisses Leistung und Gegenleistung ausgeglichen sein mögen.[2] Es ist alleinig auf den noch schwebenden Teil des Geschäfts abzustellen.

 
Praxis-Beispiel

Ein Unt hat am 1.7.01 ein Swapgeschäft mit einer Laufzeit von fünf Jahren abgeschlossen. Das Swapgeschäft stellt annahmegemäß kein Sicherungsgeschäft i. S. e. Bewertungseinheit nach § 254 HGB dar. In den Jahren 01 und 02 hat das Swapgeschäft gute Erträge für das Unt abgeworfen, da der Referenzzins (EURIBOR) ständig gestiegen ist. Gegen Ende des Jahrs 03 sinkt das Markzinsniveau dramatisch. Zwar weist die GuV für das Jahr 03 insgesamt noch einen positiven Ergebnisbeitrag aus dem Swapgeschäft aus; am Abschlussstichtag 31.12.01 (und annahmegemäß auch im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung) ist der Marktwert (ermittelt nach der Mark-to-market-Methode) des Swapgeschäfts jedoch negativ i. H. v. 100 GE.

Es ist eine Rückstellung für drohende Verluste i. H. v. 100 GE zu bilden. Die Tatsache, dass das Swapgeschäft seit Abschluss positive Ergebnisbeiträge abgeworfen hat, ist unbeachtlich, selbst wenn diese die zu erwartenden Verluste von 100 GE überstiegen hätten. Da bei der Berechnung von Marktwerten nach der Mark-to-market-Methode der unterschiedliche zeitliche Anfall von Zahlungen durch Abzinsung bereits berücksichtigt ist, braucht keine (weitere) Abzinsung nach § 253 Abs. 2 HGB vorgenommen werden.[3]

 

Rz. 166

Schwierig wird die Ermittlung eines drohenden Verlusts bei Dauerschuldverhältnissen, wenn die Gegenleistung (Sachleistung) nicht einfach in Geldeinheiten zu beziffern ist, wie das in dem Beispiel zu Swapgeschäften der Fall ist. Während für Dauerbeschaffungsgeschäfte über aktivierungsfähige VG die für Einmalgeschäfte entwickelten Grundsätze übertragen werden können (Rz 148), ist dies bei Dauerbeschaffungsgeschäften über nicht aktivierungsfähige Leistungen besonders virulent. Eine an den Wiederbeschaffungskosten orientierte Bewertung würde die Anzahl der Anwendungsfälle sehr stark erhöhen:

 
Praxis-Beispiel

Ein Unt mietet Büroräumlichkeiten zu einem Preis von 20 EUR/qm. Am Abschlussstichtag beläuft sich die Vergleichsmiete auf 18 EUR/qm.

Eine rein an gesunkenen Wiederbeschaffungskosten orientierte Vorgehensweise würde auf Basis der Mietdifferenz von 2 EUR/qm für die Restlaufzeit des Mietvertrags eine Drohverlustrückstellung indizieren. Hierbei blieben qualitative Vorzüge des Mietobjekts (z. B. Erreichbarkeit, Lärmbelästigung, Gebäudeabnutzung) außer Betracht. Eine Drohverlustrückstellung kommt nicht in ...

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