1 Überblick

 

Rz. 1

Die Bildung latenter Steuern folgt im Jahresabschluss und Konzernabschluss nach HGB dem in der internationalen Rechnungslegung üblichen bilanzorientierten Temporary-Konzept. Anlass für die Steuerlatenzierung geben danach Unterschiede zwischen den handelsrechtlichen Wertansätzen von Vermögensgegenständen, Schulden, Rechnungsabgrenzungsposten und ihren Steuerwerten. Wie sich diese Differenzen gebildet haben, ist unbeachtlich. Deshalb sind auch erfolgsneutral entstandene Differenzen in die Steuerlatenzierung einzubeziehen.[1]

 

Rz. 2

Das DRSC hat den von ihm entwickelten ursprünglichen Deutschen Rechnungslegungsstandard Nr. 18 (DRS 18) am 8.6.2010 verabschiedet. Er wurde am 3.9.2010 durch das BMJ im BAnz bekannt gemacht. Nach mehreren kleineren Anpassungen in den Jahren 2016 und 2017 hat das DRSC am 9.3.2021 den DRS-Änderungsstandard Nr. 11 (DRÄS 11) verabschiedet, der mehrere Ergänzungen und Änderungen des DRS 18 vorsieht. Das BMJV hat die Neufassung des Standards am 21.5.2021 bekannt gemacht. Die geänderte Fassung des DRS 18 – zitiert als DRS 18 (2021) – ist erstmals für das nach dem 31.12.2021 beginnende Gj anzuwenden. Die Vorschriften der zuletzt durch DRÄS 8 vom 22.9.2017 geänderten Fassung sind letztmals zu beachten für das vor dem 1.1.2022 beginnende Geschäftsjahr (DRS 18.68 (2021)).[2] Den DRS kommt zwar keine Gesetzeskraft zu, aber mit ihrer ordnungsgemäßen Anwendung ist die Vermutung verbunden, dass die die Konzernrechnungslegung betreffenden GoB beachtet wurden (§ 342 Abs. 2 HGB).

[1] Vgl. Karrenbrock, WPg 2009, S. 334.

2 Ansatz latenter Steuern im Konzern

2.1 Anwendungsbereich

 

Rz. 3

Auf Ebene des Konzerns sind für alle in den Konzernabschluss einbezogenen Unt latente Steuern nach § 274 HGB i. V. m. § 298 HGB und auf Konsolidierungsmaßnahmen nach §§ 306ff. HGB zu ermitteln. Die Bildung latenter Steuern erfolgt somit auf drei Ebenen.[1] Nachdem auf Ebene des Jahresabschlusses der Konzernges. die latenten Steuern (HB I) gebildet wurden, sind im nächsten Schritt auf die Anpassung dieser Buchwerte der VG, Schulden und RAP durch die konzerneinheitliche Bilanzierung und Bewertung (HB II) folglich auch Anpassungen der latenten Steuern vorzunehmen. Schließlich stellt die Erfassung latenter Steuern auf Konsolidierungsmaßnahmen die dritte Ebene der Ermittlung latenter Steuern dar.[2] § 306 ergänzt § 274 HGB für Zwecke der Kons., ihre Anwendungsbereiche sind aber verschieden. § 274 HGB regelt den Ansatz latenter Steuern im Jahresabschluss einschl. der HB II (Stufen 1 und 2), während § 306 HGB auf die Konsolidierungsmaßnahmen der §§ 300307 HGB Anwendung findet (Stufe 3).[3]

Bei der Aufstellung des Konzernabschlusses stellt sich die Frage, ob das Ansatzwahlrecht für einen Aktivüberhang gem. § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB, der durch Anpassungen an die konzerneinheitliche Bilanzierung und Bewertung entsteht, bereits in der HB II der einzubeziehenden Unt oder erst auf der Ebene der Summenbilanz ausgeübt wird.

 
Praxis-Beispiel

Ansatzwahlrecht Aktivüberhang nach § 274 i. V. m. § 298 HGB

Die in den Konzernabschluss einbezogenen Unt stellen in ihren jeweiligen Jahresabschluss (HB I) die folgenden latenten Steuern fest, die sich bei der Erstellung der HB II nicht verändern:

 
  TEUR
  • MU: aktive latente Steuern
500
  • TU1: passive latente Steuern
– 300
  • TU2: aktive latente Steuern
50

Folgende mögliche Ergebnisse bei der Ausübung des Ansatzwahlrechts zeigen sich in der Summenbilanz:

 
  Latente Steuern vor Konsolidierungsmaßnahmen
  TEUR
  • das Ansatzwahlrecht wird auf Ebene der HB II ausgeübt
250
  • das Ansatzwahlrecht wird in der HB II nicht ausgeübt
– 300
  • das Ansatzwahlrecht wird in der Summenbilanz nicht ausgeübt:
0

In Ermangelung einer gesetzlichen Regelung sind wohl alle drei in dem Beispiel dargestellten Ausweisvarianten als zulässig zu erachten. Die Ausübung des Ansatzwahlrechts auf der Ebene der Summenbilanz erscheint dem Einheitsgrundsatz folgend als die zu bevorzugende Betrachtungsweise.

Nicht erlaubt jedenfalls ist die Aktivierung von latenten Steuern nur einzelner in den Konzernabschluss einbezogener Unt (Teilaktivierung). Diese widerspricht dem Stetigkeitsgrundsatz (Rz 37).

 

Rz. 4

Der HGB-Fachausschuss des DRSC hält eine unterschiedliche Behandlung von aktiven latenten Steuern im Konzernabschluss in Abhängigkeit von deren Entstehung (Aktivierungswahlrecht nach § 274 Abs. 1 HGB i. V. m. § 298 Abs. 1 HGB vs. Aktivierungspflicht nach § 306 HGB) systematisch für nicht gerechtfertigt, da sich die unterschiedliche Behandlung nicht mit dem Einheitsgrundsatz des Konzernabschlusses vertrage (s. die zur Diskussion gestellte Frage 1 im E-DRÄS 11). Das IDW hält es dagegen in seiner Stellungnahme v. 27.2.2020 an das DRSC vor dem Hintergrund des geltenden Wortlauts für vertretbar und sinnvoll, auch weiterhin § 274 Abs. 1 HGB einheitlich auf Differenzen anzuwenden, die aus § 300 Abs. 2 HGB (Ansatz) und aus § 308 HGB (Bewertung) resultieren. Faktisch würde sonst für alle deutschen Unt, die in einen HGB-Konzernabschluss im Wege der Voll- oder Quotenkonsolidierung einbezogen werden, di...

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