Rz. 79

Die Neubewertung des TU hat im Regelfall zu dem Zeitpunkt zu erfolgen, an dem das Unt TU geworden ist. Dies wird in der Praxis i. d. R. der Zeitpunkt sein, an dem das wirtschaftliche Eigentum an den die Beherrschung begründenden Anteilen auf das MU übergegangen ist. Denkbar ist auch, dass die zur Qualifikation eines Mutter-Tochter-Verhältnisses gem. § 290 HGB notwendige Beherrschungsmöglichkeit über ein TU ohne Anteilsbesitz bzw. zusätzlich zu einem die Beherrschung bislang noch nicht zulassenden Anteilsbesitz entsteht. Konkret ist gem. § 290 Abs. 2 HGB ein beherrschender Einfluss anzunehmen, wenn

  • dem MU die Mehrheit der Stimmrechte der Gesellschafter zusteht (§ 290 Rz 29 ff.),
  • das Recht besteht, die Mehrheit der Mitglieder des die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmenden Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans zu bestellen oder abzuberufen, und gleichzeitig eine Gesellschafterstellung gegeben ist (§ 290 Rz 35 ff.),
  • auch ohne Gesellschafterstellung eine Beherrschungsmöglichkeit über einen Beherrschungsvertrag oder Satzungsbestimmungen gegeben ist (§ 290 Rz 42 ff.) oder
  • die Risiken- und Chancentragung bzgl. eines Unt, das zur Erreichung eines eng begrenzten und genau definierten Ziels des MU dient (Zweckgesellschaft), bei wirtschaftlicher Betrachtung durch das MU erfolgt (§ 290 Rz 46 ff.).
 

Rz. 80

Problematisch ist, dass trotz der scheinbar klaren Regelung im Detail Spielräume verbleiben. Nach § 290 Abs. 1 HGB kann der beherrschende Einfluss auch unabhängig von diesen gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen gegeben sein. Es kann etwa als ausreichend angesehen werden, wenn der Erwerber aufgrund schuldrechtlicher Vereinbarungen mit dem Veräußerer schon vor dem dinglichen Übergang der Anteile eine Beherrschungsmöglichkeit über das Erwerbsobjekt hat. Es ist somit zu prüfen, ob eine unentziehbare Erwerbsposition vorliegt. So können als praxisrelevante Abgrenzungsfälle aufgeführt werden:

 

Rz. 81

  • Der Erwerb wird vertraglich rückverlagert, d. h., bei Vertragsabschluss am 12.1.01 wird eine Übernahme der Anteile zum 1.1.01 festgelegt. Wenn zu diesem Zeitpunkt tatsächlich die Beherrschungsmöglichkeit übergegangen ist, ist somit der 1.1. als relevanter Stichtag für die Erlangung des TU-Status anzunehmen. Im Normalfall sind solche unterjährigen Vereinbarungen für die Bestimmung des Erwerbszeitpunkts unbeachtlich, da es sich häufig lediglich um eine im Innenverhältnis zwischen Verkäufer und Erwerber getroffene Klarstellung handelt, die letztlich nur auf eine Gewinnverteilung hinausläuft. Eine Rückverlagerung, ohne dass auch die Beherrschungsmöglichkeit zu dem fixierten Zeitpunkt bestand, wäre – wenn überhaupt – nur unter Wesentlichkeits- oder Kosten-Nutzen-Überlegungen denkbar. Die Beherrschungsmöglichkeit kann demnach nur in seltenen Ausnahmefällen rückwirkend übertragen werden.[1]
 

Rz. 82

  • Abweichende Gewinnaufteilungen, d. h. etwa, dass dem Erwerber auch die Altgewinne des Gj zugerechnet werden, sind daher ebenfalls im Regelfall nicht als Vorverlagerung des Erwerbszeitpunkts zu interpretieren.[2]
 

Rz. 83

  • Bei Erwerb der Anteile bei Umwandlungsvorgängen ist das rechtliche Eigentum an den Anteilen erst mit der Eintragung in das Handelsregister gegeben. Unter den Voraussetzungen des IDW RS HFA 42.31 ff.[3] kann aber für den Erwerbszeitpunkt bereits als frühester Zeitpunkt der ausdrücklich vereinbarte Umwandlungsstichtag angesehen werden. Umwandlungsstichtag ist der Zeitpunkt, ab dem die Handlungen des die Anteile des TU übertragenden Rechtsträgers für Rechnung des übernehmenden Rechtsträgers vorgenommen werden (§ 5 Abs. 1 Nr. 6 bzw. § 136 Abs. 1 Nr. 6 UmwG).[4]
 

Rz. 84

  • Bei Gremienvorbehalten ist zu differenzieren: Bedarf die Wirksamkeit der Anteilsübertragung einer Zustimmung durch den Aufsichtsrat oder die Geschäftsführung des Veräußerers, ist bis zur Erteilung der Zustimmung aus Sicht des Erwerbers völlig unsicher, ob der Vertrag wirksam wird. Der beherrschende Einfluss kann noch nicht übergehen. Besteht der Gremienvorbehalt hingegen nur noch zugunsten eines Organs des Erwerbers, liegt der Einfluss über das Erwerbsobjekt bereits in seiner Sphäre.[5]
 

Rz. 85

  • Bestehen Kartellamtsvorbehalte, so sind diese dahin gehend zu würdigen, wie hoch die Wahrscheinlichkeit des Versagens der Zustimmung ist und wie ggf. während des anhängigen Verfahrens die Handlungsoptionen aussehen. Darf der Erwerber lediglich mit Zustimmung des Veräußerers Geschäftshandlungen vornehmen, wird der Erwerbszeitpunkt erst auf den Tag der Genehmigungserteilung fallen können (§ 298 Rz 32).[6]
 

Rz. 86

Mit der Bestimmung des Zeitpunkts sind zwei Sachverhalte verbunden: Zum einen erfolgt im Erstkonsolidierungszeitpunkt die Qualifikation von Gewinnen. Während die bis zu diesem Zeitpunkt angefallenen (alten) Gewinne in die Erstkonsolidierung (ErstKons) eingehen, sind die ab dem Tag des Unternehmenserwerbs entstehenden Gewinne Bestandteil der Konzern-GuV. Zum anderen hat zu diesem Zeitpunkt die Wertermittlung der für die KapKons benötigten Posten zu erfolgen,...

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