3.3.1 Begriffsabgrenzung

 

Rz. 130

Der Begriff der drohenden Verluste wird durch zwei Voraussetzungen charakterisiert. Es muss sich um einen Verlust handeln und dieser muss drohen.

 

Rz. 131

Aus einem schwebenden Geschäft ergibt sich ein Verlust, wenn der Wert der vom Bilanzierenden zu erbringenden Leistung den Wert der zu empfangenden Gegenleistung übersteigt. Es handelt sich hierbei um einen sog. Verpflichtungsüberschuss.

 
Praxis-Beispiel

Ein Autohändler schließt mit einem Kunden einen Kaufvertrag zur Lieferung eines Pkw mit genau spezifizierter Ausstattung. Der Kaufpreis wird mit 100 GE vereinbart. Für die Beschaffung und Auslieferung des Pkw muss der Autohändler Aufwendungen von 110 GE tragen.

Es ergibt sich ein Verlust i. H. v. 10 GE.

 

Rz. 132

Damit ein Verlust droht, müssen konkrete Anzeichen gegeben sein, denn die bloße Möglichkeit für einen Verlust ist nahezu bei jedem schwebenden Geschäft gegeben. Derartige konkrete Anzeichen sind regelmäßig aus den individuellen vertraglichen Vereinbarungen und den Umständen der Vertragsabwicklung (z. B. Marktverhältnisse) abzuleiten.[1] Es müssen sich hieraus konkrete Anhaltspunkte ableiten lassen, die bei normaler Abwicklung des Geschäfts und vernünftiger kaufmännischer Beurteilung die Entstehung eines Verlusts erwarten lassen. Während bei sog. Einmalgeschäften (Rz 148 ff.) dies i. d. R. eindeutig festgestellt werden kann, ergeben sich bei Dauerschuldverhältnissen (Rz 159 ff.) besondere Schwierigkeiten, da der Beitrag der Gegenleistung zum Unternehmenserfolg i. d. R. nicht hinreichend objektiv bestimmt werden kann.

 
Praxis-Beispiel

Ein MaschinenbauUnt (M) schließt mit einem Kunden im September 01 einen Vertrag über die Lieferung, Installation und Inbetriebnahme einer Spezialmaschine. Als Kaufpreis werden 100 GE vereinbart. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags rechnet M mit Gesamtaufwendungen von 80 GE. Zum Jahresende 01 sind die Konstruktionsarbeiten vorangeschritten. Danach wird der Bau der Maschine deutlich komplexer als bei Vertragsabschluss erwartet. Bei Aufstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.01 kalkuliert M nunmehr mit Gesamtaufwendungen von 120 GE.

Fazit: Es droht ein Verlust von 20 GE.

[1] Vgl. IDW RS HFA 4.15.

3.3.2 Abgrenzung zu Verbindlichkeitsrückstellungen

 

Rz. 133

Sowohl Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften als auch Verbindlichkeitsrückstellungen betreffen Außenverpflichtungen des Bilanzierenden.[1]

 

Rz. 134

Verbindlichkeitsrückstellungen erfassen zukünftige Aufwendungen, denen keine zukünftigen Erträge gegenüberstehen. Hierunter fällt der sog. Erfüllungsrückstand, bei dem Aufwendungen anfallen, denen in der Vergangenheit zuordenbare Erträge gegenüberstehen, aber auch solche Aufwendungen, aus denen aus der Eigenart des Sachverhalts weder vergangene noch zukünftige Erträge zuzurechnen sind. Verbindlichkeitsrückstellungen betreffen somit regelmäßig den bereits abgewickelten Teil eines (vormals) schwebenden Geschäfts. Drohverlustrückstellungen erfassen demgegenüber zukünftige Aufwendungen, die mit zukünftigen Erträgen in Zusammenhang stehen.[2]

 

Rz. 135

Bei Verbindlichkeitsrückstellungen wird die gesamte Außenverpflichtung passiviert, während bei Drohverlustrückstellungen lediglich der Verpflichtungsüberschuss ausgewiesen wird.[3] Abb. 1 zeigt das Zusammenspiel von Verbindlichkeitsrückstellung und Drohverlustrückstellung am Beispiel eines Dauerschuldverhältnisses.

Abb. 1: Abgrenzung Verbindlichkeitsrückstellung von Drohverlustrückstellung bei Dauerschuldverhältnissen

[1] Vgl. IDW RS HFA 4.17.
[2] Vgl. Groh, BB 1988, S. 27.
[3] Vgl. IDW RS HFA 4.19.

3.3.3 Vorrang von Abschreibungen

 

Rz. 136

Soweit bei Bilanzaufstellung im Zusammenhang mit dem schwebenden Geschäft stehende VG aktiviert werden (z. B. unfertige Leistungen im Vorratsvermögen), sind diese zunächst um den erwarteten Verlust abzuschreiben, da eine außerplanmäßige Abschreibung Vorrang vor einer Drohverlustrückstellung hat. Der Vorrang der aktivischen Abschreibung begründet sich aus Art. 20 Abs. 3 der Vierten Bilanzrichtlinie, da Rückstellungen "keine Wertberichtigungen zu Aktivposten darstellen" dürfen.[1] Erst nach Vollabschreibung von aktivierten VG darf ein darüber hinaus bestehender Verlust als Drohverlustrückstellung berücksichtigt werden.[2]

 
Praxis-Beispiel

Eine Werbeagentur (W) hat mit einem Kunden einen Vertrag über die Durchführung einer Werbekampagne geschlossen. Die Vergütung für die Werbekampagne ist mit 100 GE vereinbart. Zum Abschlussstichtag hat W unter den Vorräten unfertige Leistungen i. H. v. 30 GE aktiviert. Bei Aufstellung des Jahresabschlusses rechnet W mit Gesamtaufwendungen für die Durchführung der Werbekampagne von 150 GE.

Zunächst sind die aktivierten unfertigen Leistungen i. H. v. 30 GE bis auf 0 GE abzuschreiben. Der darüber hinausgehende Verlust von 20 GE ist als Drohverlustrückstellung zu passivieren.

 

Rz. 137

Soweit ein Drohverlustauftrag über mehrere Geschäftsjahre abgewickelt wird, stellt sich wegen des Abschreibungsvorrangs das Erfordernis, zunächst als Drohverlustrückstellungen berücksichtigte Verluste in Wertberichtigungen auf Vorräte umzuqualifizieren:

 
P...

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