Rz. 172

Da die EU-RL die Unterscheidung zwischen gewöhnlicher und außergewöhnlicher Geschäftstätigkeit aufgibt und die GuV-Gliederung dementsprechend vereinfacht, entfällt die Definition der außerordentlichen Erträge und Aufwendungen sowie deren Erläuterungspflicht in § 277 Abs. 4 HGB a. F. Mit dieser Streichung geht die neue Pflicht zur Anhangangabe außergewöhnlicher Erträge und Aufwendungen[1] einher (§ 285 Nr. 31 HGB), um auch weiterhin Einblicke in die Qualität der Ergebnisse zu bekommen.[2] Konkret sind Angaben zu Erträgen und Aufwendungen von außergewöhnlicher Größenordnung oder Bedeutung notwendig, allerdings nur, wenn diese nicht lediglich von untergeordneter Bedeutung sind. Dabei weicht der Gesetzgeber vom Originaltext der deutschen Übersetzung des Art. 16 Abs. 1 Buchst. f RL 2013/34/EU ab und korrigiert eine Übersetzungsungenauigkeit innerhalb der Richtlinie.[3] Unter Nr. 31 sind somit Betrag und Art von diesen Erträgen und Aufwendungen anzugeben, soweit sie nicht von untergeordneter Bedeutung sind. Neu im Vergleich zur bisherigen Angabepflicht zu den außerordentlichen Erträgen und Aufwendungen ist zum einen die Notwendigkeit, diese einzeln vornehmen zu müssen. Somit ist im Anhang für jeden einzelnen Geschäftsvorfall

  • die Bezeichnung des außergewöhnlichen Vorgangs,
  • der entsprechende außergewöhnlich hohe/niedrige Betrag bzw. Betrag von besonderer Bedeutung sowie die Art des Aufwands und des Ertrags (ggf. bereits durch die Positionsbezeichnung deutlich) anzugeben,

soweit die Beträge von nicht untergeordneter Bedeutung sind.

Zum anderen ist die Definition nicht deckungsgleich zu den bis zum Gj 2015 in der GuV anzugebenden außerordentlichen Erträgen und Aufwendungen, da es nicht darauf ankommt, dass diese aus Sachverhalten außerhalb der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit stammen. Somit sind zu den Erträgen und Aufwendungen von außergewöhnlicher Bedeutung, für die nach der Gesetzesbegründung weiterhin die von der Praxis bisher entwickelte (enge) Abgrenzung nach der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit (§ 277 Rz 25 ff.) weiter herangezogen werden kann,[4] auch die Beträge von außergewöhnlicher Größenordnung hinzuzunehmen.

Bis zum Gj 2015 waren außerordentliche Erträge und Aufwendungen gekennzeichnet durch das Zugrundeliegen von ungewöhnlichen Vorgängen, die als selten einzustufen sind und eine wesentliche Ergebniswirkung entfalten.[5] Entsprechend ihrem Charakter sind sie im Vorfeld nicht vorhersehbar und weder der Art noch der Höhe nach kalkulierbar. Eine Wesentlichkeit und eine gewisse materielle Bedeutung sind gegeben, wenn es sich um Geschäftsvorfälle von nicht untergeordneter Bedeutung handelt. Eine Ungewöhnlichkeit ist bei für das Unt untypischen Geschäftsvorfällen zu unterstellen. Als grobe Orientierung für die Beurteilung kann die Satzung der Ges. zugrunde gelegt werden. Als alleiniger Maßstab genügt sie jedoch nicht. Vielmehr kann hier im Zweifelsfall das Auseinanderklaffen zwischen Aufgabe gem. Satzung und der faktischen Üblichkeit eine von der Satzung abweichende Aufwands- und Ertragsklassifizierung erfordern, sodass die Aufwands- und Ertragsklassifizierung letztlich an der tatsächlichen Geschäftstätigkeit auszurichten ist. Ereignisse, die zu Störungen des Geschäftsablaufs führen, müssen das für die betrieblichen Verhältnisse übliche Maß überschreiten, um die Klassifizierung der aus ihnen resultierenden Aufwendungen als außerordentlich zu rechtfertigen. Eine Seltenheit des Geschäftsvorfalls liegt vor, wenn es diesem an einer Regelmäßigkeit fehlt. Der Wiederholung zu einem bestimmten Zeitpunkt steht nur in Ausnahmefällen eine konkrete Erwartung gegenüber. Die Kriterien der Seltenheit und Ungewöhnlichkeit sind nicht überschneidungsfrei. Sie können nur in enger Abhängigkeit zu den konkreten betrieblichen internen und externen Rahmenbedingungen der Ertrags- bzw. Aufwandsklassifikation dienen und der Angabeentscheidung zugrunde gelegt werden. Insgesamt müssen die genannten Kriterien kumulativ erfüllt werden. Als Beispiele für außerordentliche Sachverhalte können etwa aufgeführt werden:

 
Praxis-Beispiel
  • Gewinne oder Verluste aus der Veräußerung oder Aufgabe kompletter Unternehmensbereiche, von Teilbetrieben oder wesentlicher Beteiligungen;
  • Gewinne oder Verluste in Verbindung mit grundlegenden Unternehmensreorganisationen oder -umwandlungen (Verschmelzung, Spaltung);
  • Aufwendungen aus der (wesentlichen) Erweiterung der Geschäftstätigkeit;
  • Erträge aufgrund eines allgemeinen Forderungsverzichts der Gläubiger (Sanierungsgewinne);
  • Aufwendungen aus Sanierungsmaßnahmen;
  • Wesentliche außerplanmäßige Abschreibungen zur Erfassung von Wertminderungen aufgrund externer Einflüsse, wie z. B. Enteignung, Katastrophen, Krieg;
  • Aufwendungen infolge von betrügerischen Machenschaften (und anderen Straftaten);
  • Aufwendungen für Abfindungen aufgrund von Sozialplänen;
  • Aufwendungen oder Erträge aus existenzentscheidenden Rechtsstreitigkeiten;
  • Bußgelder aufgrund von Verstößen gegen das Kartellgesetz;
  • einmalige Großzuschüsse der öffentlichen H...

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