Rz. 155

Bei der Beurteilung, ob ein Verlust aus einem schwebenden Absatzgeschäft droht, ist auf Basis der am Abschlussstichtag aktivierten AHK zzgl. der nach dem Abschlussstichtag noch anfallenden Aufwendungen zu ermitteln, ob diese den Wert der Gegenleistung (i. d. R. der Kaufpreis) übersteigen.

 

Rz. 156

Bei der Bemessung der nach dem Abschlussstichtag anfallenden Aufwendungen sind sämtliche durch das Absatzgeschäft verursachten Aufwendungen einzubeziehen, unabhängig davon, ob diese beim Bilanzierenden ggf. aktivierungsfähig wären. Daher sind auch Aufwendungen für Auftragsfinanzierungen (z. B. Akkreditive) und erwarteter Gewährleistungsaufwand mit einzubeziehen.[1] Nicht einzubeziehen sind kalkulatorische Kosten (Rz 152).

 

Rz. 157

Auch für vom Bilanzierenden bewusst eingegangene Verlustgeschäfte sind Drohverlustrückstellungen anzusetzen, da es sich hierbei um passivierungspflichtige Außenverpflichtungen des Kaufmanns handelt.[2]

 
Praxis-Beispiel

Ein Möbelhersteller (M) schließt im November 01 mit einem Möbelhändler einen Kaufvertrag über die Lieferung eines Schlafzimmers ab, das an einem bestimmten Platz der Ausstellungsflächen des Möbelhändlers für Verkaufszwecke platziert werden soll. M gewährt dem Möbelhändler einen Rabatt i. H. v. 80 % (sog. Kojenrabatt), da er sich mit der Platzierung des Schlafzimmers an attraktiver Stelle im Möbelhaus Folgeaufträge erhofft. Die Lieferung des Schlafzimmers ist für Januar 02 vereinbart. Die Herstellungskosten des M belaufen sich auf 100 GE, der vereinbarte Kaufpreis (unter Einbeziehung des Kojenrabatts) auf 70 GE.

Es ist von M zum 31.12.01 eine Drohverlustrückstellung i. H. v. 30 GE zu bilden. Die bloße Hoffnung auf Folgeaufträge ist nicht so konkretisiert, damit sie in den Kompensationsbereich einbezogen werden kann.

Fortführung des Beispiels:

Im Januar 02 wird das Schlafzimmer im Möbelhaus aufgebaut. Die positive Kundenresonanz führt im Februar 02 dazu, dass drei weitere Schlafzimmer vom Möbelhaus geordert werden, diesmal zur Lieferung an Endabnehmer (private Kunden), weshalb kein Kojenrabatt anfällt. Für die Lieferung der drei Schlafzimmer rechnet M mit Gesamtaufwendungen von 300 GE bei Erträgen von 350 GE. Im März 02 stellt M den Jahresabschluss zum 31.12.01 auf.

Die nunmehr konkretisierten Folgeaufträge können nicht in den Kompensationsbereich für die Drohverlustrückstellung zum 31.12.01 einbezogen werden. Die Ausstellung des Schlafzimmers im Möbelhaus im Januar 01 und die darauf zurückzuführende positive Kundenresonanz, die zu den drei Folgeaufträgen geführt hat, sind wertbegründende Ereignisse, die bei der Bewertung der Drohverlustrückstellung zum 31.12.01 nicht berücksichtigt werden dürfen. Es ist wie im Ausgangsfall eine Drohverlustrückstellung i. H. v. 30 GE zum 31.12.01 zu passivieren.

 

Rz. 158

Schwierigkeiten in der Abgrenzung des Kompensationsbereichs können dann auftreten, wenn mehrere Absatzgeschäfte mit einem Kunden in engem zeitlichen Zusammenhang geschlossen werden.

 
Praxis-Beispiel

Ein Hersteller von Sondermaschinen verhandelt mit einem Kunden über die Lieferung von drei verschiedenen Maschinen. Beide werden sich schließlich einig. Es werden im Dezember 01 zeitgleich drei Kaufverträge abgeschlossen. Für alle drei Aufträge sind am Abschlussstichtag 31.12.01 keine aktivierungspflichtigen Aufwendungen angefallen. Bei Aufstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.01 ermittelt der Sondermaschinenhersteller für den ersten Auftrag eine Unterdeckung von 20 GE, für die anderen beiden Aufträge eine Überdeckung von insgesamt 30 GE.

Es ist keine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften auszuweisen, da die beiden gewinnbringenden Aufträge zeitgleich und bei Gelegenheit des Abschlusses des verlustträchtigen Auftrags abgeschlossen werden.

Abwandlung des Beispiels:

Der Hersteller von Sondermaschinen schließt im November 01 zwei gewinnbringende Aufträge mit dem Kunden ab. Im Dezember 01 wird ein weiterer Auftrag mit dem Kunden abgeschlossen, der diesmal aber verlustträchtig ist.

Bei der Beurteilung, ob eine Rückstellung für drohende Verluste für den dritten Auftrag zu bilden ist, kommt es darauf an, ob die beiden ersten Aufträge in den Kompensationsbereich einbezogen werden können. Allein die Tatsache, dass bereits zwei gewinnbringende Aufträge abgeschlossen worden sind, ist hierfür nicht ausreichend. Es muss vielmehr untersucht werden, ob ein kausaler Zusammenhang zwischen den drei Aufträgen besteht. Wenn bspw. alle drei Verträge gleichzeitig verhandelt wurden und lediglich aus formalen Gründen (z. B. verzögert sich die Rücksendung des dritten Kaufvertrags deshalb, weil der zuständige Einkaufsleiter des Kunden wegen einer zweiwöchigen Auslandsreise die Unterschrift nur verspätet leisten konnte) die zeitliche Verzögerung eingetreten ist, ist eine kompensatorische Wirkung der drei Verträge wohl sachgerecht. Es kommt aber in solchen Fällen auf die Umstände des jeweiligen Sachverhalts an. Der Nachweis der Kausalität (Dokumentation) ist vom Bilanzierenden zu führen. Im...

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